Mehr als ein weißes Dorf: Trotz seiner beschaulichen Größe von rund 13.000 Einwohnern bietet Álora Besuchern einiges an Geschichte, Kultur und Natur
Trotz seiner beschaulichen Größe von rund 13.000 Einwohnern bietet Álora Besuchern einiges an Geschichte, Kultur und Natur
Balkon von Guadalhorce, der hohe Ort, der gut Geschützte – Álora hat über die Jahrhunderte viele Namen verliehen bekommen. Welcher davon zutrifft? Alle, und trotzdem reicht keiner aus, um den Ort im Herzen der Provinz Málaga auch nur annähernd zu beschreiben. Álora begeistert seine Besucher auf eine unglaublich vielfältige Art und Weise: durch historische Schätze, faszinierende Landschaften, kulturelles Reichtum und nicht zuletzt seine gute Küche.
Ein Spaziergang durch Álora ist wie ein Spaziergang durch die verschiedenen, vergangenen Jahrhunderte
aus Spaniens Geschichte. Denn obwohl insbesondere während des Bürgerkriegs viel zerstört wurde, haben sowohl die Mauren als auch die Christen ihre Spuren hinterlassen. Das ist das Besondere an Álora: Dass kein Teil der Vergangenheit ausgelöscht wurde, sondern die unterschiedlichen Herrschaften bis heute sichtbar sind und die Baustile dabei so gut harmonieren. Und was für die Architektur des Ortes gilt, trifft auch auf die Kultur zu: Álora hat sich mit der Zeit zu einer kleinen Künstlerstadt entwickelt und spanischer Flamenco existiert hier genauso wie orientalische Handwerkskunst. Noch heute leben Marokkaner und Spanier in dem Ort zusammen und sorgen dafür, dass Álora mehr ist, als nur ein weiteres andalusisches Dorf
Trotzdem findet man sie natürlich auch hier, die typischen weißen Häuser mit den roten Dächern und schwarzen Eisengittern vor den Fenstern. Die Straßen sind, wie es sich für ein Bergdorf gehört, steil und an ihrem Ende sieht man fast immer die umliegenden Gebirgszüge hervorblitzen. Einige Häuserwände sind mit bunten, meist religiösen Gemälden verziert und auch die Schriftzüge der kleinen Geschäfte sind teilweise handgezeichnet – sie geben weitere Hinweise auf die Künstler im Ort.
Die Erkundung der Stadt beginnt mit dem, physisch gesehen,
Álora ist über die Jahre zu einer kleinen Künstlerstadt geworden
Kunstwerke. Sie unterscheiden sich von Haus zu Haus, enthalten religiöse Symbole, und sollen darüber hinaus einen Hinweis auf den Beruf des ehemaligen Hausbewohners geben.
Fast 100 Jahre Bauzeit
Am tiefsten gelegenen Teil des Ortes erwartet Besucher dann ein wahres Meisterwerk der damaligen Baukunst: Die „Parroquia de Nuestra Señora de la Encarnación“, die zweitgrößte Kirche in der Provinz Málaga. Sie wirkt beinahe übermächtig gegenüber den kleinen Häusern um sie herum. Fast 100 Jahre dauerten die Bauarbeiten daran, 1699 wurde die Kirche fertiggestellt. Zum Bau der Wände und Säulen wurden ausschließlich Steine vom Berg „Monte del Hacho“verwendet, der direkt hinter dem Ort hervorragt. Álora trägt mit der Kirche also praktisch ein Stück der angrenzenden Natur direkt in sich. Zumindest wenn man die Kirche von außen betrachtet. Das Holz, das in dem Gebäude genutzt wurde, ist aus Belgien importiert. Weitaus interessanter als das Holz, ist innen aber der Altar. Das Original wurde während des Spanischen Bürgerkriegs in den 1930er Jahren zerstört. Erst vor einigen Jahren wurde er rekonstruiert, von Schülern einer Berufsschule des Ortes.
Gegenüber der Kirche beginnt der ursprüngliche Teil Áloras. Hier hat während der arabischen Zeit die muslimische Altstadt gelegen, geschützt von einer Stadtmauer, von der heute aber nur noch wenige Teile zu sehen sind. An der Stelle des ehemaligen Tores befindet sich heute eine kleine Gasse, durch die man Zutritt zu dem Ortsteil erhält. Von diesem Punkt an sind die Straßen noch ein Stückchen schmaler und verwinkelter. Diese Konstruktion des Ortes war neben der Stadtmauer eine weitere Schutzmaßnahme, denn Fremde sollten sich so im Gegensatz zu den Bewohnern möglichst nicht zurechtfinden. Die Gassen schlängeln sich den Hügel hinauf und mit jedem Schritt in Richtung Spitze wird die Aussicht ein Stück schöner. Zu einer Seite sieht man die weißen Häuser von Álora, eingebettet in den umliegenden Bergen. Zur anderen Seite blickt man über das Tal von Guadalhorce, das sich mit den vielen Plantagen wie ein riesiger Garten am Fuß des Hügels erstreckt.
