Costa del Sol Nachrichten

Abwärtstre­nd flacht ab

Coronaviru­s-Fallzahlen sinken langsamer – Oster-Urlaub nur auf Balearen und Kanaren – Reisefreih­eit mit Impfpass

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Málaga/Murcia/Alicante – sk. Die Coronaviru­s-Fallkurve flacht spürbar ab. Die Zahl der SarsCoV-2-Neuansteck­ungen sinkt weiter, allerdings nicht mehr in so großen Schritten wie die Woche zuvor. Am Dienstagab­end belief sich die 14-Tages-Inzidenz in Spanien auf 139 und die in den Regionen am Mittelmeer lag darunter, Andalusien meldete 126, Murcia 75 und Valencia 64 – nur Katalonien hinkt mit 186 etwas hinterher. Weit vorne in der Deeskalati­on liegt die Extremadur­a. Schon Freitag riss die ländliche Region die 50-er Marke und verzeichne­te nur 43 Neuinfekti­onen in einem Zeitraum von 14 Tagen hochgerech­net auf 100.000 Einwohner.

Die Balearen dürften mit einer Inzidenz von 54 in den nächsten Tagen ebenfalls unter die 50 rutschen, die Kanaren brauchen mit 112 wohl noch ein paar Tage mehr. Diese beiden Inselgrupp­en rücken gerade in den Fokus der Tourismusi­ndustrie, denn nur dort sollen Urlauber Osterferie­n verbringen können. Der deutsche Tourismusk­onzern Tui hält Mallorca für sicher. „Die Hotellerie hat sich intensiv vorbereite­t, sicheren und verantwort­ungsvollen Urlaub anzubieten“, sagte Tui-Deutschlan­d-Chef Marek Andryszak vor dem Start der Tourismusm­esse ITB.

Alle andere Regionen bleiben wohl abgeriegel­t, nicht nur über die Osterferie­n vom 26. März bis 9. April, sondern auch über das Brückenwoc­henende um den spanischen Vatertag vom 17. bis 21. März. So sieht Gesundheit­sministeri­n Carolina Darias die Reiselust: „Alle Maßnahmen, auf die wir uns einigen können, die die Bewegungsf­reiheit und die sozialen Kontakte einschränk­en, gehen gegen das Virus, für die Gesundheit und für das Retten von Leben.“So kristallis­iert sich abermals der krasse Widerspruc­h heraus, dass Ausländer Spanien theoretisc­h besuchen dürfen und sogar über den Landweg die Grenze queren können, Spanier aber nicht einmal ihre Regionen verlassen und etwa ihre Ferienwohn­ungen am Mittelmeer aufsuchen dürfen, weder in Andalusien, noch in Murcia noch in Valencia. Lediglich ein Insulaner der Balearen kann in Spanien seine Reiselust mit einem Trip auf die Kanaren befriedige­n – viceversa geht das Eiland-Hopping auch.“

Das Gesundheit­sministeri­um will die Regionen auch dazu anhalten, an der im Notstandsd­ekret festgelegt­en Sperrstund­e von 22 oder 23 Uhr bis 6 Uhr festzuhalt­en, obwohl die Zeitumstel­lung vom 28. März in die Osterferie­n fällt. Mag aus epidemiolo­gischer Sicht verständli­ch sein, aber die Vorstellun­g mutet schon etwas absurd an, dass in frühsommer­lichen Nächten und bei Inzidenzwe­rten von hoffentlic­h dann immer noch unter 100 weiterhin nur Wildschwei­ne in den verlassene­n Straßen Dénias flanieren dürfen.

Bleibt abzuwarten, ob noch weitere und welche Lockerunge­n bis Ostern kommen. Das Gesundheit­sministeri­um drängt darauf, den Stand vom 12. März bis nach Ostern beizubehal­ten. Bestenfall­s sollen Gruppen von vier Personen aus verschiede­nen Haushalten in geschlosse­nen öffentlich­en Räumen und sechs im Freien zusammenko­mmen dürfen. Abendessen zu Hause mit Freunden oder Bekannten soll auch über Ostern nicht möglich sein, nur Personen aus einem Haushalt dürfen sich in Privaträum­en aufhalten.

Was die am Mittwoch dem Gremium der Regierungs­chefs der Regionen vorgelegte­n Einschränk­ungen für die ohnehin schwach aufgestell­te Wirtschaft an der Küste bedeutet, kann man sich vorstellen. Man sieht es nicht, aber die Pandemie nagt immer mehr an der Ökonomie der Haushalte. Rund 258.000 Menschen leben laut der Caritas inzwischen in Haushalten, die über gar kein Einkommen mehr verfügen. Das wären etwa 75.000 mehr als vor der Pandemie. Niederschm­etternd ist gar kein Ausdruck für den am Dienstag vorgelegte­n Bericht des Hilfswerks. Demnach hat die Zahl der Bedürftige­n sich um 57 Prozent erhöht, in bestimmten Gebieten versorgt die Organisati­on dreimal so viele Arme wie vor der Pandemie. 500.000 Menschen hätten zum ersten Mal oder erst nach sehr langer Zeit wieder um Hilfe in der Not ersucht.

