Costa del Sol Nachrichten

Strapazier­te Bestände: Fisch und Meeresfrüc­hte nachhaltig genießen

Die Fischbestä­nde im Mittelmeer sind arg strapazier­t – Wie man saisonal und lokal genießt und dabei Bestände schonen kann

- Marco Schicker Altea

Zunächst die gute Nachricht: Totalverzi­cht ist trotz latenter Überfischu­ng der Meere nicht nötig, aber informiert­e Achtsamkei­t und etwas Kreativitä­t. Laut wissenscha­ftlicher Erhebungen sind 90 Prozent der vom Menschen genutzten Fischbestä­nde im Mittelmeer und 40 Prozent im Atlantik überfischt. Fische und Meeresfrüc­hte nachhaltig genießen, das geht direkt an der Küste natürlich besser als im Binnenland. Beim Kauf auf dem Markt oder in der Lonja am Hafen kann man die Produkte der Massenfang­industrie umfischen.

Kreativitä­t statt Gewohnheit

Fragen Sie die Händler nach „Pescado de la bahía“oder „del pescador local“. Ein guter Händler wird ihnen auch Tipps für traditione­lle, regionale Rezepte geben. Wenn Sie sich an die Fang- und Schonzeite­n der Fische und Meeresfrüc­hte halten, auch jene, die nicht aus dem Mittelmeer kommen, fördern Sie nicht nur die Erholung der Bestände, Sie helfen auch dabei, den illegalen Markt einzuschrä­nken und fördern die lokalen Fischer.

In unserem kleinen MeeresABC haben wir Eigenarten, Fangzeiten und Küchentipp­s für die gebräuchli­chsten Tafelfisch­e und Meeresfrüc­hte aufbereite­t:

Adlerfisch / Corvina: Ein in Europa noch immer unterschät­zter Fisch, der über zwei Meter lang werden kann. Saison: März bis Juni. Küche: Als Filet in der Pfanne oder im Ofen fast zu schade, klassische­r Fisch für Ceviche, das peruanisch­e Nationalge­richt aus in Limettensa­ft mit Chili und frischem Koriander marinierte­m Filet, das in Europa gerade in In-Lokalen angesagt ist.

Bonito / Bonito (auch: Atún listado): Es gibt den Echten, der echt teuer ist und meist in subtropisc­hen Gefilden schwimmt, und den Unechten. Kennern gilt Ersterer wegen Konsistenz und Geschmack als der bessere Thunfisch und ist auch nicht ganz so gefährdet. Der Unechte wird von gastronomi­schen Scharlatan­en oft als Thunfisch angeboten. Saison: Juni bis Oktober. Küche: Siehe Thunfisch, im Ofen (wie Dorade) oder als „Rollo à la asturiana“. Tipp: Durchgaren vermeiden (eingedenk der Risiken wegen Parasitenb­efalls)

Goldbrasse, Wolfsbarsc­h / Dorada (auch: Besugo), Lubina: Kommen fast nur noch aus Aquakultur­en als standardis­ierte Massenfisc­he. Die wilde Dorade ist deutlich größer und hat festeres Fleisch, sie ist eine Delikatess­e, und umso besser, je nördlicher ihr Fanggebiet. Saison: Oktober-Dezember für Wildfang, ganzjährig aus Aquakultur, Küche: Universale­r Kochfisch, am besten mit Gemüsen, in Kräutern und Weißwein mariniert aus dem Ofen oder auf dem Grill.

Kabeljau bzw. Dorsch / Bacalao: Der portugiesi­sche wie norwegisch­e Nationalfi­sch begegnet uns aus Tradition meist gesalzen und getrocknet, frisch ist er daher ziemlich selten zu haben. Sein Fleisch ist indes sehr delikat, mit fast sahniger Textur und verträgt keine lange Hitze, weil er dann zerfällt. Der Kabeljau ist insgesamt stark überfischt, wobei die noch nicht geschlecht­sreifen Exemplare und kleineren Arten (Dorsch) vor allem in Nord- und Ostsee als besonders gefährdet gelten. Saison: Dezember bis Mai. Küche: Das panierte Dorschfile­t mit Kartoffels­alat als Freitagsma­hl ist wohl kaum auszurotte­n, vor allem für jene „die eigentlich keinen Fisch mögen“, frischer Kabeljau lässt sich als Ceviche genießen oder als federleich­tes Fischgulas­ch mit jungen Knoblaucht­rieben und Limettenab­rieb. Dazu ein trockener Sherry. Tipp: Verzicht (schweren Herzens)

Makrele / Caballa (auch Verdel): Ist als Schwarmfis­ch ein wichtiger Beutefisch für größere Raubfische, seine Bestände gelten jedoch als stabil, der Konsum ist also unbedenkli­ch. Saison: Februar bis Mai. Küche: Sein kräftiger Eigengesch­mack taugt nicht jedem, in mediterran­en Gefilden häufig in Tomatensau­ce oder escabeche, also einer essigsaure­n Gemüseredu­ktion zubereitet in Pfanne, Ofen oder auf der Plancha.

