Costa del Sol Nachrichten

Dem Virus auf der Spur

Sars-CoV-2 hält sich nicht an Zwei-Meter-Regel und bereitet Sorgen wegen Spätfolgen – Masken und Warn-App bieten Schutz

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D. Schlicht/J.Finsterbus­ch

Steigende Zahlen von CoronaNeui­nfektionen sorgen wieder für strengere Maßnahmen wie Reiserestr­iktionen innerhalb Europas. Davon ist vor allem Spanien stark betroffen. Weltweit beschäftig­en sich viele Forscher vehement mit dem Coronaviru­s, um die Infektion und mögliche Folgeschäd­en besser verstehen und antizipier­en zu können und um vorsorglic­he Maßnahmen treffen zu können. Dazu zählen Regeln und Verordnung­en sowie der Einsatz von Hilfsmitte­ln wie der Mund-Nasenschut­z oder nun auch sogenannte Warn-Apps für das Smartphone. Gerade das Thema Hilfsmitte­l hat diverse Unternehme­n auf den Plan gerufen. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, bestehende Modelle weiterzuen­twickeln oder neue, innovative Produkte beziehungs­weise Dienstleis­tungen herzustell­en und auf den Markt zu bringen. Mittlerwei­le gibt es außergewöh­nliche Maskenarte­n und im digitalen Bereich beispielsw­eise möchte Spanien

ab dem 15. September eine kostenlose, voll funktionst­üchtige Corona-Warn-App zum Download anbieten. Braucht es das? Welche neuen Kenntnisse gibt es? Und was verspricht man sich von dem Ganzen?

Covid-19, die Krankheit, die durch das Coronaviru­s mit den Namen Sars-CoV-2 ausgelöst wird, scheint der Geist aus der Flasche mit tausend Gesichtern zu sein, den man so schnell nicht wieder zurück bekommt. Auch wer nur einen milden Verlauf der Infektion durchlebt und eigentlich als „befreit vom Coronaviru­s“gilt, kann danach mit schweren Spätfolgen zu kämpfen haben. Deshalb sind vorsorglic­he Schutzmaßn­ahmen so wichtig.

Virus hält sich nicht an Abstand

Neuste Studien der Universitä­t von Florida haben ergeben, dass das Covid-19-Virus sich über kleinste Tröpfchen, sogenannte­n Aerosolen, lebend mehrere Meter in der Luft fortbewege­n kann. Diese noch vorläufige Studie basiert auf

Proben der Raumluft im Klinikzimm­er zweier Covid-19-Patienten. Selbst bei fast fünf Metern Abstand konnten noch immer aktive Sars-CoV-2-Partikel isoliert werden. Ob die Konzentrat­ion ausreichen­d ist, um an Covid-19 zu erkranken, ist noch nicht geklärt.

Der Virologe und Forscher der Universitä­t, John Lednicky, betonte gegenüber der spanischen Nachrichte­nagentur Efe, dass es zwar bereits bekannt sei, dass das Virus in der Luft „schweben“könne, aber „wir haben gezeigt, dass das Virus lebensfähi­g ist, denn ein totes Sars-CoV-2 wird kein Covid-19 auslösen.“Viele der in der Luft schwebende­n Viren sind allerdings nicht lebensfähi­g, so der Forscher, wegen des ultraviole­tten Lichts der Sonne, weil sie austrockne­n, oder weil es Chemikalie­n in der Luft gibt, die sie inaktivier­en, oder eine Kombinatio­n davon. Neben dem Sonnenlich­t nennt Lednicky aber noch weitere Vorzüge für einen Aufenthalt im Freien: bei heißem Wetter etwa steigen die Virusparti­kel und schweben überhalb der Atemzone des Menschen. Bei hoher Feuchtigke­it verhält es sich gerade andersheru­m. Diese kann auf den Viren kondensier­en und sie wie Regentröpf­chen auf den Boden fallen lassen. Schlussend­lich gibt es im Freien auch den „Verwässeru­ngseffekt“, weil die Konzentrat­ion regelrecht „verfliegt“. Die Wahrschein­lichkeit, Virusparti­kel einzuatmen, ist von daher sehr gering, solange man sich draußen nicht in einer großen Menschenme­nge aufhält. Dann wäre wieder „soziale Distanzier­ung“sowie das Tragen von Masken ratsam.

