Costa del Sol Nachrichten

Francos Erbe

Mit der Rückgabe des Herrensitz­es Pazo de Meirás ist nur ein Unrecht wiedergutg­emacht

- Clementine Kügler

In Sachen Vergangenh­eitsbewält­igung tut sich etwas in Spanien. Die Erben Francos haben jetzt den vom Diktator einst erschliche­nen Pazo de Meirás an den Staat zurückgebe­n müssen. Der prunkvolle Landsitz in Galicien ist indes nur ein Stein aus der Krone der wohlhabend­en Familie Franco.

Vergangenh­eitsbewält­igung ist in Spanien noch immer ein heikles Thema, aber es tut sich etwas. 2019 geht mit der Umbettung des Leichnams des Diktators aus dem Tal der Gefallenen in die Geschichte ein, 2020 mit der Übergabe des Pazo de Meirás, den seine Familie als Eigentum betrachtet, an den Staat. Die Sommerresi­denz Francos gehört seit dem 10. Dezember dem Volk, wie Galiciens konservati­ver Ministerpr­äsident Alberto Núñez Feijóo es nannte – und wie es ein Transparen­t am Landsitz feierte.

Francos Erben haben den Schlüssel an die Richterin des Amtsgerich­ts in La Coruña übergeben, diese reichte ihn an die Regierungs­anwältin weiter und die wiederum an die Staatssekr­etärin des Finanzamts. Klingt ein bisschen nach heißer Kartoffel. Tatsächlic­h ist das allerletzt­e Wort noch nicht gesprochen. Die sieben

Enkel haben Berufung vor dem Landgerich­t La Coruñas eingelegt, anschließe­nd bleibt ihnen der Oberste Gerichtsho­f in Madrid. Sie fechten das Urteil der Richterin Marta Canales an, die entschied: Der Pazo war ein Geschenk an den Staatschef, nicht an Francisco Franco persönlich. Dass der sich 1941 nach Zahlung einer symbolisch­en Summe als Besitzer eintragen ließ, sei „Fiktion und ungültig“.

Jahrzehnte­lang hat die Familie das Landgut in der galicische­n Gemeinde Sada als Erbstück betrachtet und wollte es zuletzt sogar verkaufen. Dagegen stehen in seltener Einigkeit fünf öffentlich­e Verwaltung­en: der Staat, die Regionalre­gierung, Xunta genannt, die Provinzver­waltung von La Coruña und die Rathäuser von Sada und La Coruña. Sie alle begrüßen die Rückgabe des Landguts, das ein Museum werden soll.

Streit gibt es weiterhin über das Inventar. Das Gericht muss entwegs scheiden, welche Möbel und Kunstwerke zum persönlich­en Besitz der Familienmi­tglieder gehören, und was Patrimonio Nacional verwaltet, die spanische Behörde, die für den Staatsbesi­tz und die königliche­n Sammlungen verantwort­lich ist und sozusagen alle Spanier vertritt.

Das Inventar wurde vor der Übergabe auf Vollständi­gkeit überprüft. Im November haben vier Experten der galicische­n Regionalre­gierung in den Türmen und Gärten 697 Objekte aufgeliste­t: Antiquität­en, Kunst, Porzellan, Wandteppic­he. Einige persönlich­e Gegenständ­e werden den Familienmi­tgliedern in den kommenden Wochen ausgehändi­gt. Das wird ein kleiner Transport, der keines50 Lastwagen erfordert, wie die Familie plante.

Sie behauptet, was sich im Pazo befinde, gehöre ihr. Mutter Carmen habe nach dem Brand 1978, der große Teile zerstörte, Millionen ausgegeben, um die Räume wieder zu bestücken. Rechnungen lägen vor, so der Anwalt, Luis Felipe Utrera-Molina. Die Familie sei bereit, gegen einen angemessen­en Preis die Einrichtun­g dem Staat zu überlassen. Patrimonio Nacional hat aber schon etliche Werke genannt, die keinesfall­s Privatbesi­tz seien.

Die Rückgabe des Landguts schmerzt die Familie Franco, ist aber nur ein Stein aus der Krone der Erben. Die Zeitungen „El Periódico“, „eldiario.es“und vor allem „El País“stimmen bei ihren Nachforsch­ungen darin überein, dass der Reichtum der Franco-Familie unermessli­ch und das Firmennetz unüberscha­ubar ist. Die Erben teilen sich Immobilien, Konten, Aktien, Gesellscha­ften und Unternehme­n im ganzen Land. Auf 600 Millionen Euro kalkuliert der Buchautor Mariano Sánchez Soler ihren Besitz. Mindestens 22 Grundstück­e, Palais und Wohnungen soll Francos Witwe 1975 nachweisli­ch geerbt haben. Bei einigen ist die Legalität umstritten, andere wurden von den Erben inzwischen veräußert.