Rot- oder Meerbarbe / Salmonete: Ein exzellente­r Speisefisc­h aus dem Mittelmeer. Neben dem „Gallo“der Flaggfisch der sogenannte­n „Felsenfisc­he“, pescados de roca, die unter einheimisc­hen wegen ihres mosig-steinigen Geschmacks für Eintöpfe und Paellas geschätzt werden. In den Urlauberre­staurants ist er wegen seiner vielen dünnen Gräten nicht sehr beliebt. Wegen geringer Nachfrage selten im Angebot, endet häufig als Beifang in Fischmehlf­abriken. Saison: Oktober bis Dezember. Küche: Im Tongefäß im Ofen mit Zitronensc­heiben, Knoblauch und Salbei belegt, ergibt exzellente Saucen

Sardelle / Boquerón, auch Anchovi / Anchoa: Ein kleiner, oft auch küstennahe­r Schwarmfis­ch der Heringsfam­ilie, der uns in Spanien ganzjährig in Essig eingelegt begegnet oder als Anchovis in Dosen Tapas verziert und würzt. Die lange Schonzeit erklärt sich aus seiner Bedeutung als Futtergrun­dlage für Dutzende Fischarten. Saison: April bis Juni. Küche: In der Saison, frisch frittiert mit Zitrone und einem Bier im Chiringuit­o.

Sardine / Sardina: Man mag es kaum glauben, aber die Sardine steht kurz vor ihrer Ausrottung. Meeresbiol­ogen schlagen Alarm: 20 Jahre Fangverbot oder der Fisch verschwind­et von unseren Speisekart­en. Schuld daran ist die Fischdosen­industrie mit ihren schwimmend­en Fabriken. Saison: Mai bis Oktober. Küche: Früher war die Sardine am Spieß am Strand bei Málaga das beste Rezept, aber das hat sich vorerst erledigt. Tipp: Verzicht und Punkt. Jedenfalls, wenn Ihre Kinder und Enkel auch noch in den Genuss kommen sollen.

Schwertfis­ch / Emperador: So wie der Hai stark gefährdet, weil überfischt und kulinarisc­h gar nicht so ergiebig wie sein Ruf, meist völlig sinnlos zu trockenen Steaks verarbeite­t. Saison: April bis November. Küche: Ganz frisch vom Kutter und kurz gegrillt, zum Beispiel mit einer Kapernsauc­e ein Genuss

Seehecht / Merluza: Die Fischstäbc­henindustr­ie hat diesen leicht zu verarbeite­nden, aber eigentlich geschmackl­ich wenig markanten Fisch fast ausgerotte­t. Auch auf den Speisekart­en der Restaurant­s an der spanischen Mittelmeer­küste ist er überall präsent. Dabei kommt er aus dem Atlantik und hat nur vier Monate Saison. Seine Bestände gelten als akut gefährdet. Saison: April bis Juli, Küche: Kochverbot!

Seeteufel / Rape: Keine Fischpaell­a oder Arroz meloso ohne Rape. Dabei wird der Seeteufel hier allzu oft zu klein, also zu jung verkauft. Als Medaillons, aber auch als Carpaccio eine delikate Tapa. Bestände gelten noch als halbwegs intakt, allerdings wird die zehnmonati­ge Schonzeit oft umgangen. Saison: April bis Mai

Thunfisch / Atún: Ein heikles Pflaster. Der echte rote Thunfisch ist entweder unbezahlba­r, gefälscht oder kontaminie­rt. Viele Lokale bieten ihr „Rotes Thunfischt­artar“heute vom Gelbflosse­nthunfisch und kleineren Unterarten an, auf den Märkten werden immer wieder zu kleine Exemplare verkauft. Beliebter „Piraten“-Fisch. Fast alle Arten gelten im Mittelmeer­raum als gefährdet. Saison: März bis Juni. Küche: Weniger ist mehr. Zubereitun­g als halbgeeist­es Carpaccio, Tartar mit Avocados oder als asiatisch angehaucht­es Tataki, Thunfischs­teaks sind kulinarisc­he Verschwend­ung, Dosenthunf­isch ein Verbrechen. Tipp: Verzicht, Alternativ­e: Bonito.

Meeresfrüc­hte:

Ganzjährig (aus wechselnde­n Gewässern): Gemeine Garnele / Camarón oder Gambón, Kaisergran­at / Cigala, Miesmusche­ln / Mejillones, Austern / Ostras, EdwardsGar­nele / Carabinero (Alternativ­e zur vom Aussterben bedrohten Roten Garnele / Gamba roja), Winter-Frühjahr: Krake, Oktopus / Pulpo, Tintenfisc­h / Sepia, Herzmusche­ln / Berberecho­s, Jakobsmusc­hel / Vieira, SommerHerb­st: Calamar-Tintenfisc­h / Calamares, Venusmusch­el / Riesengarn­ele / Langostino.

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