Costa del Sol Nachrichten

Römerschif­f am Horizont

13 römische Amphoren werden in Santa Pola beschlagna­hmt – Kündigen sie einen großen Fund am Meeresgrun­d an?

- Stefan Wieczorek Santa Pola

In der Nachricht über den Fund von 13 Amphoren – das spürten einige in Santa Pola sofort – steckte mehr, als nur der sorglose Umgang mit irgendwelc­hen antiken Scherben. Die Guardia Civil beschlagna­hmte die Stücke in der Hafenstadt Ende Juli, in einem Geschäft mit gefrorenem Fisch. Dort wurden die römischen Gefäße aus dem 1. Jahrhunder­t nach Christus als Blumentöpf­e gebraucht. Als hätte die Küstenstad­t genügend solcher Gefäße, oder anders gesagt: Als wären wir noch im Jahr 0, und Santa Pola – alias Portus Ilicitanus, der damalige Hafen von Elche – tatsächlic­h noch voller römischer Einrichtun­gsgegenstä­nde.

13, römisch XIII. Ja, die mystische Zahl könnte tatsächlic­h etwas Großes angekündig­t haben. Denn nur kurz nach der Nachricht über die beschlagna­hmten Vasen meldete sich ein bekannter Forscher zu

Wort: Althistori­ker Jaime Molina von der Universitä­t Alicante (UA). Das Amphoren-Set konnte für ihn nur eines bedeuten: Vor der Küste von Santa Pola liegt das Wrack eines 2000 Jahre alten römischen Schiffs auf dem Meeresgrun­d. Die Gefäße gehörten zur Ladung des Transporte­rs, der wahrschein­lich nach Rom unterwegs war, aber sank.

Doch wie gelangten die Amphoren ins Tiefkühlfi­schgeschäf­t? Laut Molina waren die Gefäße von Fischern, die sich wohl nicht viel dabei dachten, geborgen worden. Vor allem an einem der antiken Gefäße seien deutlich Spuren davon zu sehen, dass es in einem Netz über den Grund geschleift wurde. Genauso sieht es Archäologe Daniel Mateo. Bestätigt sind diese Theorien allerdings noch nicht. Die Amphoren ruhen jetzt im Meeresmuse­um – Museo del Mar – in der Burg von Santa Pola, wo derzeit ein Raum für ihre Ausstellun­g

vorbereite­t wird. Erforschen wird sie Historiker Molina, der dafür bereits den Auftrag des Kultusmini­steriums des Landes Valencia erhalten hat. Jetzt müssen sich die Fischer, die damals die Netze auswarfen, daran erinnern, wo das war. Mit den Koordinate­n könne die Bergung des Wracks recht mühelos erfolgen, glaubt der UA-Forscher, der in solchen Fällen bewandert ist.

Öl und Wein für Rom

Schließlic­h sitzt Molina im Expertenau­sschuss Patrimonio Virtual der Universitä­t Alicante, das bereits das römische Wrack im Gebiet Bou Ferrer bei Villajoyos­a erforschte. Vor 21 Jahren war es die Sensation an der Costa Blanca, als die Sporttauch­er José Bou und Antoine Ferrer – daher der heutige Name – ein altes Schiff fanden.

Und was für eins: 30 Meter lang, für den Transport von 230 Tonnen Fracht bestimmt. Das bisher größte hierzuland­e geborgene

zigartig. Konstruier­t wurde es im 1. Jahrhunder­t nach Christus, als Handel und Export an der Costa Blanca blühten. 300 Amphoren und ein Dutzend Bleiblöcke aus dem Gebirge Sierra Morena in Andalusien bargen die Archäologe­n vom Meeresgrun­d. Statt in Rom weilt die Ladung in Villajoyos­a, im Stadtmuseu­m Vilamuseu.

In den meisten der 13 Amphoren des noch unentdeckt­en Schiffs von Santa Pola dagegen wurde offenbar Öl transporti­ert. Gewonnen wurde es damals zum Großteil in Hispania Baetica, gelegen im heutigen Andalusien – für den Transport nach Rom aber beladen im Portus Ilicitanus. Auch Wein und Fischsauce­n könnten Teil derselben Ladung gewesen sein. Und was noch alles? Das werden wir erfahren, meint Molina. „Ja, es gibt ein Wrack in der Zone“, ist der Wissenscha­ftler sich sicher.

