Rhône-Tal oder Zentralmassiv?
20 Jahre Reiseerfahrung –Mit dem Pkw von Deutschland nach Spanien
20 Jahre Reiseerfahrung: Günther R. Schwäble berichtet über seine Reisen mit dem Pkw von Deutschland nach Spanien
Wo auch immer man mit dem Pkw oder mit dem Wohnmobil in Deutschland startet, im Süden oder im Norden, und wer zum Schutz der Reisekasse die von Blitzern gesäumten Autobahnen der Schweiz meidet, landet von Luxemburg oder von den Vogesen herkommend zwangsläufig in der Gegend von Dijon. Dieses Etappenziel hat zweifellos mehr zu bieten als nur den Champagner unter den Senfsorten dieser Welt.
Aber man kann mit diesem regionalen Spitzenprodukt schon mal die Leberkässemmeln betupfen, welche man in ausreichender Menge im Gepäck haben sollte, denn beim Verpflegungsangebot auf französischen Fernstraßen bewegen sich die Preise hauptsächlich im oberen Segment.
Nahe Dijon steht aber nun unausweichlich die Entscheidung an, ob die Reise in den Süden direkt entlang der Rhône führen soll oder erst mal in westlicher Richtung mit dem Zwischenziel Moulins. Der Weg in den Süden findet dann von dort aus seine Fortsetzung über Clermont-Ferrand ins französische Zentralmassiv.
Im Winter durchs Rhône-Tal
Um es vorweg zu nehmen: Die Route über das Zentralmassiv ist einfach grandios, kann im Winter jedoch problematisch werden – vor allem für Wohnwagengespanne – denn es geht über Pässe bis in 1.100 Meter Höhe. Sind diese Pässe wegen Schneefall gesperrt, wird das zwar bald hinter Clermont-Ferrand angezeigt, aber dann sitzt man schon in der Falle.
Auch im Rhône-Tal kann es schneien, man bleibt jedoch im Tal und der enorme Lkw-Verkehr von Calais bis Marseille hält die Autobahn zuverlässig schneefrei. Sie ist aber von Dijon bis Perpignan, kurz vor der französisch-spanischen Grenze, mautpflichtig. Außerdem wird dort die Fahrt bei Dunkelheit, wenn es regnet oder schneit, zum Dauerstress. Die mit Höchstgeschwindigkeit dahin donnernden Lkw wirbeln einen dichten Schleier von Wassernebel auf, welcher das Licht der eigenen Scheinwerfer gnadenlos reflektiert. Auch die mit Vollgas zuckenden Scheibenwischer schaffen nur für Sekundenbruchteile freie Sicht, weshalb man das Flehen der Gattin erhören und ein Hotel ansteuern sollte, was im Rhône-Tal und am Mittelmeer kein Problem ist.
Auch Tankstellen und Rastplätze gibt es genügend – und ein Pkw lässt sich immer zwischen ein paar fremde Stoßstangen quetschen. Natürlich kann man diesen Weg nach Süden auch in den gemäßigten Jahreszeiten und bei schönem Wetter nehmen. Es werden aber, hat man sich bei den Leberkässemmeln verzählt, dieselben
Schluckbeschwerden auftreten wie im Winter, ausgelöst durch die monotone Autobahn-Verpflegung namens Baguette. Dieses Leiden kuriert man am besten, indem man den Autobahn-Abzweig bei Orange, Richtung Barcelona, ignoriert
Fährt man häufiger auf eigener Achse nach Spanien, sollte man beide Routen ausprobieren.
und geradeaus in Richtung Marseille weiterfährt um in Avignon oder in Arles zu übernachten. Leute, die paar Kilometer Umweg (bei einer Gesamtstrecke von 2.500 Kilometern maximal vier Prozent) sind diese Sehenswürdigkeiten und die regionale Gastronomie immer wert!