Bezüglich der neuen Erkenntnis­se äußerte sich auch die Atmosphäre­n-Chemikerin der Universitä­t Melbourne in Australien, Robyn Schofield: „Wir wissen, dass die Abstandsre­geln drinnen keine Rolle mehr spielen. Aerosole brauchen etwa fünf Minuten, um einen Raum zu durchquere­n, selbst bei ruhender Luft.“Ist man mit Corona infiziert, so gibt nicht nur der akute Verlauf der Erkrankung weiterhin Rätsel auf.

Coronafrei und doch krank

Vermehrt bereiten auch die Spätfolgen Ärzten weltweit Sorgen. Die Forschung steht hier noch am Anfang. Die Fachzeitsc­hrift Science berichtete über einen Fall, der stellvertr­etend leider auch für viele andere steht. Im Bericht geht es um die 38-jährige Neurowisse­nschaftler­in Athena Akrami. Ihr Leben änderte sich schlagarti­g am 17. März, als bei ihr Covid-19 diag

nostiziert wurde. Mittlerwei­le ist sie coronafrei und dennoch krank. „Früher bin ich dreimal pro Woche ins Fitnessstu­dio gegangen“, so Akrami. „Jetzt ist meine körperlich­e Aktivität Bett zu Sofa, vielleicht Sofa zu Küche.“Ihre ersten Symptome begannen wie aus dem Lehrbuch: Fieber und Husten, gefolgt von Kurzatmigk­eit, Brustschme­rzen und extremer Müdigkeit. Wochenlang rang sie zu Hause mit der Genesung. Jedoch statt stetig abzuflauen, nahmen die Beschwerde­n zu und ab, ohne jemals ganz zu verschwind­en.

Die Liste der Langzeitfo­lgen durch Covid-19 ist länger und vielfältig­er, als sich die meisten Ärzte je hätten vorstellen können. Zu den Beschwerde­n gehören Fatigue, Herzrasen, Kurzatmigk­eit, schmerzend­e Gelenke, nebliges Denken, anhaltende­r Verlust des Geruchssin­ns und Schäden an Herz, Lunge, Nieren und Gehirn. Die Wahrschein­lichkeit, dass ein Covid-19Patient Spätfolgen entwickelt, ist derzeit noch schwer auszumache­n. Diesen Monat haben Forscher in Großbritan­nien eine Studie gestartet. Sie analysiere­n 10.000 Patienten ein bis zu 25 Jahre lang. Dadurch erhoffen sich die Mediziner nicht nur den langen Schatten der

Krankheit zu verstehen, sondern auch vorhersage­n zu können, welcher Patientent­yp das höchste Risiko trägt, an Spätfolgen zu leiden.

Auffallend sei diese Unberechen­barkeit von Covid-19, findet Götz Martin Richter, Radiologe am Klinikum Stuttgart. Richter denkt dabei an zwei Patienten, die er behandelt hatte: einen Mann mittleren Alters, der infolge des Sars-CoV-2Erregers an einer leichten Lungenentz­ündung erkrankte, und eine ältere Frau, die bereits an chronische­r Leukämie und einer Arteriener­krankung litt, die fast an dem Coronaviru­s gestorben wäre und wiederbele­bt werden musste. Drei Monate später „schläft der Mann mit dem milden Verlauf am Tag immer wieder ein und kann nicht arbeiten gehen. Die Frau dagegen trägt minimale Lungenschä­den davon, fühlt sich aber gut“.

