Vom Helden zur tragischen Figur
Juan Carlos kam als verlorener Sohn nach Spanien, wurde zum Retter der Demokratie und dann zur Last für sein Land
mar. Als Juan Carlos am 5. Januar 1938 im römischen Exil geboren wurde, sah es überhaupt nicht danach aus, dass der kleine Bourbonen-Anjou-Prinz jemals König von Spanien werden würde. Franco machte keine Anstalten, wieder eine Monarchie zuzulassen. 1941 hatte er Alfonso XIII., Juan Carlos‚ Großvater, Wochen vor dessen Tod einen offiziellen Thronverzicht abgerungen.
Für die Bourbonen hieß das Exil. Zunächst Mussolinis Italien, dann die Schweiz, zuletzt Estoril in Portugal. 1948, mit zehn Jahren, betrat Juan Carlos erstmals spanischen Boden. Franco ließ seinen Ziehsohn abgeschirmt in San Sebastián und Madrid in Internaten ausbilden. Das Kalkül: Den Jungen zu formen und zu einem Nachfolger nach seinem Bilde zu machen, zusätzlich ausgestattet mit der Autorität einer Krone.
1962 heiratete Juan Carlos Sofía, Tochter des Königspaares Paul I. von Griechenland und Friederike von Hannover, und verfestigte die Bande der europäischen Königshäuser. 1969 dann, Juan Carlos war 30 Jahre alt, wurde die Nachfolge Francos offiziell verkündet. Am 20. November 1975 starb Franco, am 22. November wurde Don Juan Carlos durch das „Parlament“zum König ernannt, einige Tage später auch gekrönt.
Die Bourbonen, in der Geschichte dreimal abgesetzt, saßen wieder auf dem Thron. Aber am Ruder waren sie nicht mehr. Juan Carlos hatte zu viel von der Welt und auch von Francos Spanien gesehen, als dass er dessen Werk fortsetzen wollte. Seine Feuertaufe als Demokrat und seine endgültige Emanzipation vom Ziehvater wider Willen erlebte König Juan Carlos am 23. Februar 1981, dem Tag des Staatsstreiches, als das Parlament überfallen wurde und dort Schüsse fielen.
1981: Die Feuertaufe
Juan Carlos verteidigte nach wilden Stunden der Ungewissheit öffentlich die Verfassung und erstickte so den Putsch einiger Militärs und hinter ihnen stehender revanchistischer Kräfte. Damit hatte er sowohl Spaniens Demokratie endgültig etabliert und gleichzeitig die Rolle der Bourbonen-Dynastie in ihr, die fortan das Staatsoberhaupt stellte.
Zwei Jahrzehnte später: Dubiose Geldgeschenke aus Saudi-Arabien, Geldkoffer in der Schweiz, diverse Affären, Großwildjagd in Afrika, teure Extras, ein Schwiegersohn im Gefängnis und eine deutsche, mutmaßliche Geliebte, die Teil der Geschäfte Juan Carlos’ wurde. Für Spaniens Demokratie wurde der König im Herbst seines Lebens eine Last.
2014 dankte er ab, 2019 beendete er auch öffentliche Auftritte. Im März 2020 sagt sich sein Sohn wegen der immer verwickelteren Finanzskandale, in denen sogar Felipes Name und der seiner Tochter auftaucht, vom materiellen Erbe los und streicht seinem Vater die Apanage. Aber ruhiger wird es nicht. Denn seit 2018 ermittelten die Schweizer immer genauer: Erst 2014: Juan Carlos übergibt Amt und Krone an Felipe VI.
aus britischen Medien erfuhr das spanische Volk, dass ihr Ex-König Juan Carlos einen Koffer mit 1,9 Millionen US-Dollar, ein „Geschenk des Sultans von Bahrein“,
in einer Schweizer Bank deponiert haben soll, als er noch Staatsoberhaupt von Spanien war. Insgesamt 100 Millionen US-Dollar „Trinkgeld“sollen um 2008 aus SaudiArabien
an Juan Carlos geflossen sein. Als Dank der Scheichs für den Bau des AVE in der Wüste.
Diese Gelder sollen in verschiedene Stiftungen und Scheinfirmen geflossen sein, Günstlinge und Geliebte fungierten als Sachwalter, weltweit wurden Land und Immobilien erworben, Geld investiert, umverteilt und ausgegeben. Kurz: Geldwäsche und Steuerbetrug mit dreistelligen Millionensummen lagen vor den eidgenössischen Ermittlern.
Ermittlungsdruck stieg
Hatten zuvor spanische Gerichte Ermittlungen gegen den laut Verfassung unantastbaren König und Ex-König stets ad acta gelegt, überraschten Staatsanwälte des Obersten Gerichtshofs Anfang Juni mit der Nachricht, gegen das frühere Staatsoberhaupt wegen Verdachts auf Geldwäsche und Steuerbetrug zu ermitteln und mit der Schweiz zu kooperieren.
Den Richtern bleibt bis heute ein Dilemma: Nach Artikel 56/3 der spanischen Verfassung wird dem Staatsoberhaupt juristische Unantastbarkeit zuerkannt. Generalstaatsanwältin Dolores Delgado und Richter Juan Ignacio Campos suchen dennoch gezielt nach Verwertbarem aus den Jahren nach der Abdankung 2014. Möglicherweise reicht es nicht für eine Anklage in Spanien, aber in einem anderen Land, wo ein Ex-Monarch nicht unantastbar ist. Der juristische Druck auf Juan Carlos scheint seitdem so gestiegen zu sein, dass er sein Heil in der Flucht sucht.