Mit Abstand zu Ostern
Trommelwirbel und sich geißelnde Büßer – Die Karwoche in Spanien ist an Vielfältigkeit nicht zu überbieten
Wieder fällt die Semana Santa der Corona-Pandemie zum Opfer. Küste und Hinterland bieten einige Alternativen, wie man Frühling und Ostern genießen kann, beim Wandern, Picknicken oder an Stränden, die zu Spaziergängen einladen.
Gläubige Katholiken, die sich bis aufs Blut selbst geißeln, düstere Gestalten, die mit Mühe die Kraft aufbringen, sich unter dem Gewicht tonnenschwerer Heiligenbilder auf den Beinen zu halten, oder Menschen, die barfuß schwere Holzkreuze durch die Massen an Besuchern tragen. Gespenstische Stille oder zuweilen jubelnde Zuschauer bestimmen die Karwoche in Spanien. Traditionen, die bis ins 21. Jahrhundert aufrecht erhalten werden – wenn sie auch wegen der Corona-Pandemie nicht gelebt werden können.
Hochburg der österlichen Feierlichkeiten ist Sevilla. 60.000 Nazarenos, Büßer, aus 58 Brüderschaften schleppen während der Karwoche prunkvoll geschmückte Throne mit Heiligenfiguren durch die Straßen. Eine Prozession nach der anderen schiebt sich normalerweise durch die Stadt, vorbei an Millionen Besuchern von nah und fern. Der größte Augenblick der Karwoche ist gekommen, wenn in der Nacht auf Karfreitag „Nuestra Señora de la Esperanza“, die Mutter Gottes der Hoffnung, durch die überfüllten Straßen des Altstadtviertels getragen wird. Viele kommen nur ihretwegen. Wie keine andere verehren die Sevillanos die Madonnenstatue „La Macarena“.
Karfreitag im aragonischen Bergdorf Calanda. Mit dem Glockenschlag um Punkt 12 Uhr setzt an der Pfarrkirche des 4.000 Einwohner zählenden Ortes ein tosender Trommelwirbel ein. Er ist Auftakt für ein ohrenbetäubendes Spektakel, bei dem 1.500 Trommler verschiedener Altersgruppen kraftvoll auf die Pauke schlagen, während sie durch die Gassen ziehen. Die Kraft des kollektiven Trommelns erschüttert bis Ostersamstag Hauswände und lässt die Erde unter den Füßen beben. Der Brauch geht auf das Jahr 1127 zurück. Demnach soll ein Hirte die Christen, die sich zur Ostermesse versammelt hatten, mit lautem Trommeln vor angreifenden Mauren gewarnt haben.
Schaurige Traditionen
Auch in Hellín in Castilla La Mancha wird der Semana Santa normalerweise mit Höllenlärm gedacht. Die „Tamborada de Hellín, die bis zu 20.000 Trommler vereint, ist zur „Fiesta de Interés Turístico Internacional“deklariert worden.
Spaniens Oster-Traditionen können auf Außenstehende beklemmend wirken. In San Vicente de la Sonsierra in La Rioja pflegen
Büßer eine besonders schaurige Tradition. Damit sie niemand erkennt, begleiten sie die Prozessionen vermummt und in am Rücken geöffneten Kutten. Während des Bußgangs zischen Lederpeitschen durch die Luft und klatschen auf die nackten Rücken der Picaos. Ihre Gesichter sind vor Schmerz verzerrt. Doch damit der Selbstkasteiung nicht genug. Jedem Büßer folgt ein Begleiter, der die Blutergüsse mit einer Wachskugel, die mit Glassplittern gespickt ist, aufritzt. Danach reihen sich die Picaos wieder in die Prozession ein und setzen mit blutüberströmtem Rücken die Selbstgeißelung fort. Zwölf blutende Wunden muss jeder Büßer davontragen – für jeden Apostel eine.
Tanz der Toten
Auch in Valverde de la Vera (Extremadura) gehen Büßer beinahe selbstzerstörerisch mit sich um. Mit nacktem Oberkörper lassen sie sich während der Schweigeprozession in der Nacht zu Karfreitag mit Hanfseilen an Holzbalken fesseln. Um dem Leid die Krone aufzusetzen, wird der Schmerz durch einen fest auf dem Kopf sitzenden Dornenkranz verstärkt.
Ziemlich makaber wenngleich auch unblutig geht es am Gründonnerstag in Verges zu, wo eine über die Grenzen Kataloniens bekannte Prozession in der Altstadt