Teuer, wenn es kalt wird: Horrender Strompreis während Kältewelle sorgt erneut für politischen Zündstoff
Filomena bedingt Preisexplosion – Hohe Nachfrage und teure Produktion
Madrid – tl. Das Schnee-Tief „Filomena“hat nicht nur die Hauptstadt Madrid ins Chaos gestürzt, sondern auch das politische Madrid durcheinander gewirbelt. Der Grund: Wegen der Kältewelle ist der Strompreis in die Höhe geschnellt und hat fast die Rekordhöhe von vor 20 Jahren erreicht. Die Regierung bezeichnete die Entwicklung als eine lediglich „punktuelle Preiserhöhung“. Die Opposition wiederum warf der Regierung Nichtstun und doppelte Moral vor. Unter Volkspartei-Regierungen, so der Vorwurf, hätten die Sozialisten in ähnlichen Situationen schließlich stets den Schutz der Bevölkerung vor Energie-Armut gefordert. Seit Jahrzehnten also stets die gleiche Diskussion, wenn der Strompreis Sprünge macht.
Wie auch immer: Fakt ist, dass der Strompreis auf dem Großmarkt am Freitag auf 94,99 Euro für die Megawattstunde gestiegen ist, nur am 11. Januar 2002 war ein noch höherer Preis erreicht worden. Bei der Preisbildung an der Strombörse stellen die Kraftwerksbetreiber das Angebot. Der Preis, zu dem die Erzeuger ihren Strom anbieten, ermittelt sich anhand der Kosten, die in einem Kraftwerk für die Stromproduktion entstehen.
Nun aber kam es wegen der Kältewelle in der vergangenen
Woche zu einer stärkeren Nachfrage. Gleichzeitig konnten die günstigen Erneuerbaren Energien nicht in gewohntem Maße zur Stromproduktion beitragen. Gaskraftwerke mussten die Versorgungslücke schließen. Doch Erdgas ist weltweit derzeit ziemlich teuer.
Allerdings schlägt sich die Preiserhöhung auf dem Großmarkt nicht 1:1 auf die Stromrechnung der Verbraucher nieder. Die Stromproduktion macht deutlich weniger als 50 Prozent auf der Rechnung aus. Nähme man die ersten acht Tage des neuen Jahres, so die Zeitung „El País“, würde sich die Rechnung für einen durchschnittlichen Stromkunden – mit einer Anschlussleistung von 4,4 Kilowatt und einem Monatsverbrauch von 250 Kilowattstunden – um 28,4 Prozent erhöhen.
Was allerdings nur ein momentanes Bild darstellt. Wie hoch die Rechnung für Januar tatsächlich ausfällt, hängt von der weiteren Entwicklung des Wertes ab sowie des Einsatzes von Erneuerbaren Energien zur Stromproduktion. Die Opposition verlangte von der
Regierung, „dass sie angesichts des Tarif-Wildwuchses, der sich jedes Mal in einer Kältewelle auf dem Strommarkt entwickelt, nicht länger zur Seite schaut und endlich regulatorische Maßnahmen ergreift, um diese Spekulation künftig zu unterbinden“.
Verbraucherminister Alberto Garzón nahm den Appell dankbar auf: So forderte er die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) zur Untersuchung auf, „ob es auf dem Strommarkt zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist“. Gleichzeitig kündigte der Minister an, dass die Regierung „definitive Lösungen für einen regulierten Tarif finden wird, um besonders einkommensschwache Familien zu schützen“. Allerdings übersieht Garzón, dass es einen regulierten Tarif längst gibt und für einkommensschwache Familien einen „Sozialbonus“, der eine erhebliche Reduzierung der Stromrechnung bedeutet.
Das Ministerium für energetischen Übergang wiederum betonte, dass die aktuelle Preiserhöhung ausschließlich auf „konjunkturelle Faktoren“zurückzuführen sei, besonders auf den hohen Erdgaspreis. Eine ähnliche Entwicklung habe sich auch auf anderen europäischen Strommärkten abgespielt. Für Entspannung will Ministerin
Teresa Ribera aber mit einer teilweisen Freigabe der nationalen Erdgas-Reserve sorgen. Zudem verwies ihr Ministerium darauf, dass der Strompreis 2020 um 24 Prozent unter dem Preis von 2019 gelegen habe. Was dem normalen Stromkunden eine jährliche Ersparnis von 118,7 Euro gebracht habe. Allerdings: Die rückläufige Strompreis-Entwicklung 2020 ist vor allem auf die Corona-Pandemie und die dadurch bedingte geringere Nachfrage zurückzuführen.
Regierung führt Preiserhöhung auf hohen Erdgaspreis zurück
Hohe Nachfrage wegen Kälte
Auch die Präsidentin des Stromnetzbetreibers Red Eléctrica, die frühere PSOE-Ministerin Beatriz Corredor, führt die Preiserhöhung keineswegs auf Unregelmäßigkeiten zurück. Vielmehr seien die hohe Nachfrage wegen der Kältewelle, die schwache Produktion der Erneuerbaren Energien sowie der international hohe Gaspreis als Gründe zu nennen. „Auch wenn es eine außergewöhnliche Situation ist“, so Corredor, „so handelt es sich doch nicht um einen historisch hohen Strompreis. Auch ist er weit entfernt vom gesetzlichen Grenzwert auf dem Iberischen Strommarkt oder den historischen Höchstwerten bei unseren Nachbarn, die keine gesetzliche Preisgrenze nach oben haben.“