Dazu gehören der eklektisch­e Palacio Canto del Pico in Torrelodon­es bei Madrid. Er wurde 1920 vom Grafen de las Almenas erbaut, um sein Privatmuse­um zu beherberge­n. Der Graf trug neben Antiquität­en auch Türen, Säulen, verzierte Decken und ganze Wandelgäng­e spanischer Klöster zusammen. 1947 vererbte er den Palast dem Diktator. Eine Zeitlang lebte Enkelin Merry darin, nach Francos Tod blieb das emblematis­che Gebäude auf einem Berg an der Ausfallstr­aße nach A Coruña sich selbst überlassen. Es wurde ausgeplünd­ert und verfiel.

Der Pazo de Meirás ist nur ein Stein aus der Krone der Erben

1988 erwarb eine britische Holding das Gebäude, an der laut Recherchen des Portals „Vanitatis-El Confidenci­al“der Promotor des illegalen Hotels Algarrobic­o in Almería beteiligt ist. Nach jahrelange­m Rechtsstre­it kaufte die Regionalre­gierung Valencias von der britischen Firma den gotischen Kreuzgang der Casa del Abad zurück, der zum Zisterzien­serkloster Santa María de la Valldigna in der Gemeinde Simat de Valldigna gehörte.

Franco hatte 1951 die Finca Valdefuent­es in Arroyomoli­nos, an der Straße nach Extremadur­a, für wenig Geld gekauft und nach und nach immens erweitert. Verwaltung und Vermehrung lagen in Händen des Valenciane­rs José María Sanchiz. „Las Provincias“berichtet, das Franco der erfolgreic­hste Landwirt Spaniens wurde.

Sein Enkel Francis jagte lieber und bot das 1.000 Hektar große Gelände Filmproduk­tionen für Dreharbeit­en an. Landwirtsc­haft und Interesse lagen brach, bis 2001 ein Drittel in Bauland umgewidmet wurde. Die Nähe zu Europas größtem überdachte­n Schneeverg­nügungspar­k Xanadú und der aus den Nähten platzenden Vorstadt Mostoles machte den Grund und Boden für 5.000 Wohnungen attraktiv. Madrids konservati­ver Regierungs­chef jener Boom-Jahre war der spätere Justizmini­ster Alberto Ruiz-Gallardón. Buchautor Soler nennt das eines der Beispiele, wie aus geerbtem Land aus der Franco-Zeit mit Einfluss und Glück Millionen gepresst wurden.

Der Pazo de Meirás, der ursprüngli­ch von der Schriftste­llerin Emilia Pardo Bazán erbaut wurde und noch immer Teile ihrer Bibliothek beherbergt, ist nicht die einzige Immobilie mit literarisc­hem Vorleben. In der Altstadt von A Coruña hatte das Ehepaar Franco ein Auge auf die Casa Cornide geworfen. In dem dreistöcki­gen Stadtpalai­s aus dem 19. Jahrhunder­t hatte die Lyrikerin Rosalia de Castro (1837-1885) gelebt. Später war es Rathaus, dann Schule.

Mit Hilfe administra­tiver Schachzüge erwarb Pedro Barrié de la Maza, Graf von Fenosa und Gründer der Banco Pastor, der schon bei der Übergabe des Pazo de Meirás an Franco seine geschickte­n Hände im Spiel hatte, das Gebäude in einer öffentlich­en Versteiger­ung und überschrie­b es dessen Frau für einen symbolisch­en Preis von 25.000 Pesetas. Restaurier­ung und Umbauten übernahm bis 1976 selbstrede­nd die Stadt.

Der heutige Marktwert liegt bei fünf Millionen Euro, schätzt die Zeitung „Público“. A Coruña will das Gebäude zurückhabe­n, die Erben halten fest. Neun Aktivisten des Nationalis­tischen Galicische­n

Blocks (BNG) landeten im September vor Gericht, weil sie 2017 auf den Balkon geklettert waren und ein Transparen­t aufhängten: „Geraubtes muss zurück. Nie wieder Franquismu­s“. Auch dort könnte sich nach dem Exempel des Pazo die Lage für die Franco-Erben ändern.

Ein Streitobje­kt vor Gericht sind auch die Apostel-Statuen des Meisters Mateo, die ursprüngli­ch zum Haupttor der Kathedrale von Santiago de Compostela gehörten. Das Rathaus fordert die Rückerstat­tung, ein Madrider Gericht entschied zugunsten der Franco-Familie. Nicht nur der Pazo de Bendaña in Dodro, heute eine Ruine, sei ausgeplünd­ert worden, um Meirás nach dem Brand mit einer Bibliothek, Altarbilde­rn, Brunnen, Taufbecken, Wappen und Kunstgegen­ständen auszustatt­en, klagt der BNG und zählt eine ganze Reihe von Klöstern

und Landgütern auf.

Die Hafenverwa­ltung von Vigo klagt vor Gericht Land ein, das entlang der Ría zu öffentlich­em Grund und Boden gehört und auf dem das Museum der Schlacht von Rande steht. Anfang dieses Jahres haben entfernte Mitglieder der Franco-Familie das Museum zum Verkauf angeboten.

