Schöne neue Welt
Regierung plant effektiven Einsatz der Corona-Wiederaufbaugelder der EU
Madrid – tl. Klappern gehört zum politischen Geschäft. Und die Regierung Sánchez klappert derzeit heftig. Nimmt man die Ankündigungen des Ministerpräsidenten für bare Münze, hat Spanien 2026 eine moderne und vor allem grüne Volkswirtschaft. Die Intention in allen Ehren: In Wirklichkeit aber dürfte es darum gehen, in Brüssel guten Eindruck zu schinden. Schließlich will man eine Menge Geld von der EU.
Der nationale Plan für Wiederaufbau, Umbau und Widerstandskraft der Wirtschaft ist eine phantasievolle Umschreibung für die mittelfristige Finanzplanung, die von der Regierung zusammen mit dem Haushaltsentwurf 2021 kommende Woche der EU-Kommission übermittelt werden muss. Insgesamt rechnet Madrid bis 2026 mit 140 Milliarden Euro an direkten Zuweisungen und Krediten aus dem 750 Milliarden schweren Corona-Wiederaufbauprogramm. Gelder, die Spanien zusätzlich zu den üblichen EU-Leistungen und den eigenen Mitteln einsetzen kann. So will Sánchez die Corona-Krise überwinden und „eine zweite Modernisierung“der spanischen Wirtschaft anstoßen.
Allein 2021 werden 27,4 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm der EU verplant. Bis 2023 dann insgesamt 72 Milliarden. Hierbei handelt es sich um direkte Zuschüsse. Kommendes Jahr erwartet die Regierung einen zusätzlichen Wachstumsschub von 2,6 Prozentpunkten. Statt um 7,2 Prozent werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 9,8 Prozent dank der EU-Gelder steigen, sagte Sánchez. Auch die Arbeitslosenquote könne sich um 0,6 Prozentpunkte auf 16,3 Prozent drücken lassen. Sämtliche Maßnahmen sollen auch für einen Beschäftigungsschub sorgen. So wird bis 2023 mit rund 800.000 zusätzlichen Jobs gerechnet.
Der Einsatz der Gelder soll sich auf vier Hauptbereiche konzentrieren: ökologischer Umbau, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Digitalisierung sowie Gleichstellung. Mit 37 Prozent der Gelder aus dem Programm wird der ökologische Umbau der Wirtschaft den Löwenanteil erhalten. 33 Prozent entfallen auf die Digitalisierung. Bis 2023 enthält die Planung auch ein paar konkrete Ziele. Beispiel ökologischer Umbau: Hier sollen in den nächsten drei Jahren 250.000 Elektroautos gefördert und 100.000 neue Ladestationen errichtet werden. Eine halbe Million Häuser sollen energietechnisch auf Vordermann gebracht werden. Beispiel Digitalisierung: Alle Spanier sollen bis 2023 einen Internetzugang haben, 75 Prozent der Bevölkerung zum 5G-Netz.
„Wir sprechen von einem Wiederaufbau und einem Wachstum, die sich nicht von selbst einstellen werden“, sagte Sánchez. Nötig sei vielmehr, „alle nationalen Kräfte zu mobilisieren“. Der Wiederaufbauplan sei „eine Art Fahrplan für eine außergewöhnliche Situation mit einer Strategie, die es uns möglich machen wird, besser aus der Krise hervorzugehen als wir hineingeraten sind“, sagte der Regierungschef. In diesem Jahr erwartet die Regierung, dass die Wirtschaftskraft um 11,2 Prozent schrumpft.
Um die EU-Gelder effektiv zur Krisenbewältigung einsetzen zu können, plant die Regierung für den Haushalt 2021 zudem eine Erhöhung der eigenen Ausgaben um 53,7 Prozent ein. Das wäre dann die Rekord-Ausgabenhöhe von 196,1 Milliarden Euro. Das Haushaltsdefizit würde so im schlimmsten Fall auf 11,3 Prozent des BIP ansteigen, im besten Fall ließe sich das Defizit auf 7,7 Prozent beschränken. Auch die Staatsverschuldung wird weiter ansteigen und zwar auf 118 Prozent des BIP.
Bereits in diesem Jahr sei ein gewaltiger finanzieller Einsatz erfolgt, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise abzumildern. „Wir bewegen 200 Milliarden Euro, 20 Prozent des nationalen BIP, der größte Einsatz von Mitteln in der Geschichte unseres Landes, um die zu schützen, die Beschäftigung schaffen, also die Unternehmen. Dank dieses Einsatzes sind heute 530.000 Unternehmen weiterhin aktiv. Wir haben 3,4 Millionen Beschäftigte mit dem Kurzarbeiter-Programm ERTE geschützt, davon sind 80 Prozent wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt“, sagte Sánchez.
Vier Hauptbereiche für den Einsatz der EU-Gelder bestimmt
Sánchez nimmt Heft in Hand
Die Umsetzung des Wiederaufbauplans will er selbst in die Hand nehmen: „Es wird eine Kommission geben, die ich leite, sowie eine Arbeitsgruppe am Regierungssitz Moncloa“, so Sánchez. Außerdem werde die Konferenz für EU-Fonds reaktiviert und die mit den Ministerpräsidenten der Autonomen Regionen regelmäßig abgehalten. Ferner werde es einen ständigen Dialog mit den Unternehmen und den übrigen Sozialpartnern geben.