Der Pate der Kloaken
V-Mann der dunklen Mächte Spaniens dürstet nach Rache: Ex-Kommissar Villarejo aus Haft entlassen
Madrid – mar. Würde ein Drehbuch-Autor eine Figur wie jene des Ex-Kommissars der Policía Nacional, José Manuel Villarejo, erfinden, man würde ihn wegen maßloser Übertreibung feuern. Nach drei Jahren wegen Geldwäsche und Gründung einer kriminellen Organisation im Fall Tándem, hat Villarejo am 3. März das Gefängnis verlassen, vorerst. Er konnte es kaum abwarten, die Welt wissen zu lassen, dass er nun „alle Masken abreißen wird“. Ihm dürstet nach Rache. Und viele Politiker, Wirtschaftsbosse, Prominente und sogar Ex-Regierungschefs dürften schlaflose Nächte haben.
José Manuel Villarejo, 69 und offiziell Rentner, stieg 1973 als Polizist im Baskenland in den Dienst ein, sein Spezialgebiet: Bekämpfung der ETA. Von 1983 bis 1993 ging er in die Privatwirtschaft, baute ein Netzwerk von drei Dutzend Firmen auf, bot Dienste als Privatdetektiv an und entwickelte sich zum universellen V-Mann der Wirtschaft und der Politik mit besten Verbindungen in die Polizei- und Sicherheitsstrukturen. Er wurde Strippenzieher dessen, was man als „Kloaken“kennt, Netzwerke, die in staatlichen Strukturen selbstständig arbeiten, politische Agenten der Diffamierung und Bereicherung verfolgen.
Villarejos Geschäft ist die Information und deren Verkauf. Dabei bediente er sich in einer Mischung aus Mafia und Geheimdienst der Erpressung und der Bestechung und soll ein Vermögen von 23 Millionen Euro angehäuft haben. Nach 1993 kehrte er als Special Agent für die Secretaría de Estado de Seguridad, SES, in staatliche Dienste zurück, eine Sonderabteilung, die dem Innenminister unterstellt und allen Polizeistrukturen übergeordnet ist. Dort verfügte er über alle Ressourcen, die für seine „Geschäfte“nötig waren und leitete seine eigene Polizeieinheit, eine, die es offiziell gar nicht gab. Irgendwann muss ihn die Hybris übermannt haben, denn sein Name taucht in fast jedem größeren Korruptionsfall auf. Ob im Gürteloder Kitchen-Prozess-Universum um illegale Parteienfinanzierung der PP – überall sickern Aufzeichnungen von Villarejo durch.
Er spionierte im Auftrag von und gegen Firmen, Minister heuerten ihn gegen separatistische Politiker an, „nebenbei“machte er Millionen in Äquatorial-Guinea bei einem Skandal rund um die staatliche Ölgesellschaft. Immer spielte er mit den Medien wie mit Marionetten, lieferte mal Informationen,
ließ sie mal am ausgestreckten Arm verhungern. Villarejo kam überall zum Zug, wo es etwas zu Vertuschen gab, das mit Geld und Macht zu tun hatte. Daher war und ist sein Betätigungsfeld in Spanien unendlich.
Kam er in die juristische Bredouille, hatte er genug Material gegen jeden in der Hand. Er drohte, die Ex-Regierungschefs Mariano Rajoy und José Maria Aznar über die Klinge springen zu lassen, arbeitete aber auch für die PSOE, weshalb sie sehr schweigsam beim Thema Villarejo bleibt. Er steht im Verdacht, den Torre Windsor in Madrid angezündet zu haben, um Beweise zu vernichten. Sogar das Königshaus bringt er in Schwierigkeiten. Denn er tat sich mit Juan Carlos‘ Ex-Geliebter Corinna Larsen zusammen, als diese sich wegen Millionen-Transfers vom ExKönig erpresst fühlte. Dabei legte er sich mit dem heutigen Ex-Chef des Geheimdienstes CNI an, Félix Sanz Roldán. Der brachte ihn ins Gefängnis, im Grunde wegen eines Steuervergehens, wie Al Capone.
Verfolgt von dunklen Mächten
Vor der Presse besteht Villarejo darauf, dass er im „Interesse der Öffentlichkeit“tätig war und sich die dunklen Mächte an ihm rächen. Das Absurde daran: in gewissem Sinne hat er recht. Denn mag er auch ein Gangster sein, er hatte es mit Seinesgleichen zu tun. Im Gefängnis habe er um sein Leben gefürchtet. Man habe ihn „weggesperrt ohne Hofgang, die Heizung abgestellt“, er habe einen Schlaganfall erlitten, was auch der Grund für seine Augenklappe sei. Und „sie haben mich enteignet“. 60 Liegenschaften, die meisten davon in Benalmádena an der Costa del Sol, hat das Gericht eingezogen, bis geklärt ist, ob auch nur eine davon mit legalen Geldern erworben wurde.
Mit Corinna Larsen gemeinsame Sache gegen Juan Carlos