Mit Kelle und Kreuz
Historische Speisekammern: Was Spaniens Klosterküchen überliefern – Fastenrezepte und etwas Fleischeslust
mar. Auf der Suche nach spanischen Fastenrezepten sollte man in den zahlreichen Klöstern fündig werden. Denn wo, wenn nicht dort, halten sich die Bewohner noch konsequent an die Vorgaben des cuaresma, des rituellen Fastens vor der Osterzeit. Der Verzicht nicht nur auf die körperlichen, sondern auch die kulinarischen Fleischesfreuden sollte den Gläubigen durch Mitleiden und demütige Bescheidenheit Jesus und seinem weit größeren Opfer näher bringen. Eigentlich nicht nur zu Ostern. Wer es als Katholik ganz genau nimmt, müsste fast das halbe Jahr den Fastenregeln folgen. Doch die spanischen Katholiken fasteten tatsächlich fast das ganze Jahr, Jahrhunderte hindurch, – weil sie ärmer als die Klosterfledermäuse waren.
Mehr Nonnen als Mönche
Spaniens Klöster waren, vor allem in der Zeit während und unmittelbar nach den Kriegen gegen die Mauren, Zentren der Wiederbesiedelung und oft entscheidender Wirtschaftsfaktor. Klöster waren nicht nur Selbstversorger, sondern regelrechte Wirtschaftsbetriebe mit eigenen Feldern, Küchen und Rezepten auch eine Art Lebensmittelaufsicht, Arbeitgeber und Konservenfabriken. Bis heute ist die Katholische Kirche in Spanien, nur knapp nach dem Staat, der größte Grundbesitzer des Landes.
Das Fasten ist in der Neuzeit eher eine Mode geworden, die österliche Fastenzeit der Anlass für medizinisch zweifelhafte „Entschlackungskuren“oder das „Projekt Bikini“für den bevorstehenden Sommer. Das religiöse Moment tritt in den Hintergrund. Die Klöster heute verkaufen vor allem Gebäck oder Marmeladen und andere Konserven aller Art, um ihre Kassen aufzufüllen, einige aber lassen uns Laien auch in die Töpfe der Klosterküchen schauen. Das hat auch damit zu tun, dass vor allem die Frauen in Spanien in die Klöster gehen und sich dem Manneswunsch, möglichst in der Küche zu bleiben, unterordneten. Eine Nonne hinterfragt nicht, sie betet und knetet. Von den rund 3.600 Nonnen-Klöstern weltweit stehen 907 in Spanien, belegt sind davon freilich nur noch 300 (etwas mehr als 100 von Mönchen) und jährlich sperren über ein Dutzend zu.
Spaniens erste Klöster entstanden bereits zur Zeit der Westgoten, als diese sich unter dem Druck der Byzantiner im 6. Jahrhundert vom Arianismus zum Katholizismus konvertierten und der Papst Orden zu Wächtern über die Reinheit der Lehre autorisierte.
Dann gab es einen tiefen Schnitt, als die Mauren ab 711 das Kommando übernahmen, doch schon 923 soll das Monasterio de Suso in La Rioja wieder Mönche beherbergt haben, kurz nach der Wiedereroberung durch die Könige von Pamplona und dann unter der Standarte der Krone von Navarra. Suso gilt als ältestes Kloster Spaniens und als eine Wiege der spanischen Sprache.
Zumindest drei Klöster schafften es zu internationalem Ruhm, die Klosteranlage von Montserrat bei Barcelona mit der brünetten Jungfrauenerscheinung, der Moreneta (ab 880), das Monasterio de San Jerónimo de Yuste (gegründet 1402) in der Extremadura, wo Kaiser Karl V., der spanische Carlos I. seine letzten beiden Jahre nach der Abdankung verbrachte – Abu Dhabi war damals noch nicht so en vogue. Und natürlich das so monumentale, gleichzeitig prächtige wie düstere San Lorenzo de El Escorial, das „Klosterschloss“mit Königsgruft bei Madrid, ein Meisterwerk der spanischen Renaissance, in dem weltliche und geistliche Macht durch Carlos’ Sohn, Philipp II., vereint wurden. Die von dort überlieferten Küchentraditionen sind allerdings wenig klösterlich, denn zum Beeindrucken von Festgesellschaften und Staatsgästen ließ Felipe II. der Todsünde „Völlerei“durchaus auch mal freien Lauf, – Pragmatismus nennt man das.