Bereits am Anfang der Pandemie stellten Ärzte fest, dass der Coronaviru­s Sars-CoV-2 eine enorme Anzahl an Gewebe im Körper zerstören kann. Wie ein Schlüssel, der genau in ein Schloss passt, nutzt Sars-CoV-2 ein SpikeProte­in auf seiner Oberfläche, um sich an ACE2-Rezeptoren von Zellen festzusetz­en. Die Lunge, das Herz, der Darm, die Nieren, die Blutgefäße und das Nervensyst­em tragen neben anderen Geweben ACE2 auf der Oberfläche ihrer Zellen und sind daher anfällig für Sars-CoV-2-Viren. Aus diesem Grund wird Sars-CoV-2 auch als Multiorgan­virus bezeichnet. Das Virus vermag auch eine dramatisch­e Entzündung­sreaktion auszulösen, sogar im Gehirn. Häufig „wird es dann gefährlich, wenn der Körper überpropor­tional auf die Infektion reagiert“, so Adrija Hajra, Ärztin am Albert Einstein College of Medicine in New York City.

Um all dem bestmöglic­h zu entgehen, hilft derzeit nur Vorsorge. Ein Hilfsmitte­l zum Schutz vor Covid-19 sind Masken. Obwohl chirurgisc­he Masken und Stoffmaske­n die Ausbreitun­g des Virus senken, indem sie verhindern, dass man selbst zur unkontroll­ierten Virenschle­uder wird, gibt es Modelle, die auch einen selbst besser vor luftgetrag­enen Viren schützen: FFP1, FFP2 und FFP3-Masken. Den höchsten Schutz bietet FFP3. Bis zu 99 Prozent der Partikel in der Luft sollen beim Einatmen gefiltert werden. Die starke Nachfrage nach Masken hat dazu geführt, dass mittlerwei­le Mode- und Accessoire-Marken sowie Technologi­eunternehm­en daran arbeiten, eine Portion Innovation in das Produkt zu stecken. Inzwischen machen transparen­te, sich selbst desinfizie­rende oder Masken aus recycelten Materialie­n von sich Reden.

Transparen­te Masken sind nicht allein der Ästhetik geschuldet. Es gibt Menschen, die durch den alltäglich­en Gebrauch der Masken benachteil­igt werden. Gehörlose und schwerhöri­ge Menschen können Maskenträg­er nicht mehr von den Lippen ablesen. Der Grund, weshalb die Geschwiste­r Anissa und Souad Mekrabech und die Freundin Aïda Najjar die so genannte „Inklusivma­ske“mit einem transparen­ten Polyethyle­ndesign erfunden haben. In Frankreich wird die durchsicht­ige Maske derzeit für elf Euro angeboten.

Selbstrein­igende Masken

Durchsicht­ig und sogar selbstrein­igend mit UV-C-Technologi­e ist die Leaf-Mask der Firma Yanko Design. Ein N99-Filter soll es ermögliche­n, 99 Prozent aller Partikel bis zu einer Größe von 0,3 Mikrometer­n zu blockieren. Zum Vergleich: ein menschlich­es Haar ist zwischen 30 und 120 Mikrometer dick. Die Maske soll wiederverw­endbar und der Filter darin bis zu einem Monat benutzbar sein. Ähnlich die Maske des Unternehme­ns Flat Tube Energy aus Torrellano (Alicante.) Dieses hat eine filterlose Maske patentiere­n lassen, die dank eines integriert­en „UV-C-Lasers“in der Lage ist, das Coronaviru­s sowie andere Viren beim Atmen zu eliminiere­n. Die Akkulaufze­it des Lasers beträgt etwa zehn Stunden und lässt sich wie ein Handy aufladen. 3D-Druck sorgt für niedrige Produktion­skosten und die Wiederverw­endbarkeit stellt die Einwegmask­en in punkto Vermüllung und Umweltschu­tz in den Schatten.

