Nicht vom Fahrrad fallen: Direkte Hilfen für Betriebe nehmen Form an
Vermeidung von Pleitewelle: Direkte Hilfen für Betriebe nehmen Form an
Madrid – tl. Die Warnungen vor einer Pleitewelle haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño lenkt ein. Lange hatte sich die Ministerin mit Blick auf die Staatsfinanzen gegen eine Ausweitung der Hilfen für Unternehmen gewehrt. Jetzt sind sogar direkte Hilfen kein Tabu mehr. Wie die im Einzelnen aussehen werden, ist noch unklar. Klar allerdings ist, dass eine Reihe von Betrieben wohl durchs Sieb fallen werden. Hilfe soll es nur für lebensfähige Firmen geben.
Die dritte Welle der CoronaPandemie hat die wirtschaftliche Lage in Spanien noch einmal verschärft. Bis die Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm fließen, werden noch harte Monate vergehen. Diese Zeit gilt es zu überbrücken. „Wir müssen weiter in die Pedale treten, um nicht vom Fahrrad zu fallen“, hieß es dazu aus dem Bankensektor. Vor allem die Banco de España, warnte, dass viele Unternehmen unter einer kaum mehr zu ertragenden finanziellen Belastung stehen. Die Darlehen
über das Staatliche Kreditinstitut (ICO) hätten die Betriebe in der Corona-Krise zwar überleben lassen, aber auf Kosten einer höheren Verschuldung. Das Risiko von Insolvenzen sei groß. Im schlimmsten Fall stünde jedes fünfte Unternehmen vor der Pleite.
„Es ist besser jetzt kleine und mittlere Betriebe zu retten als später Banken“
Ministerin Calviño will nun mit Direkthilfen „die finanzielle Last für kleine und mittlere Betriebe mildern und die Solvenz von lebensfähigen Geschäften stärken“.
Nun muss festgelegt werden, welche Unternehmen als lebensfähig gelten und welche nicht. Die Banken, die Zentralbank, die Ministerien für Finanzen und Wirtschaft, die Arbeitgeberverbände sowie die Consultingfirma Oliver Wyman entwickeln einen standardisierten Rahmen, nach dem bemessen werden kann, welche Unternehmen direkte Hilfe erhalten und welche man fallen lässt. Es sollen nur solche Unternehmen für eine direkte Hilfe in Frage kommen, die zuvor schon Darlehen über das Staatliche Kreditinstitut (ICO) erhalten haben. Als Hilfen denkbar sind: Verlängerung von Rückzahlungfristen, Schuldenschnitt, Injektion frischen Geldes und Umwandlung von Schulden mithilfe von Gesellschafterdarlehen. Noch völlig offen ist, um welche Größenordnung es sich bei den direkten Hilfen handeln wird.
Die Wirtschafts- und Finanzberater von Analistas Financieros Internacionales (AFI) schätzen, dass etwa 40 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe und 30 Prozent der großen Unternehmen unter großem finanziellen Druck stehen. Davon wiederum könnten an die 20 Prozent von Insolvenz bedroht sein. Großbanken gehen davon aus, dass die Regierung um die 20 Milliarden Euro für die direkten Hilfen in den Hand nehmen muss. Allein die Hotellerie forderte für sich in der vergangenen Woche bereits 8,5 Milliarden Euro.
Schwierig werden dürfte die Bewertung von sehr kleinen Betrieben oder Selbstständigen. Eine Möglichkeit wäre, die Schulden in Relation zu setzen zum Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern sowie auf Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände (Ebitda). Daraus lässt sich ableiten, was der Betrieb an direkter Hilfe benötigt, um wieder rentabel zu werden.
Besser klotzen als kleckern
Auch für die Kleinen steht fest: ohne Zukunft kein Geld. Banken und Zentralbank plädieren zudem dafür, bei der Ausgestaltung der direkten Hilfen „zu klotzen statt zu kleckern“. Laut Zentralbank-Gouverneur Pablo Hernández de Cos müsse unbedingt vermieden werden, dass sich die Gesundheitskrise, die zu einer Wirtschaftskrise geworden ist, auch noch zu einer Finanzkrise ausweitet: „Es ist besser, auch aus politischen Erwägungen, kleine und mittlere Betriebe sowie Selbstständige zu retten als später dann die Banken.“