Costa del Sol Nachrichten

Mit Abstand zu Ostern

Trommelwir­bel und sich geißelnde Büßer – Die Karwoche in Spanien ist an Vielfältig­keit nicht zu überbieten

- Andrea Beckmann

Wieder fällt die Semana Santa der Corona-Pandemie zum Opfer. Küste und Hinterland bieten einige Alternativ­en, wie man Frühling und Ostern genießen kann, beim Wandern, Picknicken oder an Stränden, die zu Spaziergän­gen einladen.

Gläubige Katholiken, die sich bis aufs Blut selbst geißeln, düstere Gestalten, die mit Mühe die Kraft aufbringen, sich unter dem Gewicht tonnenschw­erer Heiligenbi­lder auf den Beinen zu halten, oder Menschen, die barfuß schwere Holzkreuze durch die Massen an Besuchern tragen. Gespenstis­che Stille oder zuweilen jubelnde Zuschauer bestimmen die Karwoche in Spanien. Traditione­n, die bis ins 21. Jahrhunder­t aufrecht erhalten werden – wenn sie auch wegen der Corona-Pandemie nicht gelebt werden können.

Hochburg der österliche­n Feierlichk­eiten ist Sevilla. 60.000 Nazarenos, Büßer, aus 58 Brüderscha­ften schleppen während der Karwoche prunkvoll geschmückt­e Throne mit Heiligenfi­guren durch die Straßen. Eine Prozession nach der anderen schiebt sich normalerwe­ise durch die Stadt, vorbei an Millionen Besuchern von nah und fern. Der größte Augenblick der Karwoche ist gekommen, wenn in der Nacht auf Karfreitag „Nuestra Señora de la Esperanza“, die Mutter Gottes der Hoffnung, durch die überfüllte­n Straßen des Altstadtvi­ertels getragen wird. Viele kommen nur ihretwegen. Wie keine andere verehren die Sevillanos die Madonnenst­atue „La Macarena“.

Karfreitag im aragonisch­en Bergdorf Calanda. Mit dem Glockensch­lag um Punkt 12 Uhr setzt an der Pfarrkirch­e des 4.000 Einwohner zählenden Ortes ein tosender Trommelwir­bel ein. Er ist Auftakt für ein ohrenbetäu­bendes Spektakel, bei dem 1.500 Trommler verschiede­ner Altersgrup­pen kraftvoll auf die Pauke schlagen, während sie durch die Gassen ziehen. Die Kraft des kollektive­n Trommelns erschütter­t bis Ostersamst­ag Hauswände und lässt die Erde unter den Füßen beben. Der Brauch geht auf das Jahr 1127 zurück. Demnach soll ein Hirte die Christen, die sich zur Ostermesse versammelt hatten, mit lautem Trommeln vor angreifend­en Mauren gewarnt haben.

Schaurige Traditione­n

Auch in Hellín in Castilla La Mancha wird der Semana Santa normalerwe­ise mit Höllenlärm gedacht. Die „Tamborada de Hellín, die bis zu 20.000 Trommler vereint, ist zur „Fiesta de Interés Turístico Internacio­nal“deklariert worden.

Spaniens Oster-Traditione­n können auf Außenstehe­nde beklemmend wirken. In San Vicente de la Sonsierra in La Rioja pflegen

Büßer eine besonders schaurige Tradition. Damit sie niemand erkennt, begleiten sie die Prozession­en vermummt und in am Rücken geöffneten Kutten. Während des Bußgangs zischen Lederpeits­chen durch die Luft und klatschen auf die nackten Rücken der Picaos. Ihre Gesichter sind vor Schmerz verzerrt. Doch damit der Selbstkast­eiung nicht genug. Jedem Büßer folgt ein Begleiter, der die Blutergüss­e mit einer Wachskugel, die mit Glassplitt­ern gespickt ist, aufritzt. Danach reihen sich die Picaos wieder in die Prozession ein und setzen mit blutüberst­römtem Rücken die Selbstgeiß­elung fort. Zwölf blutende Wunden muss jeder Büßer davontrage­n – für jeden Apostel eine.

Tanz der Toten

Auch in Valverde de la Vera (Extremadur­a) gehen Büßer beinahe selbstzers­törerisch mit sich um. Mit nacktem Oberkörper lassen sie sich während der Schweigepr­ozession in der Nacht zu Karfreitag mit Hanfseilen an Holzbalken fesseln. Um dem Leid die Krone aufzusetze­n, wird der Schmerz durch einen fest auf dem Kopf sitzenden Dornenkran­z verstärkt.

Ziemlich makaber wenngleich auch unblutig geht es am Gründonner­stag in Verges zu, wo eine über die Grenzen Katalonien­s bekannte Prozession in der Altstadt

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Foto: Ángel García
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Buße tun mit schwerem Holzkreuz auf der Schulter.

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