Kultur/Freizeit Benidorm als Filmkulisse: Isabel Coixet bietet eine Hommage an Sylvia Plath und eine einzigartige Stadt
Drama „It snows in Benidorm“im Kino – Isabel Coixet mit einer Hommage an Sylvia Plath und eine einzigartige Stadt
Benidorm – fin. Unzählige Hochhäuser neben der wild-romantischen Natur der Sierra Helada, Alkoholleichen neben einem Rentner-Chor, Neonlicht über Elektro-Rollstühlen, leere Straßen bei Tag, kaum ein Durchkommen bei Nacht: Benidorm ist einzigartig und Benidorm steckt so voller Kontraste wie kaum eine andere Stadt in Spanien. Eine Stadt, die auf Briten eine ebenso große Anziehungskraft auswirkt wie auf spanische Senioren, in die Basken vor dem ETA-Terror genauso flohen wie homosexuelle Paare auf der Suche nach einem ungestörten Urlaub. Und eine Stadt, die schon immer auch Filmemacher faszinierte – Drehorte gibt es zweifelsohne mehr als genug.
Vom Banker zum Detektiv
In die Liste der Regisseure, die Benidorm für sich entdeckten, hat sich nun auch Isabel Coixet eingereiht. „It snows in Benidorm“(Nieva en Benidorm) heißt das britisch-spanische Drama der Katalanin, das im Dezember in allen gängigen Kinos angelaufen ist. Die mehrfache Goya-Preisträgerin Coixet schickt nach Streifen wie „Der Buchladen der Florence Green“oder „Mein Leben ohne mich“dieses Mal einen männlichen Protagonisten ins Rennen. Peter Riordan, gespielt von Timothy Spall, ist Einzelgänger, manisch, Wetterphänomene sind seine Obsession. Als seine Bank in Manchester ihm kündigt, stürzt er sich zum ersten Mal in seinem Leben in ein Abenteuer – für seine Verhältnisse. Der Banker reist nach Benidorm, um seinen Bruder Daniel zu besuchen, den er seit Jahren nicht gesehen hat.
Vor Ort stellt er fest, dass sein Bruder nicht nur eine BurlesqueBar in Benidorm betrieb, sondern auch verschwunden ist. Eine der Frauen aus dem Club, die mysteriöse Alex, gespielt von Sarita Choudhury, macht sich mit Peter auf die Suche nach dessen Bruder. Helfen sollen ihnen dabei ein Fleischer, eine Putzfrau und eine Polizistin, die besessen ist von Sylvia
Plath und dem Aufenthalt der amerikanischen Poetin in Benidorm.
Tatsächlich verbrachte Plath 1956 ihre Flitterwochen in Benidorm, und Coixet widmet der Schriftstellerin eine kleine Hommage. Ebenso wie Benidorm seine Hommage bekommt – Coixet filmt die Stadt mit Humor, ohne sich über sie lustig zu machen, hält trotz der offensichtlichen Hässlichkeit der Häuserschluchten auch die versteckte Schönheit fest, die sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Und wenn es in Benidorm schneit, ist sowieso alles möglich.
Coixet erzählt die Geschichte von Peter und Alex, die selbst so kontrastreich sind, dass sie sich nie über den Weg gelaufen wären, wenn nicht in Benidorm. Und sie erzählt die Geschichte eines Mannes, der erst nach Benidorm reisen musste, um sich selbst zu finden.
„Wir sind erst dann jemand, wenn uns jemand anschaut, oder besser gesagt, uns sieht. Genau das hat mich so an dem Film gereizt: Die Möglichkeit einer zweiten und dritten Chance, wenn du glaubst, dass du niemals auch nur eine erste Chance gehabt hast“, meinte Timothy Spall in einem Interview mit „El País Semanal“.
Übrigens schrieb Sylvia Plath 1956 in einem Brief an ihre Mutter: „Nach einer Stunde Fahrt im Bus durch wüstenartige Berge mit roter Erde, Olivenplantagen und Büschen, alles so typisch, sah ich das funkelnd blaue Meer, die saubere Kurve der Strände, die unberührten Häuser und Straßen – all das mit einer kleinen und glänzenden Stadt wie aus dem Märchen.“Ein Benidorm, das es heute so nicht mehr gibt. Das dem von Sylvia Plath aber vielleicht jetzt, mitten in der Pandemie, am nächsten kommt. Ganz ohne Junggesellenabschiede oder singenden Rentner. Ein Benidorm, das ohne all die Kontraste, die Coixet auf die Leinwand bringt, gar nicht Benidorm ist.
„Wir sind erst dann jemand, wenn uns jemand sieht“