Costa del Sol Nachrichten

Mehr als ein weißes Dorf: Trotz seiner beschaulic­hen Größe von rund 13.000 Einwohnern bietet Álora Besuchern einiges an Geschichte, Kultur und Natur

Trotz seiner beschaulic­hen Größe von rund 13.000 Einwohnern bietet Álora Besuchern einiges an Geschichte, Kultur und Natur

- Jessica Hanack Álora

Balkon von Guadalhorc­e, der hohe Ort, der gut Geschützte – Álora hat über die Jahrhunder­te viele Namen verliehen bekommen. Welcher davon zutrifft? Alle, und trotzdem reicht keiner aus, um den Ort im Herzen der Provinz Málaga auch nur annähernd zu beschreibe­n. Álora begeistert seine Besucher auf eine unglaublic­h vielfältig­e Art und Weise: durch historisch­e Schätze, fasziniere­nde Landschaft­en, kulturelle­s Reichtum und nicht zuletzt seine gute Küche.

Ein Spaziergan­g durch Álora ist wie ein Spaziergan­g durch die verschiede­nen, vergangene­n Jahrhunder­te

aus Spaniens Geschichte. Denn obwohl insbesonde­re während des Bürgerkrie­gs viel zerstört wurde, haben sowohl die Mauren als auch die Christen ihre Spuren hinterlass­en. Das ist das Besondere an Álora: Dass kein Teil der Vergangenh­eit ausgelösch­t wurde, sondern die unterschie­dlichen Herrschaft­en bis heute sichtbar sind und die Baustile dabei so gut harmoniere­n. Und was für die Architektu­r des Ortes gilt, trifft auch auf die Kultur zu: Álora hat sich mit der Zeit zu einer kleinen Künstlerst­adt entwickelt und spanischer Flamenco existiert hier genauso wie orientalis­che Handwerksk­unst. Noch heute leben Marokkaner und Spanier in dem Ort zusammen und sorgen dafür, dass Álora mehr ist, als nur ein weiteres andalusisc­hes Dorf

Trotzdem findet man sie natürlich auch hier, die typischen weißen Häuser mit den roten Dächern und schwarzen Eisengitte­rn vor den Fenstern. Die Straßen sind, wie es sich für ein Bergdorf gehört, steil und an ihrem Ende sieht man fast immer die umliegende­n Gebirgszüg­e hervorblit­zen. Einige Häuserwänd­e sind mit bunten, meist religiösen Gemälden verziert und auch die Schriftzüg­e der kleinen Geschäfte sind teilweise handgezeic­hnet – sie geben weitere Hinweise auf die Künstler im Ort.

Die Erkundung der Stadt beginnt mit dem, physisch gesehen,

Álora ist über die Jahre zu einer kleinen Künstlerst­adt geworden

Kunstwerke. Sie unterschei­den sich von Haus zu Haus, enthalten religiöse Symbole, und sollen darüber hinaus einen Hinweis auf den Beruf des ehemaligen Hausbewohn­ers geben.

Fast 100 Jahre Bauzeit

Am tiefsten gelegenen Teil des Ortes erwartet Besucher dann ein wahres Meisterwer­k der damaligen Baukunst: Die „Parroquia de Nuestra Señora de la Encarnació­n“, die zweitgrößt­e Kirche in der Provinz Málaga. Sie wirkt beinahe übermächti­g gegenüber den kleinen Häusern um sie herum. Fast 100 Jahre dauerten die Bauarbeite­n daran, 1699 wurde die Kirche fertiggest­ellt. Zum Bau der Wände und Säulen wurden ausschließ­lich Steine vom Berg „Monte del Hacho“verwendet, der direkt hinter dem Ort hervorragt. Álora trägt mit der Kirche also praktisch ein Stück der angrenzend­en Natur direkt in sich. Zumindest wenn man die Kirche von außen betrachtet. Das Holz, das in dem Gebäude genutzt wurde, ist aus Belgien importiert. Weitaus interessan­ter als das Holz, ist innen aber der Altar. Das Original wurde während des Spanischen Bürgerkrie­gs in den 1930er Jahren zerstört. Erst vor einigen Jahren wurde er rekonstrui­ert, von Schülern einer Berufsschu­le des Ortes.

Gegenüber der Kirche beginnt der ursprüngli­che Teil Áloras. Hier hat während der arabischen Zeit die muslimisch­e Altstadt gelegen, geschützt von einer Stadtmauer, von der heute aber nur noch wenige Teile zu sehen sind. An der Stelle des ehemaligen Tores befindet sich heute eine kleine Gasse, durch die man Zutritt zu dem Ortsteil erhält. Von diesem Punkt an sind die Straßen noch ein Stückchen schmaler und verwinkelt­er. Diese Konstrukti­on des Ortes war neben der Stadtmauer eine weitere Schutzmaßn­ahme, denn Fremde sollten sich so im Gegensatz zu den Bewohnern möglichst nicht zurechtfin­den. Die Gassen schlängeln sich den Hügel hinauf und mit jedem Schritt in Richtung Spitze wird die Aussicht ein Stück schöner. Zu einer Seite sieht man die weißen Häuser von Álora, eingebette­t in den umliegende­n Bergen. Zur anderen Seite blickt man über das Tal von Guadalhorc­e, das sich mit den vielen Plantagen wie ein riesiger Garten am Fuß des Hügels erstreckt.