Doch die Klosterrezepte sind vor allem einfach, haben teils sehr wenige Zutaten und spiegeln im Grunde auch die Armenküche des Volkes wider. Aus San Yuste überliefern uns die Hieronymiten ein Rezept mit Bacalao – dem spanischen Fastenfisch par excellence –, denn die Route des gesalzenen und bretthart getrockneten Kabeljaus führte schon früh durch den gesamten „maurenfreien“Norden Spaniens über Navarra und die Extremadura bis nach Portugal.
Kabeljau San Yuste
Spaniens Katholiken fasteten lange das ganze Jahr über – aus Armut
Für vier Personen werden rund 600g Kabeljaubrett in der Nacht zuvor portionsgerecht zerstückelt und in Wasser eingelegt, am Morgen das Wasser wechseln. Danach Haut und eventuelle Gräten entfernen. Ein halbes Kilo Kartoffeln schälen, grob würfeln, in Salzwasser weich ko
chen, im letzten Moment sachte mit den Fischstückchen vermengen und ein paar Minuten zusammen ziehen lassen. Dann abgießen und in eine ofenfesten Form legen. In einem Mixer rund 300 ml Milch zusammen mit 200ml sehr gutem Olivenöl, kleingehacktem Salbei (salvia), Petersilie (perejil) und ein paar Blättchen Minze (hierbabuena oder menta) aufmixen, bis eine cremige Emulsion entsteht. Nur sehr vorsichtig salzen. Diese über die Kartoffeln und den Fisch gießen, mit Butterflöckchen belegen und bei Oberhitze einige Minuten im Ofen gratinieren. Dazu empfiehlt sich frisches Brot. Das Rezept findet man in Dutzenden Abwandlungen heute in der nordspanischen wie in der portugiesischen Küche, mit Fenchel, Auberginen, Paprika, sogar Käse und natürlich immer wieder Tomatensaucen, die allerdings erst ab dem 16. Jahrhundert in Spanien Einzug hielten, sich dann aber gründlich festsetzten.
Des Kaisers Klosterbier
Die Hieronymiten von San Yuste überlieferten uns aber noch einen anderen Fastenklassiker: Bier. Das brachte Carlos I., ein berüchtigter Biertrinker, aus seiner Heimat Flandern mit, wo er einen Braumeister aus Gent regelrecht nötigte, mit ihm nach Spanien zu kommen. Diese hatten ihn 1555 auch in seinen Alterssitz auf das Kloster zu begleiten, um ihm dort belgisches Bier zu brauen. Die Klosterbrüder bewahrten die alten Rezepturen, Cruzcampo, das bald von Heineken übernommen wurde, brachte das Bier 2002 als „erstes Klosterbräu Spaniens“wieder auf den Markt, als karamellig-süffiges, güldenes Gebräu und als Reverenz an das „Legado de Yuste“, das Erbe des Klosters, das zwischen den 44.000 Bänden der Klosterbibliothek auch das alte Rezept bewahrte. Dieses wurde an den heutigen Geschmack adaptiert, hielt 500 Jahren Geschichte stand, nicht aber den Marketing-Fuzzis von Heineken, die es sang- und klanglos wieder einstellten.
Dabei wurde Bier früher nicht nur getrunken, sondern auch gegessen. In Spanien ersetzt man dabei schlicht beim Rezept der „sopa de ajo“, auch als sopa castellana bekannt, das Wasser 1:1 mit Bier. Feldhase (liebre) taucht in höfischen Rezepten aus dem 16. Jahrhundert in einer Schwarzbiersauce auf oder unter und selbst Carlos I. soll das Bier als Medizin eingenommen haben, eine Ausrede mit kaiserlichem Privileg also.
Karmelitas Kichererbsen
Die Nonnen dieses einsiedlerischen Reformordens überliefern uns ein Rezept mit garbanzos, den Kichererbsen, die in Spaniens Küche omnipräsent sind. Ein halbes Kilo garbanzos werden über Nacht in reichlich Wasser eingeweicht. Dann werden sie in neuem Wasser mit ein paar Lorbeerblättern (laurel), einer Zwiebel (cebolla) und einigen Nelken (clavos) knapp eine Stunde gekocht. In einer Pfanne wird eine weitere Zwiebel kleingeschnitten in satt Olivenöl angeschwitzt, vier Eier werden hartgekocht. In einem Mörser werden die Zwiebel mit dem Öl, die hartgekochten Eigelbe und einige Löffel weicher Kichererbsen und einer Knoblauchzehe zu einem Brei zerstoßen, etwas Kochwasser hilft den richtigen Grad Geschmeidigkeit zu erreichen. Salz, Pfeffer, etwas Kreuzkümmel (comino) hinzu, alles gut vermengen und mit dem abgegossenen Kichererbsen noch rund 15 Minuten ziehen lassen. Zum Servieren das Eiweiß fein darüber bröseln.