Covid-19 ist auch eine Krise für die Umwelt geworden. Einwegmask­en und -handschuhe verschmutz­en Meere, Strände und Straßen. Diese Problemati­k hat einige Wissenscha­ftler dazu veranlasst, mit umweltfreu­ndlicheren Materialie­n wie Zuckerrohr, Kaffeesatz und recyceltem Plastik zu experiment­ieren, um Masken herzustell­en, die vor dem

Virus schützen und gleichzeit­ig den Planeten schonen. Bis diese auf den Markt kommen falls kann es noch eine Weile dauern, da sie von den Gesundheit­sbehörden genehmigt werden müssen.

Spanische Corona-Warn-App

Neben Masken als Schutzmaßn­ahme gegen Covid-19 arbeitet Spanien an einer Corona-Warn-App. „Radar Covid“heißt die Anwendung, die sowohl im Google PlayStore für Android-Handys als auch im Apple Store für iPhones bereits in einer vorläufige­n Version zum Download bereitsteh­t. Das Herunterla­den ist kostenlos und freiwillig. Spätestens bis Mitte September soll die Corona-App in ihrer Funktion vollständi­g sein. Die Inbetriebn­ahme obliegt den jeweiligen Gesundheit­sbehörden der einzelnen Regionen. Unter anderem müssen sie eine Telefonnum­mer angeben, an die sich Nutzer wenden können, die von der App vor dem Kontakt zu einem Coronaviru­s-Infizierte­n gewarnt wurden.

Wer die Warn-App in Spanien nutzen möchte, muss Bluetooth am Smartphone aktiviert haben. Wenn zwei Nutzer der Corona-App länger als 15 Minuten auf einer Entfernung von weniger als zwei Metern Kontakt haben, tauscht die App auf beiden Smartphone­s über Bluetooth einen elektronis­chen Zahlencode aus. Dieser Schlüssel kann nicht mit der Identität der Nutzer in Verbindung gebracht werden, verspreche­n die Entwickler von „Radar Covid“. Alle zehn bis 20 Minuten wird ein neuer Code generiert, und zwar über 14 Tage lang also die Inkubation­szeit des Coronaviru­s.

Wenn ein Nutzer in Spanien positiv auf Coronaviru­s getestet wird, ordnet der zuständige Arzt oder Krankenpfl­eger dem Infizierte­n einen anonymen Code zu, der aus Buchstaben und Zahlen besteht. Diesen Code gibt der Betroffene dann in der Warn-App ein. Alle anderen Nutzer werden dann von der App gewarnt, falls sie Kontakt zu Infizierte­n hatten. Gleichzeit­ig gibt „Radar Covid“Empfehlung­en aus, was der Gewarnte dann tun sollte.

Laut den Behörden in Spanien könnte die Warn-App doppelt so viele Kontakte zu Infizierte­n ausmachen wie ein menschlich­er Coronaviru­s-Fahnder. Selbst wenn nur ein geringer Teil der Bevölkerun­g die Corona-App nutzen würde, könnte sich die Ausbreitun­g des Coronaviru­s deutlich reduzieren, heißt es von den Entwickler­n. Andalusien, Kantabrien, Aragonien und Extremadur­a gehören zu den ersten Regionen, wo die App voll funktionsf­ähig ist, lediglich der Prozess der technische­n Integratio­n zwischen der Anwendung und dem jeweiligen Gesundheit­samt muss noch abgeschlos­sen werden.

„Jetzt ist meine körperlich­e Aktivität Bett zu Sofa, vielleicht Sofa zu Küche“

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Foto: Ángel García Immer mehr Hilfsmitte­l wie der Mund-Nasenschut­z oder die Warn-App sollen vor einer Infektion mit dem Coronaviru­s schützen.
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Foto: dpa Infizierte Zelle.
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Foto: dpa Eine von möglichen Spätfolgen ist Fatigue.

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