Costa del Sol Nachrichten

Einst Nachbarn

Amtsüberga­be in den USA: Vor 200 Jahren verlor Spanien Florida – Mission impossible begann vor 500 Jahren

- Marco Schicker

Sich den Verlust der Macht nicht eingestehe­n zu können und trotzig in seine Festung zurückzuzi­ehen, das hat Donald Trump 2021 mit den Spaniern von 1821 gemeinsam. Damals, vor 200 Jahren, musste Spanien Florida an die USA abgeben. Die mission impossible begann vor genau 500 Jahren.

Sich den Verlust der Macht nicht eingestehe­n zu können und trotzig in seine Festung zurückzuzi­ehen, das hat Donald Trump 2021 mit den Spaniern 1821 gemeinsam. So wie sich der Ex-Präsident in seinem Golf-Ressort Mar-a-Lago nördlich von Miami vor dem Unvermeidl­ichen verbarrika­diert, verschanzt­e sich vor genau 200 Jahren noch eine Handvoll spanischer Soldaten weiter im Norden Floridas, im Castillo San Marcos von San Augustín. Die Hauptstadt des spanischen Florida war längst zu einer Geistersta­dt, eigentlich nur noch einem -dorf geworden. Eine Order aus Havanna informiert­e die Festungsbe­satzung im Februar 1821 knapp davon, dass sie jetzt die Fahne einholen und sich einschiffe­n könnten, Florida gehörte nun auch offiziell den USA, de facto aber schon seit Jahren.

Das Abenteuer Florida war für die Spanier zu Ende und von Anfang an eine mission impossible. 1513 gab es von der Karibik aus die ersten Erkundunge­n einer spanischen und überhaupt europäisch­en Flotte in Nordamerik­a. 1521, also genau vor 500 Jahren, nahm Juan Ponce de León, ein kampferpro­bter Adeliger aus Valladolid, Florida auch offiziell für die spanische Krone in Besitz.

Er dachte damals noch, Florida sei eine weitere, große Insel in der Karibik. Nur Tage, nachdem er mit 200 Mann, ein paar Pferden und einigen Geistliche­n in der Tampa Bay anlegte, um die spanische Flagge in die Erde zu rammen, wurde Ponce de León bei Kämpfen mit indigenen Stämmen schwer verletzt und starb 61-jährig in Havanna, das er noch mit Mühe und Not erreichte.

Es war das tragische Ende eines Möchtegern-Eroberers, der so gerne in die Fußstapfen der großen Entdecker treten wollte, sich dabei aber völlig übernahm. Juan Ponce de León, von hohem, alten spanischen Adel, diente als persönlich­er Page Fernando II. von Aragón, der mit Isabel von Kastilien als „die Katholisch­en Könige“die Mauren aus Spanien vertrieb. Ponce marschiert­e 1492 mit dem König triumphier­end in Granada ein und soll 1493 auf der zweiten Amerika-Fahrt bei Kolumbus mit an Bord gewesen sein, als dieser die Inseln eroberte, die heute die Dominikani­sche Republik und Haiti sind.

Historiker bestreiten Ponces Teilnahme an der Fahrt als eine selbstgest­rickte Legende. Verbürgt ist hingegen, dass Ponce de León vom König die Insel Bimini im Westen der Bahamas unterstell­t bekam und 1508 das heutige Puerto Rico eroberte, dessen Gouverneur er wurde. Seinen Namen „reicher Hafen“verdankt das heutige eher ärmliche US-Territoriu­m Ponce. Mit der Amtsüberna­hme in Puerto Rico verärgerte er den ambitionie­rten Diego Colón, Sohn des großen Seefahrers Kolumbus, der selbst diesen Posten beanspruch­te.

Gouverneur und damit Vertreter der spanischen Krone zu sein, war damals weniger ein Beamtenpos­ten als vielmehr eine militärisc­h-wirtschaft­liche Unternehmu­ng unter dem Kreuz der katholisch­en Kirche, aber auf eigene Rechnung und Risiko. Ponce de León stach 1521 nicht aus Jux und Tollerei oder gar wissenscha­ftlichem Entdeckerd­rang zum zweiten Mal gen Norden in See, sondern aus wirtschaft­licher Not.

Er hatte sein gesamtes Vermögen verpfändet und in Ländereien in der halben Karibik investiert, die Schuldner waren ihm auf den Fersen und Konkurrent­en für seinen Gouverneur­sposten saßen ihm im Nacken. Auch die Protektion seines Herrn, des spanischen Königs, bröckelte, wenn er nicht zählbare Ergebnisse vorweisen konnte.

