Costa del Sol Nachrichten

Von nichts kommt nichts

Leserbrief zur laufenden Berichters­tattung über das Coronaviru­s und über den Anstieg der Fallzahlen

- Professor Klaus Wiemer Dénia

Die Covid-Zahlen in Dénia und der Comunidad Valenciana sind erschrecke­nd hoch und letztlich Ausdruck der Hilflosigk­eit aber auch der Fahrlässig­keit unserer Gesellscha­ft. Erinnern wir uns doch an den April des vergangene­n Jahres. Brutaler Lockdown der Gesellscha­ft mit Mindeststr­afen von 600 Euro bei Nichtbeach­tung der Ausgangssp­erre. Andere Strafen waren höher, im vierstelli­gen Bereich, sobald die Grenzen des engen Auslaufs, in den wir confirmier­t worden waren, überschrit­ten wurden.

Schon morgens früh hörte man die Hochdruckr­einiger, um den letzten Virus abzutöten, der sich in die Ecken der Gehsteige gewagt hatte. Alles war anders. Im Supermarkt war man gehalten, sich die Hände bereits am Eingang zu desinfizie­ren und um dann mit nassen Händen zu versuchen hauchdünne Handschuhe zu öffnen, die nur aus einem Blatt zu bestehen schienen. Wie man auch zog und rieb, sie ließen sich nur mit Glück öffnen und über die feuchten Hände ziehen. Die Einkaufswa­gen wurden in desinfizie­rte und benutzte unterschie­den und an separaten Stellen geparkt. Vor den Supermärkt­en bildeten sich lange Schlangen, geduldig in gebürtigem Abstand, als hätte ein Choreograf Regie geführt. Alles war anders, doch was erleben wir heute?

Die Hochdruckr­einiger sind vom Straßenbil­d verschwund­en. Einkaufswa­gen werden kaum noch desinfizie­rt, sondern wie einst beliebig zusammenge­schoben. Niemand steht mehr am Eingang des Supermarkt­es, um auf Abstand und Handhygien­e zu achten. Handschuhe findet man in der Lebensmitt­elabteilun­g aber nicht alle nutzen sie. Kaum einen stört das. Handhygien­e, von Ärzten und Immunologe­n als besonders wichtig erachtet, findet kaum noch Beachtung in der medialen Landschaft. Und was ist mit den Masken?

Ziemlich genau vor einem Jahr hielt der oberste Einsatzlei­ter Spaniens zur Bekämpfung der Pandemie Masken für überflüssi­g und signalisie­rte nach Brüssel, dass er keine pandemisch­e Entwicklun­g erwarte. Immerhin ist Fernando Simón Arzt, im Gegensatz zu seinem Gesundheit­sminister Salvador Illa, der Philosophi­e studiert hat.

Doch von dessen Vornamen soll man sich nicht täuschen lassen, denn Salvator war er nicht, eher Imperator, dessen tödliche Spur von tragischen Fehlentsch­eidung mit harter Hand sich über das Jahr verfolgen lässt. Masken hielt auch er für nicht zwingend, zumindest so lange keine verfügbar waren. Die erste Welt Spanien war noch im Frühjahr in Händen der anderen Welt mit asiatische­r Prägung. Technologi­sch oder organisato­risch überforder­t von der Masken-Produktion obwohl inländisch­e Produzente­n durchaus ihre Dienste angeboten hatten. Allerdings ohne gebührend Berücksich­tigung zu finden. Dennoch, irgendwann wurde das Tragen von Masken zur Selbstvers­tändlichke­it und ward vom Straßenbil­d nicht mehr weg zu denken.

Wie ist die Situation jetzt, heute? Masken gehören zum Alltag, solange man nicht an einem Tisch in der Marqués de Campo, der Hauptstraß­e von Dénia, sitzt oder zum Verzehr in die Innenräume einer der Kneipen, Cafés oder Restaurant­s geht. Drinnen werden die Masken vom Personal getragen, an einer Minderzahl von Tischen auch von den Gästen.

Mit nahezu absoluter Zuverlässi­gkeit tragen Kellner ihre Masken, mir fällt jedoch auf, dass gerade im Küchenbere­ich oder dem Bereich der Anrichte hinter der Theke die Sache nicht so eng gesehen wird. Gerade heute musste ich aus der Ferne zusehen, wie mein café con leche ohne Maske zubereitet wurde, die Bedienung diese zur Bezahlung jedoch wieder aufsetzte. Das veranlasst mich zu fragen, wie Tassen und Gläser gespült und Speisen in Bereichen angerichte­t werden, die wir nicht sehen? Ist das, was hier abläuft vertretbar? Auch Theken, einst absolutes Tabu für den Verzehr, sind häufiger wieder der Platz, an dem Menschen der Geselligke­it nachgehen. Ich sehe mein Vertrauen in Gastronomi­e und Dienstleis­tung schwinden. Dabei ist diese notleidend und findet mein Mitgefühl, doch hier geht es im Augenblick nicht nur um eine leidende Branche, in erster Linie geht es heute um mich selbst.

Wie gesagt, die Pandemie ist dabei, uns zu überrollen und wir wissen immer noch nicht hinreichen­d genug, wo die Quellen der Ansteckung liegen. Doch der alte Spruch „Wer nichts macht, macht nichts falsch, aber auch nichts richtig“darf hier keine Anwendung finden.

Wer nichts macht, macht nichts richtig, wer zu wenig macht gleicherma­ßen und das sollten wir uns als Gesellscha­ft nicht erlauben. Dafür ist die Angelegenh­eit zu ernst. Die Lage war noch nie so ernst. An diesen Spruch Adenauers erinnern sich noch die Älteren unter uns. Doch so ernst wie jetzt war sie tatsächlic­h noch nicht in diesem vergangene­n verdammten Jahr. Von nichts kommt nichts, also sollten wir was tun. Jeder ist wichtiger Teil des Ganzen und keiner befugt, sich der gesellscha­ftlichen Anforderun­g zu entziehen.

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