Alles im Kreislauf
2020 ist Jahr von grüner Wende in Europa und Spanien – Recycling-Unternehmen Acteco am Puls der Zeit
Auch wenn es wegen Corona untergeht, ist 2020 ein Jahr der grünen Wende. Im März stellte die EU mit einem Aktionsplan die Weichen in Richtung Kreislaufwirtschaft. Produkte, die einmal gebraucht und weggeworfen werden, sollen verschwinden. Auf Unternehmen kommen große Herausforderungen zu: Welche, erklärt Recyclingfirma Acteco.
Ein wegweisendes Jahr ist 2020 nicht nur wegen des Coronavirus. Auch steht es in Europa für eine große grüne Wende, die in der sanitären Krise etwas untergeht. Im März, kurz vor Spaniens Alarmzustand, stellte die EU den neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft vor (siehe Kasten). Im Juni verabschiedete die spanische Ministerkonferenz darauf eine neue Umweltstrategie inklusive Gesetzesentwurf zu Abfällen und kontaminierten Böden, womit der wachsende Berg aus Plastik und anderen Abfällen deutlich reduziert werden soll.
Am 7. Oktober widmete sich der Gipfel Forbes Summit Sustainability in Madrid der Nachhaltigkeit, wobei Big Players wie Telefónica oder Bankia überlegten, wie Naturschutz im Wirtschaftssystem funktionieren kann. Ist nachhaltiger Umgang mit Ressourcen nur eine Herausforderung, oder gar eine Chance, um zu Wachstum und Wohlstand in Post-Corona-Zeiten zu führen?, so die große Frage, die ohne klare Beantwortung blieb. Einig waren sich die Teilnehmer aber darin, dass grüne Ökonomie nicht mit Zahlen von heute beurteilt werden könne, sondern vielmehr eine Investition für die Zukunft sei.
Tatsächlich? Weiter denkt man schon in Ibi, im Hinterland der Costa Blanca. Eine mächtige Anlage betreibt hier im Industriegebiet das Recyclingunternehmen Acteco. Die Firma, die heute für Größen der Bekleidungs- oder Lebensmittelbranche arbeitet, entstand aus einem Öko-Projekt in Alcoy. Dort kam vor 25 Jahren die Kleiderbügelfabrik Erum auf die Idee, ihre Produkte nach Gebrauch in Material für die erneute Herstellung umzuwandeln. „Act eco“– Handle ökologisch – so der kecke Name.
Acteco wurde zum vollen Erfolg von Erum, der einstigen Familienfabrik von 200 Quadratmetern, die heute weltweit die Nummer zwei ihrer Branche ist. Jeden zweiten Bügel Spaniens stellt Erum her. Geschickt werden sie nach Gebrauch in Shops in ganz Spanien zu Acteco, um daraus wieder neue Exemplare zu fertigen: Eine Kreislaufwirtschaft wie sie leibt und lebt, die Erum und Acteco sogar beachtliches Wachstum verlieh – ganz gemäß der großen EU-Umweltpläne. Längst sind recycelte Kleiderbügel nur ein Teil der vielen Funktionen von Acteco, wie uns vor Ort Marketingdirektorin Alma Gomis verrät.
Berater der Zukunft
„Die Abfallwirtschaft ist eine unserer Hauptaktivitäten, auch die Wiederverwendung und das Recycling verschiedener Arten von Plastik.“Aber immer bedeutender werde für Acteco der Bereich Umweltconsulting für
Firmen,
„gerade im Hinblick auf den EU-Aktionsplan, auf den viele heutige Unternehmen einfach nicht vorbereitet sind“.
Einen großen Wandel kündigt die Expertin an: „Damit, dass Firmen Dinge herstellen, ohne sich darum zu kümmern, wohin diese am Ende gelangen, wird es vorbei
sein“, so Gomis. Normen würden Hersteller ab 2021 dazu verpflichten, detailliert nicht nur die Bestandteile jedes Produkts darzulegen, sondern auch einen Plan zu erarbeiten, wie die gebrauchten Stoffe in der Kreislaufwirtschaft weiter bestehen sollen.
Bei Verstößen müssten Unternehmen mit harten Strafen rechnen. Damit das nicht passiert, steht Acteco als Berater zur Stelle. Dabei wirbt die Firma von der Costa Blanca nicht zuletzt mit der eigenen langen Recycling-Tätigkeit, sondern auch mit der Liste von Zertifikaten wie Iso 9001, Iso 14001, Sony Green Partner, Entidad I+D vom Industrieministerium oder dem europäischen Eucertplast.