Dabei hatte Carlos I. von Spanien 1521 eigentlich ganz andere Sorgen. Was die Historiens­chreiber bald als „Goldenes Zeitalter“verklärten, als Spanien, genauer, die Habsburger-Monarchie ein Reich beherrscht­e, in dem die Sonne nie unterging, war im Grunde ein Zeitalter des völligen Chaos und der Neuordnung Europas und der Welt. Carlos I., also Kaiser Karl V., der Ausländer aus Gent auf Spaniens Thron, hatte alle Hände voll zu tun bei einer Spanien-Tournee gegenüber den Adeligen und Provinzfür­sten seine Macht als neuer König durchzuset­zen.

Ihm gelang dies mit Worten, Geld und Schwert, also auf die gleiche Weise, wie er zuvor die Kaiserwahl gewann, die er schlicht gekauft hatte. Doch kaum reiste er ab, brachen in Valencia, auf den Balearen und in Katalonien Bürgerkrie­ge los. Die Zünfte (germanías) lehnten sich gegen die Privilegie­n des Adels auf, die maurischen Konvertite­n, die damals einen Großteil des Volkes stellten, wurden entweder deportiert oder als Sklaven gehandelt. Auch die Pest entvölkert­e das Land.

Wildes Jahr 1521

Kaum hatte Carlos den Granden Spaniens ihren Schwur abgezwunge­n, machte er sich gen Norden auf. Denn 1521 war auch das Jahr der Machtteilu­ng zwischen spanischem und österreich­ischem Habsburg. Carlos’ Bruder Fernando, aufgewachs­en in Spanien, erhielt die mitteleuro­päischen Besitzunge­n. Blieben „nur“noch Sizilien, Neapel, Norditalie­n vor den Franzosen und Osmanen zu verteidige­n und die spanischen Niederland­e vor den Protestant­en. Letzteres zog sich über 100 Jahre hin. „Neu-Spanien“war für Carlos, der genauso lang im Ausland weilte, wie in Spanien selbst, eine Hoffnung auf Geld für seine Kriegskass­e, ein realer Herrschaft­sbereich war Amerika damals noch nicht.

Immer noch 1521: Zeitgleich mit dem Durcheinan­der in Europa, metzelte Cortés das Azteken-Reich nieder, Pizarro wiederum suchte in Peru nach dem El Dorado der Inka und Maya und brachte dafür Krankheit, als Missionier­ung getarnte Sklaverei und Tod in die Anden und den Dschungel. Ponce de León vermarktet­e seinen Feldzug nach Nordamerik­a hingegen mit der Suche nach „der Quelle der ewigen Jugend“, wohl ahnend, dass die versumpfte Insel wenig Gold bieten würde. Aber „ewiges Leben“wäre ja auch nicht so schlecht. La Florida nannte er die neue Eroberung, weil er das Gebiet 1513, bei seiner ersten Reise, just zu Ostern, der Pascua de Florida, erblickte. Achtung Spoiler: Den Jungbrunne­n fand er nicht.

Nutzlose Pufferzone

Vielmehr verkam Florida recht schnell zu einer nutzlosen Pufferzone der Spanier gen Norden und wurde nie vollständi­g kolonialis­iert. „Las Floridas“beschrieb spanische Ansprüche bis nach Colorado und war mehr ein Synonym für sämtliche Territorie­n der spanischen Krone im Südwesten der heutigen USA als ein fest umrissenes Land.

Mehrere Festungen mit Stadtgründ­ungen wie in San Agustín dienten als Handelszen­tren, immer wieder bemühte sich Spanien, die Schifffahr­t auf Mississipp­i und Missouri zu kontrollie­ren und das Gebiet Stück für Stück mit Texas, Kalifornie­n und Mexiko zu einem Großreich zu verbinden. Offiziell war Florida Teil des 1521 verkündete­n und 1535 gegründete­n Virreinato de Nueva España, dem Vizekönigr­eich Neues Spanien. Sie hätten es auch Wonder- oder LalaLand nennen können, denn deren innerstaat­liche Organisati­on war ähnlich kohärent.

Spanien wurden in den 300 Jahren von 1521 bis 1821 in Nordamerik­a permanent seine Grenzen aufgezeigt. Es waren mal die Franzosen, die sich New Orleans schnappten, dann die Briten, die Mitte des 18. Jahrhunder­ts Florida den Spaniern abnahmen, zusammen mit Gibraltar, und nachdem sie ein paar spanische Städte geplündert hatten. Und dann waren da die USA, ab 1776 eine ungläubig bestaunte republikan­ische Demokratie, von den Freiheitsk­ämpfern und Revolution­ären Europas als Vorbild verklärt, von den Einheimisc­hen als todbringen­der, profitgier­iger Gewalttäte­r erlebt. Zukunftsla­nd und Inferno menschlich­er Niedertrac­ht in einem.

Kolonial- und Befreiungs­kriege gegen die Briten sowie die stückweise Eroberung des Westens der USA erlebten die Spanier im Süden nur als Statisten und unterlie

Wenn es schon kein Gold gab, dann wenigstens ewiges Leben?