Am nächsten Tag macht der Automobilist, mehr oder weniger dicht am Mittelmeer in Richtung der Pyrenäen entlang kutschierend, mit heftigen Fallwinden Bekanntschaft. Aus diesem Grund hat die fürsorgliche französische Verkehrsbehörde dort immer mal wieder einen Radarblitzer und Windhosen installiert, deren Tanzkünste vor allem die Piloten von Wohnwagengespannen aufmerksam betrachten sollten.
Die Überquerung der Pyrenäen ist autofreundlich ausgebaut und alsbald führt das Tanken nicht mehr in die Privatinsolvenz, denn wir befinden uns nun im vergleichsweise immer noch preiswerten Spanien. Vom Land des Brälers, des Grünkohls und der Leberkässemmeln trennen uns bereits Welten! Wir fahren auch gleich weiter, aber erst mal:
Tipps zur Sicherheit
Wie überall, gilt auch für die Urlaubsreise die Maxime, so zu fahren, dass eine Übermüdung ausgeschlossen ist. Spanien ist europäischer Spitzenreiter im Ranking der Verkehrstoten und verdankt diese
ehrgeizige Position vor allem den Landsleuten im Süden. Es wird gerast wie bekloppt, überholt auf Teufel-komm-raus und im überall präsenten Kreisverkehr geht es oft zu wie in einer Waschmaschinentrommel. Also ist defensives Fahren mehr als dringend anzuraten!
Neben der Gefahr im Straßenverkehr lauert jedoch im Süden Frankreichs und überall in Spanien die von Autobahnbanditen ausgehende Gefahr, professionell beraubt zu werden. In diesen Kreisen beliebt und bewährt ist das Reifenstechen. Um das Pannenrad zu wechseln, wird das Opfer irgendwann anhalten müssen und schon eilen die „Helfer“herbei und klauen die zuverlässig im Beifahrerfußraum deponierte Handtasche.
Das Fahrzeug sollte deshalb beim Parken a) immer abgeschlossen und b) nie unbeaufsichtigt sein. Personen, die nach dem Weg, nach der Uhrzeit fragen oder Geld wechseln wollen, sind zu 99,9 Pro- zent Taschendiebe, egal, wo sie auftauchen, Männlein oder Weiblein. Überholende Fahrzeuge, deren Insassen gestenreich auf eine Gefahr an unserem Auto deuten, sind Banditen, die hoffen, einen Touristen damit zum Anhalten zu bringen um das Fahrzeug dann auszuräumen. Taschen mit Papieren, mit Geld und mit Medikamenten niemals sichtbar und schon gar nicht im Fußraum verstauen – niemals! Auch nicht bei kurzen Fahrten am Zielort!
Aber auch ohne die Bemühungen von Wegelagerern kann man ja mal eine Reifenpanne haben. Deshalb empfiehlt es sich, Ersatzrad, Wagenheber, Kreuzschlüssel, Warnwesten und Warndreiecke (in Frankreich und in Spanien zwei Stück) aus dem Kofferraum zu nehmen und im Fahrzeuginneren zu transportieren. Es muss dann im Notfall kein Gepäck ausgeladen werden, was bei Regen äußerst unangenehm ist und natürlich die Langfinger anlockt.
Steckt man das Reserverad in einen Sack, kommt dort auch das Pannenrad hinein und alles bleibt sauber, auch wenn das Pannenrad schmutzig ist. Übrigens, die französische Polizei möchte bei einer Kontrolle zwei Alkohol-Teströhrchen sehen. Man kann sie an jeder Tankstelle kaufen. In Spanien ist das nicht Pflicht, aber die Guardia Civil fragt schon mal nach dem Beleg, dass die Kfz-Versicherung bezahlt ist, Grüne Karte hin oder her. Den Ideen, wie zukünftig im Hinblick auf die Corona-Impfung verfahren wird, sehen wir gespannt entgegen.