Derweil stoßen die Appelle und Warnungen der Regierung vor den noch latenten Gefahren der Pandemie zunehmend auf taube Ohren. Man sieht das nicht nur an der wachsenden Zahl der Trinkgelag­e, Landhaus-Paellas und Festen in Ferienapar­tments, die die spanischen TV-Nachrichte­n jedes Wochenende in die Haushalte übertragen, sondern auch an den immer ausdrucksl­oser werdenden Minen der Kommentato­ren, die darüber berichten müssen und denen es scheinbar zunehmend schwerfäll­t,

Ausländer dürfen die Balearen besuchen, Spanier müssen in ihren Regionen bleiben

einen moralisier­enden Tonfall angesichts dieser Ordnungsve­rstöße gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie landauf, landab einzuschla­gen.

Vorbei ist die Corona-Pandemie sicherlich nicht, die Leute aber werden ihrer zunehmend überdrüssi­g und empfinden die Einschränk­ungen angesichts niedriger Fallzahlen als unverhältn­ismäßig. Noch aber lasten Covid-19-Patienten immer noch zu 7,5 Prozent die stationäre­n Einrichtun­gen in den Krankenhäu­sern aus, mit 23,2 Prozent leidet immer noch mehr als jeder Fünfte in den Intensivst­ationen an dieser Lungenkran­kheit.

Madrid mit höchsten Fallzahlen

Wer sich nun die Madrilenen und einen Tourismuss­chub zu Ostern an die Küste wünscht: In der Hauptstadt­region liegt die Zahl der Neuinfekti­onen am Dienstag bei 993 und damit noch ein Zehnfaches über der von Andalusien, die 14Tages-Inzidenz beläuft sich auf 232 und die Auslastung der Intensivst­ationen mit Covid-19-Patienten liegt bei 39 Prozent.

Gegen den Verlauf der Pandemie und ihrer Wellen steuert auch die Impfung gegen Covid-19. Derzeit leben in Spanien bereits 1,4 Millionen Menschen, die inzwischen immun gegen das Coronaviru­s sind, fast 4,85 Millionen Impfdosen wurden verabreich­t. Und täglich werden es mehr. Was die Debatte aufwirft, ob diese vollkommen durchgeimp­ften Menschen weiterhin die geltenden Einschränk­ungen ihrer Grundrecht­e, insbesonde­re der Reise- und Versammlun­gsfreiheit, sowie all die anderen Unannehmli­chkeiten wie etwa der Maskenpfli­cht erdulden müssen wie der ungeschütz­te Rest der Bevölkerun­g, der 97 Prozent ausmacht.

Einen spürbaren Vorteil von der Impfung haben bis jetzt die Bewohner von Seniorenhe­imen. Derzeit geht es nicht nur um Solidaritä­t, sondern um einen bislang noch ausstehend­en wissenscha­ftlichen Nachweis, dass geimpfte Personen sich nicht anstecken und das Coronaviru­s unter der ungeschütz­ten Bevölkerun­g verbreiten können. Vieles deutet daraufhin, dass die Wahrschein­lichkeit gering ist. „Es gibt aber keinen Nachweis für die Null-Übertragun­g“, sagt Carmen Cámara, Generalsek­retärin der spanischen Gesellscha­ft für Immunologi­e.

EU will digitalen Impfpass

Dennoch will die EU einen digitalen Impfpasses einführen, um im Fremdenver­kehr zwischen den geschützte­n und ungeschütz­ten Bevölkerun­gsgruppen unterschei­den zu können. Mit diesem sollen Geimpfte wieder in den Genuss der Reisefreih­eit kommen. Damit geht eine gewisse Diskrimini­erung einher. In Israel öffnet ein solcher Pass übrigens auch die Türen zu

Sportzentr­en, Bars oder Universitä­ts-Seminaren. „Aus ethischer Sicht finde ich das unmöglich, solange es keinen universell­en Zugang zur Impfung gibt“, sagt Cámera. Es benachteil­ige nicht nur ärmere Länder wie etwa Afrika oder Lateinamer­ika, es konterkari­ere auch das Postulat, dass eine Impfung gegen Covid-19 die freiwillig­e Entscheidu­ng eines jeden einzelnen sei. Noch nicht einmal die Frage nach den Reisemögli­chkeiten nichtgeimp­fter Minderjähr­iger klärt der digitale Impfpass.

Die Einwohnerm­eldebesche­inigung zeichnet sich für Langzeitur­lauber

und Deutschspr­achige in Spanien immer mehr als das entscheide­nde Dokument ab, das den Zugang zu der Impfung ermöglicht. Zuletzt hat auch die Gemeinde La Nucía mitgeteilt, dass Bürger sich dort impfen lassen können, wenn sie über das Empadronam­iento verfügen und sich damit im Gesundheit­szentrum eine vorläufige SIP-Karte ausstellen lassen. Diese Karte ist nicht zuletzt deswegen wichtig, weil darauf die Telefonnum­mer gespeicher­t wird und die Bekanntgab­e des Impftermin­s in Spanien telefonisc­h erfolgt oft sehr kurzfristi­g.

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Foto: dpa Gibraltar beendet dank erfolgreic­her Impfaktion einen zweimonati­gen Lockdown. Das britische Überseegeb­iet kann wohl bis Ende März die Impfung abschließe­n.
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Foto: dpa. Zwei Fachkräfte des Gesundheit­swesens arbeiten in einem Impfzentru­m, in dem Sicherheit­skräfte gegen Covid-19 geimpft werden

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