Fischlein in Not
Das Seepferdchen ist das Sinnbild des Mar Menor: Doch es gibt kaum noch welche in der verschmutzten Lagune
Das Seepferdchen ist das Sinnbild des Mar Menor in Murcia. Doch der Mensch hat seinen Lebensraum vernichtet. Ohne Hilfe kann der kleine sympathische Fisch nicht überleben, sagen Umweltschützer.
Als José Antonio Oliver vor mehr als 25 Jahren die Sommer mit der Familie am Mar Menor verbrachte, mit Brille und Schnorchel abtauchte, war er da, sein kleiner Begleiter. „Es streifte mein Bein oder wickelte seinen Schwanz um meinen Zeh,“erzählt er. „Mich verbindet mit dem Seepferdchen eine Sommerfreundschaft.“Damals gab es noch reichlich Exemplare im Mar Menor in der Region Murcia. Der kleine Fisch, dessen Kopf dem eines Pferdes und dessen Hinterleib dem eines Wurms gleicht, ist auch heute noch das Emblem des Mar Menor, eines der größten Binnenmeere Europas. Nur, dass es heute kaum noch welche in der Lagune gibt.
Es braucht schon sehr viel Glück, um überhaupt noch einem Seepferdchen zu begegnen. Der Bestand hat in den vergangenen Jahren dramatisch abgenommen. Das war ein Grund für José Antonio Oliver, sich der Vereinigung Hippocampus, so der wissenschaftliche Name für das Seepferdchen, anzuschließen, die sich seit 13 Jahren für den Erhalt des kleinen Fisches einsetzt.
Taucher zählen Seepferdchen
Ziel von Hippocampus ist es, so viele Daten zu sammeln wie möglich und zu erreichen, dass das Seepferdchen in den Spanischen Katalog für vom Aussterben bedrohte Arten aufgenommen wird. „Dann wäre die Erhaltung und der Schutz des Bestandes verpflichtend“, erklärt José Antonio Oliver. Zwar stehe das Seepferdchen im Roten Buch für Wirbeltiere der Region Murcia. „Aber das bedeutet nur, dass man es nicht töten, nicht stören und nicht aus seinem Lebensraum vertreiben soll.“Die Voraussetzung für einen Eintrag in den Spanischen Katalog ist der Nachweis, dass der Bestand der Tierart in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent abgenommen hat. „Wir sind sicher, dass das auf das Seepferdchen zutrifft. Aber noch können wir keine genauen Zahlen vorlegen.“
Hippocampus startet regelmäßig Kampagnen, um die Fische zu zählen. Dann steigen jeweils zwei in die Tiefen des Mar Menor ab, auf der Suche nach Seepferdchen. Keine einfache Angelegenheit, denn sie verstecken sich am Meeresboden und sind nicht sofort zu erkennen. Werden die Taucher fündig, messen sie die Tiere, bestimmen das Geschlecht und zählen, wie viele Exemplare sie in einer bestimmten abgesteckten Zone gefunden haben. Die Daten aller Tauchgänge werden zusammengetragen und daraus eine Schätzung vorgenommen.
Die Ergebnisse der letzten Tauchgänge und Sichtungen im Juni waren entmutigend. Nur ein einziger Eintrag kann sich sehen lassen: Ein erwachsenes, elf Zentimeter langes Männchen, das an der Playa Cavanna auf La Manga entdeckt wurde. Die HippocampusAktivisten hatten zwar noch ein junges, gerade einmal eine Woche altes Exemplar gefunden und fotografiert. Doch bevor sie es in ihre Liste eintragen konnte, wurde es von einer fischfressenden Seeanemone vertilgt – nur eine von vielen Gefahren für das Seepferdchen, aber dazu später.
Wie viele Exemplare in der Lagune noch leben, ist schwer zu sagen. Der Seepferdchen-Vereinigung fehlt das Geld, um öfter Bestandsaufnahmen durchzuführen. Die Biologin und Präsidentin der Organisation, Cristina Mena, schätzt, dass es sich nur noch um wenige hundert Tiere handelt, so wenig wie nie zuvor. Die Fischer der Genossenschaft von San Pedro del Pinatar am Mar Menor, die Hippocampus seit einigen Jahren bei der Zählung unterstützten, teilen die Auffassung. Seit Monaten haben sie kein einziges Seepferdchen mehr in ihren Netzen gefunden. „Seepferdchen haben eine Vorliebe dafür, sich an die Maschen zu heften“, hat José Antonio Oliver beobachtet.
Auch haben die Fischer keine Jungtiere an der Wasseroberfläche beobachtet. Normalerweise müssten zu dieser Zeit viele ein bis zwei Zentimeter kleine Exemplare dicht unter der Oberfläche zu sehen sein. Nachdem die Seepferdchen Anfang des Sommers in den Neptungräsern am Meeresgrund geboren wurden, steigen sie auf, lassen sich dort eineinhalb bis zwei Monate treiben und ernähren sich von Plankton. Wenn sie zwei bis zweieinhalb Zentimeter erreicht haben, machen sie sich Ende des Sommers wieder auf den Weg zum Meeresgrund, wo sie die meiste Zeit ihr Leben verbringen werden.
Nur noch wenige Exemplare
Die letzte genaue Zählung wurde im Jahr 2012 durchgeführt und ergab rund 190.000 Exemplare. Das hört sich erstmal nach viel an, ist aber wenig verglichen mit den 1970er und 80er Jahren mit mehreren Millionen Fischchen, wie Wissenschaftler schätzen. 2009 war es fast von der Bildfläche verschwunden. Daran ist vor allem der Mensch schuld. Durch den Bau von Sporthäfen, die Regenerierung der Strände, das Ausbaggern der Buchten wird der Lebensraum der Seepferdchen beeinträchtig. Sand wird aufgewirbelt, bildet Suspensionen, die das Wasser trüben und sich als Schlamm über die Pflanzen legen.
Ein Katastrophenjahr – nicht nur für das Seepferdchen – war 2016, als das Mar Menor umkippte, sich in eine grün-braune Suppe verwandelte und in die nationalen Schlagzeilen geriet. Nitrate, die von den benachbarten intensiv gedüngten landwirtschaftlichen Anbauflächen in die Lagune flossen, lösten eine explosionsartige Vermehrung der Algen an der Wasseroberfläche aus. Die PlanktonSchicht wirkte wie ein Schatten, der kein Licht mehr durchließ, sodass die Vegetation am MeeresTaucher