Die Fahrt in Spanien
Wir setzen nun die Fahrt ab der Grenze fort und können die mautpflichtige Autobahn sofort verlassen und bis Tarragona auf bestens ausgebauten Straßen, oft parallel zur Autobahn, kostenlos fahren. Die Spritpreise an der Autobahn und an anderer Stelle sind in Spanien meistens gleich. Ein bedeutender Vorteil der Landstraßen sind die Gaststätten, die man dabei in großer Zahl passiert. Der Nachteil ist, dass es kaum Rastplätze und keine Toiletten gibt. Dieser Mangel lässt sich aber bei einem Tässchen Kaffee in einem der Restaurants entspannt kompensieren. Ab Tarragona bis Torrevieja (ca. 50 Kilometer südlich von Alicante) ist die Autobahn dann mautfrei.
Die Route übers Zentralmassiv
Entschlossen nehmen wir bei Dijon den Finger aus dem leckeren Senfglas, fahren Richtung Lyon und biegen Ausfahrt Chalon Sur Saône nach Westen ab, wobei wir dem Wegweiser nach Moulins folgen. Bis Moulins ist man ca. 2,5 Stunden teils auf einer Autobahn, teils auf der unfallträchtigen Landstraße unterwegs. Diese wird aber zügig zur Autobahn ausgebaut. Tankstellen sind selten, Restaurants, Rastplätze, Toiletten in unmittelbarer Straßennähe komplette Fehlanzeige. Blasenschwächlinge haben es hier nicht leicht, werden jedoch durch die abwechslungsreiche Landschaft wirkungsvoll abgelenkt.
Unter anderem lässt sich ein Blick auf die Loire erhaschen. Bei obiger Diagnose bietet sich an, nach der Senfverkostung in Richtung Lyon weiterzufahren, um über St. Etienne nach Clermont-Ferrand zu gelangen. Man fährt dann immer auf der Autobahn mit humanem Service. Allerdings ist man nicht schneller unterwegs, denn auf der Hälfte der Querspange gilt Tempo 90, sie kostet
– Maut und ist stinklangweilig, weil dicht bewaldet. Aber man kann gepflegt auf den Topf.
Bei Variante eins nimmt uns für den Streckenabschnitt Moulins
Clermont-Ferrand wieder eine mautpflichtige Autobahn auf. Und 40 Kilometer nach Clermont-Ferrand droht Sauerstoffmangel, denn jetzt beginnen 200 Kilometer atemberaubende Natur, eine Strecke, die zum Entschleunigen zwingt. Vulkanlandschaft. Felsgiganten. Berge. Täler. Unendliche Weiten. Burgen. Kulturgebiet des Templerordens. Wenig Lkw-Verkehr, da es die zahlreichen Steigungen in sich haben. Und außer Land- und Forstwirtschaft gibt es dort nichts, was einen spürbaren lokalen Lkw-Verkehr erfordern könnte. Kilometerweit ist oft in beiden Fahrtrichtungen kein anderes Fahrzeug zu sehen. Lecker an dieser Traumstrecke ist auch, dass sie fast mautfrei ist. Lediglich am Viadukt von Millau kostet der Kreditkartenschlitz ca. neun Euro.
Der Streckenabschnitt Zentralmassiv hat jedoch Planungsbedarf, denn es gibt nur wenige Tankstellen mit Shop und Toilette, jedoch keine Rastplätze für ein paar Kniebeugen. Zum Übernachten bieten sich Clermont-Ferrand an, etwa in der Streckenmitte Marvejols und Millau sowie am Südhang des Massivs Lodève.
Dazwischen liegen zwei einsame Motels im Niemandsland ohne jede Besichtigungsmöglichkeit. Nichts spricht dagegen, ein bisschen Abenteuer zu wagen um eine Herberge mehr im Landesinneren zu suchen. In diesen verträumten Städtchen sind die Hotels aber nicht immer auf dem neuesten Stand, was sich bestätigt, wenn man die Klimaanlage regulieren möchte, um Hitzeschlag bzw. Erfrierungen zu vermeiden. Will man erholsam schlafen, hilft nur, das Fenster zu öffnen. Genau das beunruhigt wohl den Hotelier auch, denn oft ist der Fenstergriff entfernt. Eine Flachzange im Kulturbeutel, mit der man den Vierkant greifen und das Fenster öffnen kann, leistet dann gute Dienste. Auf jeden Fall sind zwei StoppAdressen ein Muss: 1. Sévérac Le Chateau, 20 Kilometer vor Millau, und 2. Die Aussichtsplattform vor dem Viadukt.