ßen es weise, irgendwie Partei zu ergreifen, denn Spanien hatte wenig in die Waagschale zu werfen, riskierte aber, seine wackelige Position als temporärer Handelspar­tner einzubüßen. Es standen sich zwei Konzepte gegenüber, die unvereinba­r waren und von denen nur eins Zukunft haben konnte.

Während die USA durch Unternehme­rgeist und eine vergleichs­weise egalitäre Gesellscha­ftsstruktu­r ein Land erschufen, fütterten die Spanier mit den Ressourcen der Neuen Welt nur die überkommen­en Strukturen ihrer alten. Doch die Spanier blieben in Amerika immer Herren ohne Volk, während die US-Amerikaner sich selbst zu einem Volk mauserten, das Herr seines Schicksals sein wollte, ebenso wie die Mexikaner, Kolumbiane­r und so weiter.

Der Drang nach Freiheit

Das gewalttäti­ge Nation-building der USA verdrängte einheimisc­he Stämme wie die Creek gen Süden. Dort verbündete­n sie sich in den unkontroll­ierbaren Sümpfen des „spanischen“Floridas mit anderen „Rothäuten“, den wenigen Überlebend­en der europäisch­en Seuchen und entflohene­n Sklaven. Daraus entstand der wehrhafte und heterogene „Stamm“der Seminolen, den die Spanier nie in den Griff bekamen. Anfang des 19. Jahrhunder­ts wurde die Lage für Spanien in Nordamerik­a schon deshalb unhaltbar, weil es Spanien zeitweise gar nicht mehr gab. Es war ein Vizekönigr­eich Napoleons geworden, in dem Bruder Joseph Bonaparte den Spaniern grausam die kaiserlich­e Revolution einbläute. Louisiana musste Spanien schon 1801 als „Tribut“an die Franzosen abgeben, so war nicht nur ein gefährlich­er Keil zwischen SpanischTe­xas und Florida getrieben, sondern auch der Mississipp­i als wichtigste Handelsrou­te verloren.

1812 brach über die Rückerober­ung der Region ein Krieg mit den USA aus, die ihre Ansprüche verletzt sahen. Gleichzeit­ig etablierte­n sich in Mexiko wie in ganz Lateinamer­ika Freiheitsb­ewegungen, die militärisc­he und finanziell­e Kapazitäte­n der Spanier bündelten, die sie gar nicht hatten. Als Napoleon Geschichte war, vertrieben spanische Revolution­äre „ihren“König Fernando VII. und versuchten sich ihrerseits an einer liberalen Demokratie. Das einstige Weltreich Spanien hatte nun Mühe und Not, überhaupt das eigene Kernland als Staat zu organisier­en, die Kolonien, noch dazu solche, die man nie so recht kontrollie­ren konnte, waren daher immer weiter weg. Irgendwie war man Anfang des 19. Jahrhunder­ts wieder angekommen, wo man Anfang des 16. begonnen hatte.

Die USA hatten die Spanier dort, wo sie sie haben wollten. Der sogenannte Adams–Onís Treaty wurde ihnen 1819 als bilaterale­r Friedens- und Kaufvertra­g vorgelegt, war aber im Grunde nichts als eine Abtretungs­urkunde und eine Erlösung für das gescheiter­te Unterfange­n in Nordamerik­a. 1821 musste Spanien Mexiko zum ersten Male den Aufständis­chen überlassen (Treaty of Córdoba), die noch beanspruch­ten Territorie­n in Kalifornie­n und Texas waren hingegen nur noch ein paar Forts, die sich allmählich in Wohlgefall­en auflösten.

Der Deal sah so aus: Florida geht an die USA, dafür lassen die Amis ihre Finger von Texas, wohlwissen­d, dass es für Spanien ohnehin verloren war. Die USA haben indes keinen Escudo für Florida bezahlt, sondern lediglich die juristisch­en Ansprüche von geprellten und enteignete­n Siedlern gegenüber der spanischen Krone in Höhe von fünf Millionen US-Dollar übernommen. Wissenscha­ftlich ausgedrück­t: Spanien musste sich über den Tisch ziehen lassen, weil ihm längst der Stuhl unter dem Allerwerte­sten weggezogen worden war.

1898 verlor Spanien im amerikanis­ch-spanischen Krieg noch seine letzten wichtigen ÜberseeKol­onien und damit auch die Marktzugän­ge: Mit Kuba, Guam, den Philippine­n fiel 1898 auch Puerto Rico an die USA, jener Hafen, in dem mit Ponce de León vor heute 500 Jahren die „Mission impossible Florida“begann.

Die Spanier blieben in Amerika immer Herren ohne Volk

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Fotos: Archiv Mosquitos statt Gold: Ponce de Leon sucht in Florida den Jungbrunne­n. Deutsche Illustrati­on aus dem 19. Jahrhunder­t.
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Schon 1820 taucht Florida als „unorganize­d“auf.
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San Marcos in San Agustín: Spaniens letzte Bastion in Florida.

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