Am höchsten Punkt angekommen, hat man sein Ziel erreicht: Das Castillo de Álora. Auch wenn von der ursprünglichen arabischen Festung nicht viel geblieben ist, ist der Aufstieg es wert. Auf dem Vorplatz befand sich damals eine Moschee, deren Minarett rekonstruiert wurde. Nach der Eroberung Áloras durch die Christen wurde die Moschee durch eine Kirche ersetzt, aber auch von ihr ist nur ein kleiner Teil erhalten geblieben. Der Rest wurde während des Erbebens 1680 zerstört. Trotzdem ist der seltene, spätgotische Baustil noch erkennbar.
Wo sich das ehemalige Hauptgebäude der Festung befand, wachsen heute Zitronenbäume. Zwei wesentliche Teile haben die Jahrhunderte aber überlebt: Ein Torbogen, dessen Form einzigartig in Europa ist, sowie ein Wachturm, den Besucher besteigen können. Für die Bewohner von Álora hat das Castillo bis heute eine hohe Bedeutung, vor allem weil es zeitweilig auch als Friedhof genutzt wurde. Es ist zweifelsohne ein Ort, der viel erlebt hat und viel Geschichte in sich trägt.
Während des Rundgangs durch die Stadt, ist es auf den Straßen ruhig. Man sieht nur wenige Menschen und eine verträumte Dorfmentalität scheint über dem Ort zu liegen. Das ändert sich, wenn man die Bar „De Kñas“betritt. Es ist, als ob Álora plötzlich aufgewacht ist. Die Bar ist gut besucht, Leute erzählen fröhlich und der Duft von frischen Tapas liegt in der Luft. Die Auswahl ist groß und alles, was auf den Tisch kommt, kann geschmacklich überzeugen. Etwa das „Pollo Agridulce“, also Huhn in einer süßsaueren Soße oder auch die so genannten „Barquitos“: Gambas im Teigmantel auf einer ebenfalls süßsaueren, aber trotzdem komplett anderen Soße. Zu den Tapas bekommt man zwei weitere Spezialitäten aus Álora serviert. Das „Pan Cateto“, ein Brot, welches in einem alten Holzofen gebacken wurde, und die Aloreñas, Oliven aus der Region.
Ein kleines Paradies
Wer den Ort Álora erkundet hat, hat aber noch längst nicht alles gesehen, was die Gemeinde zu bieten hat. Denn etwa zehn Kilometer nördlich beginnt das Gebiet um El Chorro und damit eine einzigartige Landschaft, die auch im Winter in prachtvollen Farben erstrahlt. Tiefgrüne Wälder und Felder umrahmen die drei leuchtend türkisfarbenen Stauseen und stehen im Kontrast zu den schroffen Felswänden, die hier ebenfalls zu finden sind. Das Gebiet ist ein kleines Paradies für Kletterer, Wanderer und alle, die sich einfach von der Schönheit der Natur verzaubern lassen wollen. Da El Chorro nur wenig beworben wird, gilt es immer noch als Geheimtipp. Als Besucher ist man auf den Wegen meist alleine unterwegs und kann ungestört die Ruhe und die fast unwirklich erscheinende Landschaft genießen. In der KArwoche könnte sich das ändern, wenn der so genannte „Caminito del Rey“(dt. Königsweg) nach 15 Jahren wieder eröffnet wird. Der schmale Pfad, welcher in teils Schwindel erregenden Höhen durch eine Schlucht führt, galt lange als einer der gefährlichsten und vielleicht auch deshalb reizvollsten Wanderwege der Welt. Nach der Neueröffnung sollen die Gefahren minimiert sein sodass Abenteruerlustige wieder auf den Spuren von König Alfonso XIII wandeln können.
Trotz allem, was Álora bereits bietet, hat der Ort sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Die Touristenzahl ist bei weitem nicht so hoch, wie das Gebiet es verdient hätte. Für momentane Besucher hat die Situation aber auch Vorteile. Denn dieses Gefühl, ein Stück Natur für sich zu haben, ist heute nicht mehr oft zu finden.