Costa del Sol Nachrichten

Küche Kaffeeland Spanien

Auch in Spanien ist Kaffee ein Lebenselix­ier mit einer interessan­ten Geschichte, eigenem Anbau und kurioser Vielfalt

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mar. Wie wichtig den Spaniern ein guter Kaffee ist, kann man an zwei Ritualen ablesen, die sich tagtäglich wiederhole­n. Wie in Italien, kommt auch in Spaniens Küchen jeden Morgen die eiserne macchinett­a oder cafetera auf den Herd, in der, wie die meisten schwören, der beste Kaffee gelingt, vor allem dann, wenn sie alt und mit Patina besetzt ist, weshalb sie nur rudimentär zu reinigen ist. Neumodisch­e Kaffee-Hipster widersprec­hen dieser These, der Kaffee sei schon halb verbrannt und ausgedünst­et, wenn das viel zu heiße Wasser auf ihn trifft, das dann wiederum auch „unerwünsch­te“Bitterstof­fe freisetze. Die meisten Kaffeetrin­ker pfeifen auf diese Expertise.

Das zweite Kaffee-Ritual feiern die Spanier, oft mehrmals täglich, in ihren Bars, wovon das Land pro Kopf bekanntlic­h mehr hat als jedes andere der Welt. „Bring mir einen cortado von der Maschine, aber mit viel Kaffee und wenig Milch, und nur einen Hauch Schaum, aber nicht zu heiß, letztes Mal habe ich mir die Lippen verbrannt. Und dazu Zucker, braunen Zucker, nein, lieber doch Süßstoff. Oder weißt du, am besten die Milch gleich separat und dazu ein Glas mit Eiswürfeln.“Der Kellner notiert mit der Miene hart trainierte­r Engelsgedu­ld und hört sich die Verse aller anderen Gäste ebenso an. Als die Bestellung ankommt – es sind im Prinzip alles schwarze oder Milchkaffe­es, mal in kleinen Gläsern, mal in einer Tasse – weiß keiner mehr, was er genau bestellt hat, ist sich aber sicher, dass er den ultimative­n, individuel­len Kaffee vor sich stehen hat.

Beides, die cafetera auf dem Herd, wie die Espresso-Maschine in der Bar, kommen aus Italien und von dort, so weiß es die Geschichts­schreibung, kam auch der Kaffee auf geregelte Weise nach Spanien, über venezianis­che Geschäftsl­eute und sozusagen mitgebrach­t von den Bourbonen, die Anfang des 18. Jahrhunder­ts nach Sizilien und Neapel auch Spanien unter ihre Krone und Kontrolle brachten.

Natürlich hatte Spanien durch die Kolonien in Amerika schon zuvor Zugang zu Kaffee, doch als die meisten davon um 1820 verlorengi­ngen, war Kaffee noch lange kein Mode- oder Massengetr­änk, sondern unbezahlba­rer Luxus und weiten Teilen der Bevölkerun­g schlicht unbekannt. Anders sah es da schon mit der heißen Schokolade aus, die von den solventere­n Spaniern bevorzugt wurde, zu der man über Mexiko leichten Zugang hatte und in die bis heute mit fast sakraler Innigkeit das Spritzgebä­ck churro getunkt wird. Bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts war der Kakaokonsu­m in Spanien höher als der Kaffeekons­um.

Kaffeeanba­ugebiet Spanien

Offiziell erscheint der Kaffee erst 1726 im amtlichen Wörterbuch der Real Academia Española, 1764 eröffnet in Madrid das erste Kaffeehaus, die Fonda de San Sebastián in der Calle Atocha, und 1778 ergeht von König Carlos III ein Verdikt, dass auf den Kanarische­n Inseln

Kaffee anzubauen sei, um weniger von Importen abhängig zu sein. Ein winziges Anbaugebie­t blieb davon bis heute erhalten. Die Kaffeebaue­rn des kleinen Valle de Agaete ganz im Nordwesten von Gran Canaria drucken auf die Packungen ihres Arabica-Kaffees stolz: „Der einzige Kaffee aus Europa“. Die seltene Kuriosität kostet um die 60 bis zu 100 Euro das Kilogramm, denn gerade 2.500 Kilogramm produziere­n sie jährlich.

Ganz richtig ist der Werbespruc­h allerdings nicht. Denn die Kanaren liegen geographis­ch und erst recht klimatisch eigentlich schon in Afrika und so könnten auch die Portugiese­n und Franzosen sich aufgrund ihrer Überseegeb­iete wie der Azoren oder Guyana als „europäisch­e Kaffeeprod­uzenten“bezeichnen.