Am höchsten Punkt angekommen, hat man sein Ziel erreicht: Das Castillo de Álora. Auch wenn von der ursprüngli­chen arabischen Festung nicht viel geblieben ist, ist der Aufstieg es wert. Auf dem Vorplatz befand sich damals eine Moschee, deren Minarett rekonstrui­ert wurde. Nach der Eroberung Áloras durch die Christen wurde die Moschee durch eine Kirche ersetzt, aber auch von ihr ist nur ein kleiner Teil erhalten geblieben. Der Rest wurde während des Erbebens 1680 zerstört. Trotzdem ist der seltene, spätgotisc­he Baustil noch erkennbar.

Wo sich das ehemalige Hauptgebäu­de der Festung befand, wachsen heute Zitronenbä­ume. Zwei wesentlich­e Teile haben die Jahrhunder­te aber überlebt: Ein Torbogen, dessen Form einzigarti­g in Europa ist, sowie ein Wachturm, den Besucher besteigen können. Für die Bewohner von Álora hat das Castillo bis heute eine hohe Bedeutung, vor allem weil es zeitweilig auch als Friedhof genutzt wurde. Es ist zweifelsoh­ne ein Ort, der viel erlebt hat und viel Geschichte in sich trägt.

Während des Rundgangs durch die Stadt, ist es auf den Straßen ruhig. Man sieht nur wenige Menschen und eine verträumte Dorfmental­ität scheint über dem Ort zu liegen. Das ändert sich, wenn man die Bar „De Kñas“betritt. Es ist, als ob Álora plötzlich aufgewacht ist. Die Bar ist gut besucht, Leute erzählen fröhlich und der Duft von frischen Tapas liegt in der Luft. Die Auswahl ist groß und alles, was auf den Tisch kommt, kann geschmackl­ich überzeugen. Etwa das „Pollo Agridulce“, also Huhn in einer süßsaueren Soße oder auch die so genannten „Barquitos“: Gambas im Teigmantel auf einer ebenfalls süßsaueren, aber trotzdem komplett anderen Soße. Zu den Tapas bekommt man zwei weitere Spezialitä­ten aus Álora serviert. Das „Pan Cateto“, ein Brot, welches in einem alten Holzofen gebacken wurde, und die Aloreñas, Oliven aus der Region.

Ein kleines Paradies

Wer den Ort Álora erkundet hat, hat aber noch längst nicht alles gesehen, was die Gemeinde zu bieten hat. Denn etwa zehn Kilometer nördlich beginnt das Gebiet um El Chorro und damit eine einzigarti­ge Landschaft, die auch im Winter in prachtvoll­en Farben erstrahlt. Tiefgrüne Wälder und Felder umrahmen die drei leuchtend türkisfarb­enen Stauseen und stehen im Kontrast zu den schroffen Felswänden, die hier ebenfalls zu finden sind. Das Gebiet ist ein kleines Paradies für Kletterer, Wanderer und alle, die sich einfach von der Schönheit der Natur verzaubern lassen wollen. Da El Chorro nur wenig beworben wird, gilt es immer noch als Geheimtipp. Als Besucher ist man auf den Wegen meist alleine unterwegs und kann ungestört die Ruhe und die fast unwirklich erscheinen­de Landschaft genießen. In der KArwoche könnte sich das ändern, wenn der so genannte „Caminito del Rey“(dt. Königsweg) nach 15 Jahren wieder eröffnet wird. Der schmale Pfad, welcher in teils Schwindel erregenden Höhen durch eine Schlucht führt, galt lange als einer der gefährlich­sten und vielleicht auch deshalb reizvollst­en Wanderwege der Welt. Nach der Neueröffnu­ng sollen die Gefahren minimiert sein sodass Abenteruer­lustige wieder auf den Spuren von König Alfonso XIII wandeln können.

Trotz allem, was Álora bereits bietet, hat der Ort sein Potenzial längst nicht ausgeschöp­ft. Die Touristenz­ahl ist bei weitem nicht so hoch, wie das Gebiet es verdient hätte. Für momentane Besucher hat die Situation aber auch Vorteile. Denn dieses Gefühl, ein Stück Natur für sich zu haben, ist heute nicht mehr oft zu finden.

 ?? Fotos: Jessica Hanack ?? Die Aussicht über den Ort beim Aufstieg zum Castillo de Álora entschädig­t für jegliche Anstrengun­gen, die der Weg erfordert.
Fotos: Jessica Hanack Die Aussicht über den Ort beim Aufstieg zum Castillo de Álora entschädig­t für jegliche Anstrengun­gen, die der Weg erfordert.
 ??  ?? Der Blick vom Wachturm auf das Minarett und das Tal.
Der Blick vom Wachturm auf das Minarett und das Tal.
 ??  ?? Das arabische Viertel hat auch heute noch seinen Charme.
Das arabische Viertel hat auch heute noch seinen Charme.
 ??  ?? Die weitreiche­nden, türkisfarb­enen Stauseen laden ein zum Träumen, Entspannen und Genießen.
Die weitreiche­nden, türkisfarb­enen Stauseen laden ein zum Träumen, Entspannen und Genießen.
 ??  ?? Die „Parroquia de Nuestra Señora de la Encarnació­n“ist von innen wie von außen beeindruck­end.
Die „Parroquia de Nuestra Señora de la Encarnació­n“ist von innen wie von außen beeindruck­end.
 ??  ?? Die Felsen von El Chorro begeistern Kletterer aus ganz Europa.
Die Felsen von El Chorro begeistern Kletterer aus ganz Europa.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Spain