Weiter geht unsere Klosterreise nach Soria, die vergessene Provinz der Romanik, im Kloster der Clarissen in Soria, das 1224 gegründet, 1834 aber zu einem Militärstützpunkt umgewandelt wurde. So zogen die Clarissen über die Jahrhunderte von einem aufgelassenen Kloster zum anderen, zuletzt in die Kirche Santo Tomé, wo sie den Dominikanern nachfolgten.
Ihre Rezepte nahmen sie mit, auch solche, die Fleisch beinhalteten. Vor allem Kaninchen, das in Spanien bekanntlich nicht nur überall verfügbar durch die Gegend hoppelt, sondern von dem das Land sogar seinen Namen hat. Die gazapos, die Jungtiere der Kaninchen, galten zu manchen Zeiten gar nicht als Fleisch und landeten als Tapa auch in der Fastenküche.
Kaninchen St. Clara
Die Clarissen nehmen hingegen ein ausgewachsenes Kaninchen von 1,5 Kilogramm, das ist schon ein stattlicher Bursche, dazu Zwiebel, ein paar Würfel SerranoSchinken, Weißwein, Tomaten, Olivenöl, Salz und Pfeffer, dazu Thymian (tomillo), Lorbeer und etwas Mehl. Das Kaninchen wird in Paella-Manier zerstückelt, gewürzt und mehliert und bei mittlerer Hitze in Olivenöl von allen Seiten geduldig angebraten. Dann kommen die kleingeschnittene Zwiebel hinzu, wenn sie Farbe nimmt, wird mit Weißwein abgelöscht. Etwa fünf Minuten eindampfen, dann geriebene Tomate, Lorbeer und Schinkenstückchen hinzu, kurz angehen lassen, mit 1-2 Tassen Wasser ablöschen. Dann Deckel drauf und 15-20 Minuten köcheln, anschließend abschmecken, die Sauce abseihen und auf die gewünschte Sämigkeit einreduzieren.
Kartoffel-Botschafter
Unzählbar sind die Kartoffelgerichte aus den Küchen der Klöster, die sich so auch zum Botschafter des noch vor gar nicht so langer Zeit „neumodischen“Gemüses aus der Neuen Welt machten, das in vielen Fällen zunächst falsch oder aus Angst und Aberglaube gar nicht verarbeitet wurde. Berühmt wurden die „Patatas de huelga de Santa Teresa“, wobei nacheinander Kartoffeln, dann kleine Brotstückchen gebraten werden, um dann mit Mangold, Knoblauch, Ingwer und Sidra (Apfelwein) im Ofen oder auf dem offenen Feuer zu einer Art Eintopf-Auflauf verarbeitet zu werden. Auch die patatas en abundancia, panierte „reichhaltige„ Kartoffeln, die erst gebraten und dann fertiggekocht werden, wobei mit Safran und Mandeln eine fast exotische Kulinarik entsteht, sind aus Spaniens Klöstern überliefert.
Routen zu Klöstern
Die vielen Sauergemüse, natürlich das Gebäck und Kuchen zu den Festtagen und Marmeladen aller Art machen sie zudem zu historischen Speisekammern und sie brachten durch ihre Gärten und den Austausch mit den Ordensbrüdern in andern Ländern, die Kräuter in die Küche, pflegten die Weinbautraditionen weiter und wurden so eine Art Hauswirtschaftskompendium des christlichen Spanien. Mag das Leben in Klöstern sonst auch auf Selbstbeschränkung, mitunter Frugalität und Selbstkasteiung gründen, dass Mönche verhungert wären, kam eher selten vor. Auch wenn immer weniger der Klöster benutzt werden, dienen sie uns heute für kulturhistorische Routen in meist spektakulären Landschaften.
Klosterrouten in Spanien lassen sich regional und individuell zusammenstellen. Unter anderem über das Online-Routen-Lexikon es.wikiloc.com, in die Suche „monasterios“oder „conventos“sowie die Region oder Provinz eingeben.