Liebe Leser,
die Coronafälle nehmen in Spanien zu. Damit sage ich Ihnen nichts Neues. Aber es ist so.
Akzeptieren Sie es. Da draußen ist ein Virus, und es breitet sich aus. Punkt. Nicht mehr als das, auch nicht weniger. Villajoyosa macht aber deswegen nicht dicht, nur weil da draußen ein Virus dem Lauf seiner Natur folgt und jetzt und in unserem Echtzeitalter unbedingt irgendetwas passieren muss. Und zwar gleich.
Wie zum Beispiel auch falsch berichtet wurde, dass Spanien am 18. September die Grenzen schließt. Neuer Lockdown, neues confinamiento – absoluter Schwachsinn!
Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat zwischen einer real existierenden Bedrohung und einer aufgebauschten Panik. Auf der Plaza Mayor in Madrid geht es momentan so zu wie in der Westernkulisse von „Zwölf Uhr Mittags“. Keine Menschenseele zu sehen. Da muss was passieren, unerträglich diese Spannung! Versetzen Sie sich mal in die Haut vom Bürgermeister von Villajoysa, der bei der Zeitungslektüre mitbekommt, dass seine Stadt auf eine noch gar nicht existierende Bedrohung mit einer Ausgangssperre reagieren wird. Und all das nur, weil laut einer Standardphrase in einer Pressemitteilung im Falle einer schlimmeren Entwicklung zu drastischeren Maßnahmen gegriffen werden muss. Die Zeitung griff einfach gleich ganz oben im Titel – weiter liest ja fast keiner mehr – zu drastischen Maßnahmen. Irgendwas muss ja passieren – warum eigentlich? Sie sind schon noch bei mir, oder? Hier passiert nämlich – hoffentlich – gar nichts.
Wir haben doch alle eine vage Ahnung, mit wem wir es zu tun haben, wie wir uns vor Corona schützen können. Das Leben im Zeichen von Covid-19 spielt sich im Hier und Jetzt ab. Niemand weiß, was morgen sein wird. Was wir wohl wissen, ist, dass wir bei einer starken Zunahme der Ausbrüche mit lokal begrenzten Quarantänemaßnahmen rechnen müssen. Legt man die Fakten auf den Tisch, kann man vielleicht ahnen, was passiert und passieren könnte. Die Reisewarnungen deuten klar darauf hin: dass Spanien Schwierigkeiten hat, das Coronavirus unter Kontrolle zu bringen. Zu Recht fordern namhafte Experten eine unabhängige und interdisziplinäre Untersuchung darüber, wie diese virale Bedrohung hier gehandelt wird. Man macht zu viele Fehler. Sicherlich hat das Gesundheitswesen mehr Schwachstellen als angenommen. Und der Herbst rückt näher. Abermals könnte es unter Druck geraten. Im September nimmt das normale Leben wieder an Fahrt auf, Schule, Arbeit, Verkehr – und all das im Zeichen des Coronavirus. Dann wird in den Straßen das Ausmaß des Schadens sichtbar, den die Pandemie angerichtet hat. Der Laden nebenan macht vielleicht nicht mehr auf, die Nachbarn gehen nicht mehr arbeiten und in der Schule gibt es nicht genug Lehrer. Lang wird es wohl nicht dauern, bis Existenzangst, Armut, Frust und Wut auf die Regierung sich in sozialen Protesten entladen – zumal es an politischen Akteuren auch nicht fehlt, die diese ordentlich anheizen. Dann passiert was in diesem Land.