Kultur/Freizeit Raffael im Königspalast: Spaniens Monarchen sicherten Madrid eine der größten Sammlungen des Meisters aus Urbino
Spaniens Monarchen sicherten Madrid eine der größten Sammlungen des Meisters aus Urbino
Madrid – ck. Erstmals werden die neun monumentalen Apostelteppiche Raffaels einem breiten Publikum in Madrid gezeigt. Spanien hat sich im Dezember 2020 den Feierlichkeiten anlässlich des 500. Todestags des großen Renaissance-Künstlers angeschlossen und zeigt noch bis April im Königspalast in Madrid seine Serie von Wandteppichen „Taten der Apostel“. Die Szenen aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus hat Raffael im Auftrag von Papst Leo X. 1514 entworfen und mit Aquarell auf Karton gemalt – alle Figuren in Lebensgröße. Gewebt hat sie die Werkstatt von Pieter van Aelst in Brüssel 1516 bis 1521.
Als Raffaello Sarzio am 6. April 1520 mit 37 Jahren plötzlich starb, hatte er nur sieben fertige Gobelins im Vatikan sehen können. Sie schmückten im 16. Jahrhundert die untere Wandzone der Sixtinischen Kapelle und korrespondierten mit den Deckenfresken von Michelangelo. Im letzten Frühjahr kehrten sie für einige Wochen an diesen Platz zurück.
Mit Hilfe der Schüler
Überliefert ist eine gewisse Enttäuschung von Michelangelo, der den Auftrag zuerst abgelehnt hatte, dann aber doch gerne gezeichnet hätte. Er warf Raffael vor, zu viel an seine Schüler zu delegieren. Allerdings übernahm Raffael immer die letzte Aufsicht. Die Bewunderung für die Arbeiten des ausgesprochen umtriebigen Malers, Architekten und Präfekten für die Antike im Vatikan, der über 50 Schüler beschäftigte, und so jung starb, war in allen europäischen Königshäusern verbreitet.
Zahlreiche Kopien der Apostelteppiche wurden im Lauf der Geschichte angefertigt, einige gleich noch von Pieter van Aelst, andere aufgrund der Kartons, die dieser verlieh, von anderen Teppichmanufakturen. Von den ursprünglichen zehn, die Raffael entwarf, wurden später immer nur neun Kartons umgesetzt und die zehnte zusätzliche, die zum Paulus-Zyklus gehörte und nur die Vatikanischen Museen besitzen, stets weggelassen.
Die meisten Serien sind bei Bränden und in Kriegen vernichtet worden. Eine Serie wurde im
Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung des Kaiser-FriedrichMuseums in Berlin zerstört, eine andere während der Französischen Revolution verbrannt, um an die Goldfäden zu kommen.
Was im Madrider Königspalast jetzt in seiner Gesamtheit zu sehen ist, ist eine Kopie von neun Tapisserien nach der Originalvorlage von Raffael, die bei Jan van Tieghem und Frans Gheteels in Brüssel gewebt worden waren, und die Philipp II. (1527-1598) noch als Prinz auf seinen Reisen erworben hatte. Im Gegensatz zum vatikanischen Original wurden nur Seide und Wolle verwendet, auf die Gold- und Silberfäden aber verzichtet.
Dank des Verzichts auf die Metallfäden und der hervorragenden Aufbewahrung durch die Königliche Teppichmanufaktur in Madrid, ist diese Serie besser erhalten als das „Original“im Vatikan, freut sich die Kuratorin der Ausstellung, Concha Herrero. Zu sehen sind die Gobelins in der Galerie des Königspalastes, dem idealen Ort für die zwischen fünf und sieben Meter hohen und breiten Arbeiten.
Vier Tapisserien zeigen Szenen aus dem Leben des heiligen Petrus und fünf die Taten des heiligen Paulus. Diese beiden werden wegen ihrer herausragenden Stellung als Apostelfürsten bezeichnet. Die Abbildungen sollen den Papst als legitimen Nachfolger des Petrus bestätigen und sind umgeben mit Rahmenbordüren, auf denen Leo X. geehrt wird.
Deko bei besonderen Anlässen
Spaniens Behörde für das Staatliche Kulturgut, Patrimonio Nacional, verwaltet die Güter von Königen und Regierungschefs. Sie richtet die bemerkenswerte Schau aus und hütet sogar zwei Serien. Die ausgestellte und eine zweite, die Philipp III. (1578-1621) erworben hatte. Nur zu wenigen repräsentativen Anlässen, wird der eine oder andere Wandteppich hervorgeholt. Der Palacio Real an der zentralen Plaza de Oriente dient seit dem Ende der Herrschaft von Alfons XIII. nur noch für Staatsbesuche und festliche Empfänge. Die heutige Königsfamilie wohnt am Stadtrand im Zarzuela-Palast.
Die Begeisterung für Raffael war auch in Spanien zu spüren. Alle spanischen Könige und Edelmänner, die auf sich hielten, bemühten sich um seine Werke für ihre Kunstsammlungen. Wenn ein Besitzer das Original nicht hergeben wollte, erlaubte er bisweilen eine Kopie. Kopien von Raffaels Bildern – besonders die seiner begnadeten Schüler Giulio Romano und Giovanni Penni – gehörten zu den begehrten Geschenken, mit denen Beförderungen und andere Dienste gedankt wurden. Schon Raffael selbst, hatte von manchen seiner Bilder Repliken angefertigt. Die Zuordnungen sind oft nicht einfach.
Philipp II. übergab nicht nur die Apostelteppiche, er stiftete auch Raffaels Andachtsbild „Madonna della Tenda“dem Escorial-Palast. Heute hängt das Gemälde in der Alten Pinakothek in München.
Einer der eifrigsten Sammler war Philipp IV. (1605-1665). Eine „Heilige Familie“, die Raffael 1518 (wohl unter Beteiligung der Werkstatt) gemalt hatte, wird bis heute „die Perle“genannt, weil sie die Favoritin seiner Sammlung war. Mindestens ein Dutzend Originale des Meisters aus Urbino holte Philipp IV. aus den spanischen Vizekönigreichen Neapel, Sizilien oder Mailand nach Madrid.
Luis de Haro, Markgraf von Eliche und Günstling von Philipp IV., erwarb nach der Hinrichtung von Karl I. von England mit Hilfe des Zwischenhändlers Alonso de Cárdenas nicht nur „die Perle“, sondern viele andere Bilder aus dessen Besitz für seinen König. Hofmaler Diego de Velázquez urteilte streng und ließ Raffaels Porträt „Papst Leo X. und zwei Kardinäle“durchfallen. Seitdem wird es in Rom bewundert.
Auch in den folgenden Jahrhunderten gab es eifrige Sammler in Spanien. Immer wieder gelangten vor allem Madonnen, Heilige Familien und biblische Szenen nach Madrid, was dem Prado-Museum zu einer der größten Sammlungen des italienischen Meisters verhalf. 2012 war dort eine große Ausstellung den letzten Jahren Raffaels gewidmet.