Ein beeindruckender Komplex ist Acteco mittlerweile, hier in Ibi, der Stadt der Spielzeuge. Kolossale Legosteine fahren die Laster da herbei. Bei genauem Hinschauen stellen sich die Pakete als zusammengeknüllte Reste vieler Arten heraus: Autoteile, Folien, Joghurtbecher und ... Kleiderbügel natürlich. Solche Lieferungen erhält Acteco nicht nur in Ibi, sondern auch in Transferstationen in Valencia, Zaragoza oder A Coruña in Galicien. Actecos Logistikzentren ste
hen auch in Madrid oder Barcelona. An einer Menge nationaler und internationaler Projekte ist die Firma beteiligt, demonstriert Gomis uns an der Tafel am Eingang.
Erst im September signierte Acteco einen neuen Pakt mit Erdölkonzern Repsol: Gefördert wird die Produktion recycelter, hochqualitativer Polyolefine. Das ist bedeutend, da sie knapp die Hälfte des EU-Kunststoffverbrauchs ausmachen. Ganz Spanien kennt dagegen das Projekt „Tapones para una nueva vida“Verschlüsse für neues Leben das Acteco 2011 mit der Stiftung Seur startete: Bürger spenden Plastikdeckel von gebrauchten Behältern. Die Firma recycelt diese und spendet Erlöse für die Behandlung kranker Kinder. 2017 hatte die Wiederverwendung von 4.500 Tonnen es zu einer Million Euro für den guten Zweck gebracht, und die Aktion läuft weiter.
Plastik gleich Plastik? Nix da
„Der Vorteil ist, dass die Verschlüsse aus dem gleichen Stoff gefertigt sind“, sagt Gomis, als wir an einem Berg aus bunten tapones vorbeilaufen. Viele sehr viele Verbrauchsgegenstände haben den Vorteil aber nicht, erfahren wir dank anderen Besuchern der Anlage. Die Universität Alicante ist zugleich mit Costa Nachrichten da und plant für ein Innovationsprojekt Bürogegenstände recyceln zu lassen: Ordner, Hüllen, Locher. (Für Stifte hat die Uni bereits eine grüne Recycling-Option.)
Doch welche Arten Plastik will die Uni wiederverwerten lassen: PP, PS, ABS, HDPE? Oder eine ganz andere? Darauf wissen die Dozenten keine Antwort. Logisch: Von Student bis Professor deckt sich jeder woanders mit Utensilien ein. Die wenigsten Marken können dokumentieren, woraus genau ihre Produkte bestehen. Und die Rede ist nur vom Kunststoff. Was ist aber etwa mit den Metallteilen?
Wenn die Uni Acteco beauftragen will, wird sie sich auf ein gut definiertes Produkt festlegen müssen, statt auf Büroartikel allgemein. So streng sind die Vorschriften. Ja, auch ein Meister im Kreislaufwirtschaften wie Acteco hat Grenzen. „So eine Anfrage ist nach aktuellem Stand nicht zu bewältigen“, erklärt Recycling-Expertin Gomis. „Deswegen arbeitet Acteco auch nur für Firmen, die ihre Anfragen bis ins Detail dokumentieren können, und nicht im Auftrag von Privatleuten.“Für Privatleute ist Plastik halt Plastik wie es eben auf der gelben Tonne auf der Straße steht.
Gern möchte sich der Verbraucher als Umweltschützer fühlen, indem er alles, was ihm nach Kunststoff aussieht ins schwarze Loch des gelben Behälters stopft. Aber dahinter – das lässt auch der Aufwand von Acteco, jede Art Plastik sachgerecht zu verwerten, vermuten – tun sich Abgründe auf. Abgründe, vor denen zuletzt wieder Greenpeace warnte:
Nur 20 Prozent des in der gelben Tonne entsorgten Plastiks werde durch die vom Staat beauftragte Firma Ecoembes korrekt entsorgt. Der Großteil hingegen lande verbuddelt im Boden. Selbst die Ausfuhr von Müll ins Ausland wird dem 1996 gegründeten Großbetrieb, der „Eco“im Namen und ein grünes Blatt im Logo trägt, vorgeworfen.
Ein solches
„greenwashing“– ein nur vorgetäuschter Umweltschutz – sei bei Acteco unmöglich, versichert Alma Gomis, die uns zum Abschluss der Visite Halle für Halle erklärt.
Wir bewundern das Innenleben von Acteco. Hier werden Deckel, da Auto- oder Kühlschrankteile behandelt. Auch eine Abteilung für kontaminiertes Wasser gibt es. Kuriose Elemente fallen auf, etwa eine Süßigkeit, aus der Tierfutter entsteht. Am Ende laufen wir mit den einzelnen Phasen des PlastikRecyclings mit, sehen wo es gesammelt, wo gesäubert, zerstückelt, gewaschen, getrocknet, geschmolzen und am Ende in Granulat geformt wird. Wie neu fühlen sich die noch warmen Körner in der Hand an. Ein kleiner Haufen Rohstoff für die Zukunft, der ohne Recycling als Müll sonstwo
gelandet wäre.
„Damit, dass Firmen Dinge einfach nur herstellen, ist es vorbei.“