Spaziergang durch Mittelalter
Sévérac Le Chateau, drei Kilometer neben der Autobahn, krönt eine imposante Burg aus dem 13. Jahrhundert, und in dem sich darunter duckenden Städtchen begegnet man dem authentischen Mittelalter. Gleich hinter dem Fallgatter des Stadttors ist jeglicher Autoverkehr unmöglich und ein Spaziergang durch die engen, malerischen Gässchen lässt die Zeit vergessen. Die beiden Restaurants vor der Altstadt bemühen sich erfolgreich, die kulinarische Bescheidenheit der Urahnen niederen Standes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Nach kurzer Weiterfahrt bietet die Architektur des Viadukts von Millau ein überwältigendes Kontrastprogramm. Aus der Ferne wirken die Tragseile der Hängebrücke filigran wie Harfensaiten. Fährt man jedoch – und das so langsam wie möglich – die 2,5 Kilometer lange Brücke über die Schlucht des Flusses Tarn bergauf, fragt man sich, wie die baumstammdicken Tragseile über die insgesamt 360 Meter hohen Pylonen gespannt wurden. Einfach traumhaft! Am liebsten würde man sofort wenden um mehrfach über das technische
Wunderwerk zu fahren. Geht aber leider nicht. Die Gegend ist jetzt dichter besiedelt und am Wegesrand taucht das Abfahrtsschild nach Roquefort auf, dem Herkunftsort des gleichnamigen Schimmelkäses, und der Gourmet lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, seinen Senfschatz aus Dijon mit einer Käseecke aus Roquefort genüsslich zu ergänzen.
Und dann nähern wir uns dem Ende der Strecke über das Massiv. Die horizontale Fahrbahn geht in zunehmendes Gefälle über und stürzt nach zwei Kurven regelrecht ab. Den rechten Fuß stramm auf dem Bremspedal, tauchen wir in eine felsengesäumte, gigantische Schlucht. Eine Bergformation löst die andere ab und man kann die Tiefe des begleitenden Cañons der Lergue rechts nur ahnen. Eine Felsbucht kommt nach der anderen und immer wieder fesselt der Blick nach vorn auf die Ränder der Schlucht.
Festungsstadt Lodève
Kommt dann die alte Festungsstadt Lodève in Sicht und man fährt auf die weinrebenbedeckte Tiefebene hinaus, glaubt man aus dem Kino zu kommen. Nach einer halben Stunde Fahrt durch die plötzlich mediterrane Landschaftskulisse vereinen wir uns schließlich auf der Autobahn bei Beziers wieder mit den Flachlandtirolern, die sich lieber durch das Gedränge im Rhône-Tal schieben ließen.
Bis zu den Pyrenäen laden mehrere große, von Pinien beschattete Rastplätze ein, die letzte Leberkässemmel zu vernaschen. Wer danach entsagungsvoll seufzt, sollte sich die Weiterfahrt noch einmal gründlich überlegen. Wer es nicht so eilig hat, muss, sobald sich das Meer und die Autobahn fast berühren, zu dem sich auf der Anhöhe befindlichen Parkplatz hochfahren um den Anblick von „L-étang“(Der Teich) zu genießen. Im Süden ragen die Pyrenäen hoch. Die flache Meeresbucht gehört den Seglern und den Kitesurfern. Sie wurde von dem Sänger Charles Trenet in seinem Lied „La mer“stimmungsvoll besungen.
Hallooo Meer, da sind wir und - adieu Frankreich! Fährt man häufiger auf eigener Achse nach Spanien, sollten beide Routen ausprobiert werden. Für den/die, der/die auf der Rückreise aber einmal von dem Naturerlebnis des Schluchtenaufstiegs bei Lodève überwältigt wurde, gibt es wohl kaum eine Alternative zum Zentralmassiv.
Die Einreise nach Spanien unterliegt den Auflagen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Näheres dazu entnehmen Sie der Rubrik „Service“.