Römerschiff am Horizont
13 römische Amphoren werden in Santa Pola beschlagnahmt – Kündigen sie einen großen Fund am Meeresgrund an?
In der Nachricht über den Fund von 13 Amphoren – das spürten einige in Santa Pola sofort – steckte mehr, als nur der sorglose Umgang mit irgendwelchen antiken Scherben. Die Guardia Civil beschlagnahmte die Stücke in der Hafenstadt Ende Juli, in einem Geschäft mit gefrorenem Fisch. Dort wurden die römischen Gefäße aus dem 1. Jahrhundert nach Christus als Blumentöpfe gebraucht. Als hätte die Küstenstadt genügend solcher Gefäße, oder anders gesagt: Als wären wir noch im Jahr 0, und Santa Pola – alias Portus Ilicitanus, der damalige Hafen von Elche – tatsächlich noch voller römischer Einrichtungsgegenstände.
13, römisch XIII. Ja, die mystische Zahl könnte tatsächlich etwas Großes angekündigt haben. Denn nur kurz nach der Nachricht über die beschlagnahmten Vasen meldete sich ein bekannter Forscher zu
Wort: Althistoriker Jaime Molina von der Universität Alicante (UA). Das Amphoren-Set konnte für ihn nur eines bedeuten: Vor der Küste von Santa Pola liegt das Wrack eines 2000 Jahre alten römischen Schiffs auf dem Meeresgrund. Die Gefäße gehörten zur Ladung des Transporters, der wahrscheinlich nach Rom unterwegs war, aber sank.
Doch wie gelangten die Amphoren ins Tiefkühlfischgeschäft? Laut Molina waren die Gefäße von Fischern, die sich wohl nicht viel dabei dachten, geborgen worden. Vor allem an einem der antiken Gefäße seien deutlich Spuren davon zu sehen, dass es in einem Netz über den Grund geschleift wurde. Genauso sieht es Archäologe Daniel Mateo. Bestätigt sind diese Theorien allerdings noch nicht. Die Amphoren ruhen jetzt im Meeresmuseum – Museo del Mar – in der Burg von Santa Pola, wo derzeit ein Raum für ihre Ausstellung
vorbereitet wird. Erforschen wird sie Historiker Molina, der dafür bereits den Auftrag des Kultusministeriums des Landes Valencia erhalten hat. Jetzt müssen sich die Fischer, die damals die Netze auswarfen, daran erinnern, wo das war. Mit den Koordinaten könne die Bergung des Wracks recht mühelos erfolgen, glaubt der UA-Forscher, der in solchen Fällen bewandert ist.
Öl und Wein für Rom
Schließlich sitzt Molina im Expertenausschuss Patrimonio Virtual der Universität Alicante, das bereits das römische Wrack im Gebiet Bou Ferrer bei Villajoyosa erforschte. Vor 21 Jahren war es die Sensation an der Costa Blanca, als die Sporttaucher José Bou und Antoine Ferrer – daher der heutige Name – ein altes Schiff fanden.
Und was für eins: 30 Meter lang, für den Transport von 230 Tonnen Fracht bestimmt. Das bisher größte hierzulande geborgene
zigartig. Konstruiert wurde es im 1. Jahrhundert nach Christus, als Handel und Export an der Costa Blanca blühten. 300 Amphoren und ein Dutzend Bleiblöcke aus dem Gebirge Sierra Morena in Andalusien bargen die Archäologen vom Meeresgrund. Statt in Rom weilt die Ladung in Villajoyosa, im Stadtmuseum Vilamuseu.
In den meisten der 13 Amphoren des noch unentdeckten Schiffs von Santa Pola dagegen wurde offenbar Öl transportiert. Gewonnen wurde es damals zum Großteil in Hispania Baetica, gelegen im heutigen Andalusien – für den Transport nach Rom aber beladen im Portus Ilicitanus. Auch Wein und Fischsaucen könnten Teil derselben Ladung gewesen sein. Und was noch alles? Das werden wir erfahren, meint Molina. „Ja, es gibt ein Wrack in der Zone“, ist der Wissenschaftler sich sicher.
Die Begeisterung des Forschers ist verständlich. Nach Villajoyosa, das antike Alona, brachte der damalige Fund im Meer eine Welle der römischen Euphorie. Für die, wie Santa Pola, oft kaum beachtete Stadt der Costa Blanca war die Entdeckung der eigenen Wurzeln etwas sehr Erhellendes. So kam es auch zur Entstehung des Fests „Festum Aloinis“, in dem die Stadt mit aufwändiger Kostümierung und Schauspiel die Zeiten der alten Römer aufleben lässt.
Hafen einer idealen Stadt
Jeweils im Frühling – Ausnahme im Corona-Jahr 2020 – sorgt das Römerfest für große Emotionen. Und das, obgleich das gesunkene Schiff bei Villajoyosa wohl vom Kurs nach Rom abgekommen war, und gar nicht auf der regulären Route war. In Santa Pola dagegen, vor 2000 Jahren ein Dreh- und Angelpunkt der römischen Welt an der Costa Blanca, ist das damalige Erbe weitestgehend eingeschlafen. 20 Jahre ruhten die Ausgrabungen, seit in der Stadt das Gelände La Picola freigelegt wurde, die Reste einer römischen Pökelfisch-Fabrik. Völlig unscheinbar lag es lange einfach so da, zwischen dem Palmenpark und dem Parkplatz des Wochenmarkts. Attraktiver sind da noch die Mauern der römischen Villa im Palmeral, mit hübschen Mustern auf dem Boden, umgeben von einer Palmenkulisse. Aber selten schaut mal ein Besucher herüber. Kennt das sprichwörtliche jede Kind im Ort die eigenen römischen Wurzeln? Nein, in Santa Pola mit Sicherheit nicht. Schade.
Immerhin forscht die UA seit einigen Jahren wieder rund um das Gelände, auf der Suche nach dem antiken Hafen. Und das ist gut so.
Denn der Portus Ilicitanus hat – als Kulturgut – riesiges Potential. In der Blüte des Kaiserreichs unter Augustus war er die direkte Verbindung nach Rom. Der innere Frieden im Reich trieb Industrie und Handel in den Provinzen an – und brachte Wohlstand an die Costa Blanca, wie viele Münzfunde zeigen, die man etwa im Museum Marq in Alicante bewundern kann.
Portus Ilicitanus – der Name taucht im 1. Jahrhundert nach Christus erstmals auf, genannt von Geographen wie Plinius der Ältere. Aus damaligen Schriften erfahren wir, dass die Römer ihren Hafen an derselben Stelle in der Bucht beließen wie zuvor die Iberer. Es war für die damalige Vorstellung ein perfekter Komplex aus Hafen und Stadt. Denn Platon hatte erklärt, dass die „ideale Stadt“13 Kilometer vom Hafen entfernt stehen müsse – just der Abstand zwischen Ilici, dem alten Elche, und seinem Portus Ilicitanus.
Die 13 Hoffnungsschimmer
Das philosophische Ideal funktionierte. Ilici war eine reiche Stadt mit einem prächtigen Hafengebiet voller Fabriken, Lager und Villen.
Aber die Blütezeit war nicht ewig. Es folgten geographische und historische Wandel – die Verschiebung der Küste nach hinten, dann der Untergang der Wirtschaft im 5. Jahrhundert. Der Portus verlor die Relevanz und versank in der Erde. Nun sind jedoch für ihn, und das verschlafene Städtchen über ihm, die 13 – römisch XIII – Amphoren, die die Guardia Civil im Fischladen beschlagnahmte, ein Silberstreif am Horizont.