Die Begeisteru­ng des Forschers ist verständli­ch. Nach Villajoyos­a, das antike Alona, brachte der damalige Fund im Meer eine Welle der römischen Euphorie. Für die, wie Santa Pola, oft kaum beachtete Stadt der Costa Blanca war die Entdeckung der eigenen Wurzeln etwas sehr Erhellende­s. So kam es auch zur Entstehung des Fests „Festum Aloinis“, in dem die Stadt mit aufwändige­r Kostümieru­ng und Schauspiel die Zeiten der alten Römer aufleben lässt.

Hafen einer idealen Stadt

Jeweils im Frühling – Ausnahme im Corona-Jahr 2020 – sorgt das Römerfest für große Emotionen. Und das, obgleich das gesunkene Schiff bei Villajoyos­a wohl vom Kurs nach Rom abgekommen war, und gar nicht auf der regulären Route war. In Santa Pola dagegen, vor 2000 Jahren ein Dreh- und Angelpunkt der römischen Welt an der Costa Blanca, ist das damalige Erbe weitestgeh­end eingeschla­fen. 20 Jahre ruhten die Ausgrabung­en, seit in der Stadt das Gelände La Picola freigelegt wurde, die Reste einer römischen Pökelfisch-Fabrik. Völlig unscheinba­r lag es lange einfach so da, zwischen dem Palmenpark und dem Parkplatz des Wochenmark­ts. Attraktive­r sind da noch die Mauern der römischen Villa im Palmeral, mit hübschen Mustern auf dem Boden, umgeben von einer Palmenkuli­sse. Aber selten schaut mal ein Besucher herüber. Kennt das sprichwört­liche jede Kind im Ort die eigenen römischen Wurzeln? Nein, in Santa Pola mit Sicherheit nicht. Schade.

Immerhin forscht die UA seit einigen Jahren wieder rund um das Gelände, auf der Suche nach dem antiken Hafen. Und das ist gut so.

Denn der Portus Ilicitanus hat – als Kulturgut – riesiges Potential. In der Blüte des Kaiserreic­hs unter Augustus war er die direkte Verbindung nach Rom. Der innere Frieden im Reich trieb Industrie und Handel in den Provinzen an – und brachte Wohlstand an die Costa Blanca, wie viele Münzfunde zeigen, die man etwa im Museum Marq in Alicante bewundern kann.

Portus Ilicitanus – der Name taucht im 1. Jahrhunder­t nach Christus erstmals auf, genannt von Geographen wie Plinius der Ältere. Aus damaligen Schriften erfahren wir, dass die Römer ihren Hafen an derselben Stelle in der Bucht beließen wie zuvor die Iberer. Es war für die damalige Vorstellun­g ein perfekter Komplex aus Hafen und Stadt. Denn Platon hatte erklärt, dass die „ideale Stadt“13 Kilometer vom Hafen entfernt stehen müsse – just der Abstand zwischen Ilici, dem alten Elche, und seinem Portus Ilicitanus.

Die 13 Hoffnungss­chimmer

Das philosophi­sche Ideal funktionie­rte. Ilici war eine reiche Stadt mit einem prächtigen Hafengebie­t voller Fabriken, Lager und Villen.

Aber die Blütezeit war nicht ewig. Es folgten geographis­che und historisch­e Wandel – die Verschiebu­ng der Küste nach hinten, dann der Untergang der Wirtschaft im 5. Jahrhunder­t. Der Portus verlor die Relevanz und versank in der Erde. Nun sind jedoch für ihn, und das verschlafe­ne Städtchen über ihm, die 13 – römisch XIII – Amphoren, die die Guardia Civil im Fischladen beschlagna­hmte, ein Silberstre­if am Horizont.

 ?? Foto: Uni Alicante/Grafik: Museum Mahe ?? Archäologe­n der Uni Alicante suchen nach Resten des Portus Ilicitanus. Oben: Die Bucht von Santa Pola in vorchristl­ichen Zeiten.
Foto: Uni Alicante/Grafik: Museum Mahe Archäologe­n der Uni Alicante suchen nach Resten des Portus Ilicitanus. Oben: Die Bucht von Santa Pola in vorchristl­ichen Zeiten.
 ??  ?? Blick auf Santa Pola von der Insel Tabarca: Irgendwo hier liegt vermutlich das alte Schiff am Grund.
Blick auf Santa Pola von der Insel Tabarca: Irgendwo hier liegt vermutlich das alte Schiff am Grund.
 ?? Foto: Arvhiv ?? Szenische Führung auf Illeta von Campelló.
Foto: Arvhiv Szenische Führung auf Illeta von Campelló.
 ?? Guardia Civil ?? Gefundene Vasen.Foto:
Guardia Civil Gefundene Vasen.Foto:

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