Ob die Mauren in ihren 800 Jahren auf der Iberischen Halbinsel bereits Kaffee genossen, ist historisch heute kaum nachweisba­r, aber höchst wahrschein­lich, bedenkt man die Affinität der Araber zum Kaffee. Immerhin beschreibt eine Legende, dass der Erzengel Gabriel den Propheten Mohammed persönlich mit dem aufbauende­n Trunk für seine Mühen um das Gotteswort belohnt haben soll. Und schließlic­h gehörte Kaffa im Jemen, mithin das Urland des Kaffees, zu den Kalifaten von Damaskus und später Bagdad, aus denen die arabischen Eliten stammten, die mit den Berbern Hispania ab 711 eroberten.

Almanzors Espresso

Doch die Quellenlag­e ist – zumindest für uns Europäer – schwierig, auch weil viele der alten Maurenbibl­iotheken mit der „Reconquist­a“in Flammen aufgingen. Der Gastronomi­ehistorike­r Carlos Azcoytia Luque fand zwar in einem Buch des königliche­n Leibarztes Antonio Lavedan von 1796 einen Verweis auf eine Schrift des Generals Almanzor (10. Jahrhunder­t), einem der wichtigste­n Politiker des Kalifats von Córdoba, in dessen Schriften es ein

Kapitel „Von den Aromen“gibt, wo von einem „warmen, aromatisch­en Getränk namens bunchum“die Rede ist, das aus einer „Frucht aus Samen aus dem Yemen“gemacht werde. Ob Bunchum aber das gleiche ist wie Kaffee, wird von anderen Forschern wiederum angezweife­lt. Stutzig macht auch der Umstand, dass der Zeremonien­meister des Taifas von Murcia, Ibn Razîn, in seinen um 1230 erschienen umfangreic­hen Schriften vom Kochen und Feiern an den Maurenhöfe­n nicht ein einziges Mal Kaffee erwähnt. Bekannt ist indessen, dass spätere, radikalere muslimisch­e Richtungen den Kaffee für Glaubensbr­üder verbieten wollten, weil er die Menschen kirre mache.

Und diese aufputsche­nde Wirkung lässt sich auch im Spanien der Neuzeit belegen. Anfang des 19. Jahrhunder­ts waren noch nicht Madrid oder Barcelona die Kaffehaush­auptstädte Spaniens, sondern Cádiz, die uralte andalusisc­he Hafenstadt mit ihren vorzüglich­en Handelsbez­iehungen in alle Welt. Eine Zeitung in Cádiz berichtet 1802 von 23 Etablissem­ents in der Altstadt, in denen sogar „im Stehen!“café getrunken werde und die sich zu wahren Zentren der „ungehörige­n“politische­n Debatte und Versammlun­g entwickelt­en.

Die Warnung der Zeitung war prophetisc­h. Denn schon 1820 wurde in diesem koffeinier­ten Umfeld Spaniens erste liberale Verfassung verkündet, der König vertrieben und 1868 ging von hier die Revolution aus, die zur Ersten Republik führte. Machte der Kaffee Cádiz zum Zentrum des spanischen Widerstand­es?

Nun, das Trinenio liberal und die Erste Republik wirkten am Ende auch nicht viel länger als eine Kanne starken Kaffees und ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts bis in die wilden 30er Jahre des 20. Jahrhunder­ts blühte auch in den Zentren des Bürgertums in Spanien jene Kaffeehaus­kultur auf, die Paris, Wien und Budapest berühmt machte. Einige dieser Häuser haben bis in unsere Tage überlebt, wie das „Gran Café Gijón“in Madrid (Paseo de Recoletos 21), das sich seit 1888 als Café der Literaten und natürlich der Journalist­en profiliert­e, die bis heute keinen Satz ohne Kaffee formuliere­n können. Da wären das Café der Bohème „Barbieri“(1901), natürlich das „Viena“(1928) oder das „Café Central“(1908) auf der Plaza del Ángel.

Auch Barcelona, Valencia, Bilbao, Santander, Málaga und natür

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Fotos: Wikipedia, Archiv Einen kräftigen „café sólo“oder mit Milch zum „cortado“verschnitt­en?
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Valle Agaete, Spaniens Kaffeeanba­ugebiet auf den Kanaren.

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