Wohin mit dem vielen Geld?
Tourismus fordert ein Viertel aus EU-Wiederaufbauprogramm – Verluste wohl höher als befürchtet
Madrid – tl. Die gut 140 Milliarden Euro, die Spanien aus dem 750 Milliarden schweren Corona Wiederaufbau programm der EU erhalten soll, wecken hierzulande Begehrlichkeiten. Die Tourismuslobby Exceltur beispielsweise will laut Wirtschaftsz ei tung„C in coDías“für den Fremdenverkehr „mindestens ein Viertel“der Summe haben, davon die Hälfte aus dem Topf der direkten Zuschüsse. Der Chef der Fluggesellschaft Iberia, Luis Gallego, wiederum sieht in der EU-Hilfe eine willkommene Chance, die Flugzeugflotte zu erneuern. Die jüngsten Entwicklungen in Sachen Corona in Spanien könnten die Forderungen indes noch lauter werden lassen.
Die Hotelier-Plattform „Juntos con la Hostelería“, die von den drei Verbänden Aecoc, Fiab und Hostelería de España gegründet wurde, unterstützt die Forderung der Tourismus-Lobby. 40.000 Häuser hätten Corona-bedingt bereits geschlossen, heißt es. Ohne Hilfen würde sich diese Zahl bis Jahresende verdoppelt. Bereits jetzt seien in der Hotellerie 300.000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Weitere 700.000 seien in Gefahr, sollten die jüngsten Corona-Ausbrüche neue Einschränkungen erfordern. Alle Tourismus-Verbände eint zudem der Wunsch an die Regierung in Madrid, die Kurzarbeit bis März 2021 zu verlängern.
Exceltur untermauert die Forderung einmal mehr mit dem Gewicht des Tourismus für Spaniens Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Auf 83 Milliarden Euro schätzt die Vereinigung der wichtigsten Tourismus-Unternehmen die Verluste infolge der Corona-Pandemie. Wobei sich diese Schätzung möglicherweise als überholt erweist. Sie stammt aus einer Zeit, als noch mit einer Erholung im Sommer gerechnet wurde. Die wieder stark steigende Zahl der Corona-Infektionen könnte den Tourismus-Motor, der zuletzt wieder angelaufen war, abrupt abwürgen. Die Sorge wächst.
Im besonders stark von den Neuinfektionen betroffenen Katalonien bleiben die Urlauber bereits weg. „Der Auslandstourismus in
Barcelona ist praktisch verschwunden, und an der Costa Brava, wo im August immerhin noch mit 60 bis 80 Prozent an Belegung gerechnet wurde, ist eine Vollbremsung eingetreten“, sagt Juan Molas, Präsident der Vereinigung Mesa de Turismo, gegenüber „CincoDías“. Die jüngste Empfehlung der französischen Regierung, auf Urlaub in Katalonien zu verzichten, wird den Trend verstärken.
Es blieb nicht der einzige Nackenschlag für den Tourismus in Spanien. Die zweiwöchige PflichtQuarantäne für Spanien-Urlauber bei der Rückkehr nach Großbritannien und die gestrichenen Flüge des weltgrößten Reisekonzerns TUI von den britischen Inseln aufs spanische Festland waren der „Todesstoß“,
klagt Exceltur-Vizepräsident José Luis Zoreda.
Derweil plant Vizeregierungschefin und Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, wie mit den Milliarden aus dem EU-Wiederaufbauprogramm zu verfahren ist. Es zeichnet sich ab, dass die Forderungen aus Tourismus und Luftverkehr nicht ungehört bleiben. „Spanien sieht sich besonders betroffen angesichts der Bedeutung von strategischen Sektoren wie dem Tourismus, die am stärksten unter der Pandemie leiden“, sagte Calviño am Sonntag in einem Zeitungsinterview. In diesem Zusammenhang kündigte die Ministerin an, die Milliarden der EU auch für ein drittes nationales Corona-Hilfspaket einzusetzen.
Die Zahl der Neuinfektionen könnte den Tourismus-Motor abrupt wieder abwürgen