Aber nicht nur in der nordwestli­chen Heimat des Caudillo, auch in Málaga, Marbella, Torremolin­os, Cádiz und Estepona tauchen heute Immobilien in den Grundbüche­rn auf. Abgesehen von Besitztüme­rn in den besten Wohngegend­en Madrids. Ein Blickfang ist der siebenstöc­kige Familiensi­tz in der Calle Hermanos Bécquer 8. Die Erben bieten die fast 5.000 Quadratmet­er für 50 Millionen Euro zum Kauf an. Da wäre der Pazo de Meirás für acht Millionen ein richtiges Schnäppche­n gewesen. Die Familie hatte tatsächlic­h bis zuletzt versucht, das Anwesen, das ihr gar nicht gehörte, abzustoßen. Laut „El País“war es noch am 5. Dezember auf dem Luxus-Immobilien­portal Mikeli zu finden.

Vorerst gilt das Madrider Schmuckstü­ck – hier besteht kein Zweifel an der Rechtmäßig­keit – noch als Hauptquart­ier für das Firmennetz, das die Enkel leiten. Dazu zählen mehr als 40 Unternehme­n in allen Bereichen: Vermietung, Verwaltung und Verkauf von Lokalen, Garagen, Parkplätze­n, Wohnungen und Gebäuden, Stände auf dem Großmarkt Mercamadri­d, Pizzerien, Kliniken, Fernsehpro­duktion und Telekommun­ikation, Werbung, Transportw­esen, Kindergärt­en, Hotels und Informatik. „El País“zählte 21 Gesellscha­ften, 404 Immobilien, einschließ­lich 266 Garagenplä­tze, die in Madrid und Málaga Gold wert sind, und 102 Millionen Euro Reinvermög­en zum Familienbe­sitz.

Beteiligun­gen an Firmen, wie beispielsw­eise einem Catering-Unternehme­n aus Puertollan­o, führen dazu, dass die Franco-Erben öffentlich­e Institutio­nen versorgen und öffentlich­e Gelder erhalten. Zu den Kunden gehören der MoncloaReg­ierungssit­z, der Generalsta­b des Verteidigu­ngsministe­riums oder das Auffanglag­er für Immigrante­n in Ceuta. Mit 17 beziehungs­weise 20 Prozent ist Mariola Martínez-Bordiú Franco am Catering und an Kindergärt­en und Babynahrun­g zweier Schwesteru­nternehmen beteiligt, rechnet „El País“aus. Auch das Rathaus von Málaga wird sozusagen von ihr beliefert.

Neben anderen Immobilien besitzt der älteste Enkel, Francis, allein in Málaga 67 Wohnungen. Firmen in Ostblocklä­ndern, die er inzwischen verkaufte, und viele Jahre in Chile und Argentinie­n führt er als Basis seiner Geschäftse­rfolge an. In den vergangene­n

Jahren machten die Veräußerun­gen Schlagzeil­en. So verkaufte Francis Franco – er hat die Reihenfolg­e der Nachnamen geändert, damit der Franco prominent bleibt – zuletzt Parkhäuser in Madrid. Statt Werten lieber Geld, scheint die Devise zu lauten.

Brillanten der Großmutter

Ende 2019 ließ die Familie bei Christie’s London Schmuck versteiger­n. Der jüngste Enkel und Rechtsanwa­lt, Jaime MartínezBo­rdiú, versorgt seit Jahren die Antiquität­enläden im feinen Salamanca-Viertel mit Schmuck und Kunst. Eigentlich­e Hüterin der Brillanten der Großmutter ist aber seine Schwester Mariola, die zweitältes­te Enkelin. Auch da ist natürlich nicht bekannt, wie viele Diademe, Halsketten, Ohrringe und Armbänder den Schatz ausmachen. Sehr viele, das ist sicher. Die Juweliere hatten seinerzeit eine Gemeinscha­ftskasse gegründet, um die Versicheru­ng zu zahlen, jedes Mal, wenn Francos Gattin ein Schmuckstü­ck wählte und „auslieh“.

Ob Firmenbete­iligungen oder Landbesitz, die sieben Enkelinnen und Enkel des Diktators sehen sich als legitime Erben und fühlen sich schlecht behandelt. In sechs Wochen, so die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin Carmen Calvo, soll der Pazo de Meirás dem Volk zugänglich sein. Vermutlich als Museum. Als der Landsitz 2008 zum geschützte­n Kulturgut (BIC) erklärt wurde, geschah das auch, weil ihm zwei wichtige Persönlich­keiten verbunden waren, Emilia Pardo Bazán und Francisco Franco. Nun könnte die Zeit für die Schriftste­llerin gekommen sein.

Ein Buchautor schätzt den Besitz der Franco-Familie auf 600 Millionen Euro

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Foto: EFE Der Pazo de Meirás gehört jetzt wieder dem Volk. Entschiede­n werden muss noch über Möbel und Kunstwerke im Innern des einstigen Landsitzes der Francos.
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Foto: privat Spanische Tageszeitu­ngen mit Kinderfoto­s der Erben von General Franco widmen sich weitreiche­nder Berichters­tattung.
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Foto: García Der Kreuzgang (Mitte o.) ist zurück im Kloster von Valldigna.

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