Leben unter der Erde: Ein Ausflug zu Guadix’ Höhlenwohnungen
Von der praktischen Bleibe zum Kulturerbe: Ausflug zu den Höhlenwohnungen in Guadix
In Andalusien, rund 50 Kilometer östlich von Granada, liegt auf einer Höhe von fast 1.000 Metern der Ort Guadix. Schon bei den Phöniziern bekannt, wurde er unter römischer Herrschaft zu einer wohlhabenden Kolonie. In der Maurenzeit erhielt er sein arabisches Stadtbild und gestaltete sich zu einem großen Zentrum der Seidenherstellung. Im Jahre 1489 fiel die Stadt in christliche Hände und es entstanden Kathedrale, Plaza Mayor und zahlreiche Kirchen. Die Umgebung des Ortes ist atemberaubend schön. Eine Wüstenlandschaft, zerschnitten durch Schluchten, wilde Wasserströme und kleine Seen. Eine Art Gran Canyon im Kleinformat, wo das Farbspektrum der Gesteine von schneeweiß über ockergelb bis feuerrot reicht. Und dahinter ragt die mächtige, meist schneebedeckte Sierra Nevada auf.
Auf den ersten Blick scheint sich die Stadt nicht von den anderen Örtlichkeiten dieser spektakulären Gegend zu unterscheiden, doch dann entdeckt man im Süden der Altstadt eine Vielzahl von weiß getünchten Kaminen aus der Erde herausragen. Auch schmiegen sich strahlend weiße Häuserfassaden ähnlich potemkinscher Dörfer eng an die braunen Berghänge und moderne Fernsehantennen blinken auf den konischen Hügeln. Des Rätsels Lösung ist folgende: Ein großer Teil der Einwohner lebt unter der Erde, in Höhlen.
Einladender Tuffstein
Ein einzigartiges Szenario, das als internationales Kulturdenkmal unter staatlichem Schutz steht. Da die Gegend in früheren Zeiten mit Wasser bedeckt war, ermöglichten die weichen Sedimentablagerungen ein einfaches Einschlagen der Höhlen in die Felswände. Und wollte man anbauen, so grub man sich einfach ein Stück tiefer in den porösen Tuffstein hinein.
Der Überlieferung zufolge erkannte man schon in prähistorischer Zeit diese relativ einfache Bauweise und nutzte die gute Isolierung für ein komfortables Wohnklima.
Inzwischen haben sich die meisten Höhlen der Neuzeit angepasst und sind mit gutem Komfort ausgestattet. Dennoch
reicht das Spektrum der Wohnungen immer noch von Luxus bis ärmliche Höhle. Aber eines hat sich nicht geändert. Die konstante Innentemperatur von 18 bis 21 Grad, egal ob im Sommer oder Winter. Heizung und Klimaanlage sind hier nicht notwendig.
Bimmelbahn durch Barrio
Die Geschichte von Guadix reicht lange zurück. Ursprünglich waren es Zigeuner, welche das Dorf durch die Töpferkunst bekannt machten. Später kamen Handwerker und Arbeiter, danach Hippies und Künstler aus aller Welt dazu, die das gemütliche Höhlenleben für sich entdeckten. Heute leben in der Region um Guadix etwa 5.000 Menschen in diesen Höhlenwohnungen.
Es gibt drei klar definierte Zonen in Guadix: Das Barrio Santiago, wo die Höhlen liegen; die mittelalterliche Zone und die barocke Zone. Dazu kommt noch das neue Guadix. Vom Platz vor der Kathedrale befördert eine lustige Bimmelbahn die Touristen zum Barrio de Santiago, wo man gegen einen kleinen Obolus einige dieser Höhlenwohnungen besichtigen kann. Auch findet man dort die gleichnamige Renaissance-Kirche mit einem dekorativen Hauptportal sowie den Palacio de Peñaflor mit schönem hölzernem Balkon. Nicht weit davon entfernt erlaubt ein neu angelegter Mirador einen umfassenden Rundblick über die durchhöhlten Hügeln, die majestätische Festung und die wunderschöne Kathedrale. Diese Kathedrale liegt im Zentrum der Altstadt, wurde 1510 an Stelle der Moschee erbaut und erst 1796 beendet. Durch die lange Bauzeit von fast 300 Jahren entstand ein temperamentvoller Stilmix aus Gotik, Renaissance bis Barock.
Sehenswert ist auch die Plaza Mayor, ein Renaissance-Platz aus dem 16. Jahrhundert, der im spanischen Bürgerkrieg zerstört und wieder aufgebaut wurde. Er liegt mitten im Judenviertel, wo Araber und Juden früher friedlich nebeneinander lebten.
Beim Bummel durch die engen Altstadtgässchen lassen sich die Mudéjarkirchen aus dem 16. Jahrhundert bewundern und auch die Festung aus dem 11. Jahrhundert zieht mit ihren gewaltigen Mauern die Blicke auf sich. Leider konnte ich letztere nur von außen betrachten, da sich keine Öffnungszeiten feststellen ließen. Offensichtlich ist eine Besichtigung nicht möglich. Aber dennoch ist ein Rundgang durch das Altstadtviertel äußerst interessant, spürt man doch bei jedem Schritt den maurischen Einfluss. Auch in der Küche machen sich die maurischen Kochkünste immer noch bemerkbar, so dass sich der Besucher auf ein besonderes Geschmackserlebnis freuen kann.
Eine Nacht in der Höhle
Nun könnte man den Guadix Besuch noch mit einer Übernachtung in einem der zahlreichen Höhlenhotels krönen und am nächsten Tag zum Dorf Gorafe fahren, das etwa 30 Kilometer von Guadix entfernt, in den sogenannten „Bad Lands“liegt. Gorafe beherbergt mit 240 Dolmen eine der größten und bedeutendsten Grabansammlungen Europas und ist äußerst sehenswert. Derzeit kann man 30 megalithische Gräber (Dolmen) besichtigen.