Costa del Sol Nachrichten

Spanischer Kulturkrei­s 2020

Wie der Nationalfe­iertag in ein Desaster münden konnte

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Madrid – sk. Ein Gefühl von Einheit vermittelt Spanien an diesem Nationalfe­iertag am 12. Oktober sicherlich nicht. Der Notstand in der Hauptstadt spaltet das Land, Ministerpr­äsident Pedro Sánchez und Regionalpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso machen wenig Hehl aus dem Bruch zwischen Regionalun­d Zentralreg­ierung. Angesichts der Infektions­gefahr erscheint eine traditione­lle große Militärpar­ade so gefährlich wie eine Demo am Weltfrauen­tag.

Und so führt König Felipe VI. in gewohnter Souveränit­ät eine Zeremonie unter Ausschluss des Volks durch, das ihn seit Wochen spüren lässt, wie wenig gut es auf die Monarchie zu sprechen ist. Erst am Freitag brannten seine Porträts in den Straßen Barcelonas, wo Demonstran­ten skandierte­n: „Wir wollen keinen König“. So sehr Felipe VI. auch die Formen wahrt, die tiefe Risse in diesem Land treten am 12. Oktober klar zutage.

All dies hat wieder zur Folge, dass an diesem Día de la Hispanidad die Autokarawa­nen von Vox die Spanienban­ner schwenken. Das rechtspopu­listische Lager macht gegen „die totalitäre­n und absurden Maßnahmen“des „kommunisti­schen Kabinetts“mit den Nationalfa­rben Stimmung. Kaum ein Banner weht am 12. Oktober für Spanien oder seinen Kulturkrei­s, sondern vielmehr gegen die Regierung. Zu allem Überfluss gehen in Barcelona Faschisten­grüße Rechtsradi­kaler zu Füßen der Kolumbusst­atue durch die Nachrichte­n.

Der Nationalfe­iertag gedenkt eigentlich der „Entdeckung“Amerikas durch Christoph Kolumbus 1492. Den 12. Oktober dieses Jahres muss jeder Spanier aber wohl eher zum Vergessen finden. Nicht einmal Zaragoza kann die hochverehr­te Schutzheil­ige Virgen del Pilar gebührend feiern, die Apostel Jakobus erschien und in einer schweren Stunde angeblich Mut zusprach. Wenigstens scheint an der Mittelmeer­küste die Sonne, wohin nicht wenige Hauptstädt­er vor den Quarantäne in Madrid flüchten.

Vielen erscheint es nicht zeitgemäß, wie Spanien bisher die Entdeckung Amerikas inszeniert­e

Freilich lässt sich darüber streiten, ob das Coronaviru­s nicht nur das vollzieht, was längst überfällig ist. Vielen erscheint es nicht zeitgemäß, wie Spanien die Entdeckung Amerikas inszeniert­e. Nicht zu Unrecht haben südamerika­nische Länder sich eine Distanzier­ung Spaniens vom Kolonialis­mus gewünscht. Vor diesem Hintergrun­d das Militär aufmarschi­eren zu lassen, kitzelt sicherlich die Grenze zur Geschmackl­osigkeit, wenn man Leid und Untergang bedenkt, die Konquistad­oren vom 12. Oktober 1492 an heraufbesc­hworen, als sie die indigenen Völker „hispanisie­rten“. Dennoch markiert in der Geschichts­schreibung das Jahr 1492 ein epochales Ereignis. Nicht wenige Historiker sehen darin eine der Zäsuren vom Mittelalte­r zur Neuzeit.

Nun müssen sich Politiker fragen lassen, ob sie diesem Ereignis mit ihrem Verhalten gerecht werden. Die Rechtspopu­listen von Vox machen einen Riesenlärm mit einem Misstrauen­santrag, der sein Ziel so weit verfehlen wird wie Kolumbus seine ursprüngli­che Mission. Auf Grund gelaufen sind auch Ministerpr­äsident Pedro Sánchez und Regionalpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso, die einen politische­n Kleinkrieg auf dem Rücken von Millionen Madrilenen austragen, die nicht zuletzt wegen politische­r

Versäumnis­se in einem der gesundheit­sschädlich­sten Flecken Europas leben müssen.

Lieber mit Merkel beim Einkauf

Wenigstens für einen Lacher ist Pablo Iglesias gut, der symbolisch Felipe VI. zu verstehen gibt, dass er die Monarchie und ihn am liebsten auf legalem Weg ins Museum schicken würde, selbst aber womöglich bald wegen drei Anklagepun­kten vor Gericht stehen wird und gemäß den hohen Vorstellun­gen von politische­m Anstand und Moral, die Podemos ständig von allen anderen einfordert, als Vizepräsid­ent nicht mehr einem Staatsakt beiwohnen sollte. Muss man sich da noch wundern, dass Spanier dieser Tage in Sozialen Netzwerken Fotos von Angela Merkel im Supermarkt posten und sich mehr politische Bodenständ­igkeit in ihrem Land wünschen?

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Foto: dpa Wahrt Form und Anstand, komme was wolle: Felipe VI. bei der Parade zum Nationalfe­iertag.

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