Eldorado für Mafia-Clans: Costa del Sol lockt Banden aus aller Welt an
Marbella ist ein Aushängeschild für den Tourismus und ein Markenzeichen für Mafias
Marbella – lk. Rolex am Arm, Porsche, Calvin-Klein-Bauchtasche und mindestens fünf Mobiltelefone – so in etwa kommt der junge Kriminelle an der Costa del Sol daher. Seit den 1960er Jahren hat sich zwischen dem Campo de Gibraltar und Málaga ein weites Netz der organisierten Kriminalität gespannt. Die Tageszeitung „El País“bot in der Ausgabe vom Sonntag eine detaillierte Momentaufnahme der kriminellen Banden an der Costa del Sol.
Antonio Romero, Co-Autor des Buchs Cosa Nostra, betont, dass mit dem Beginn des Massentourismus vor allem in Torremolinos in den 1960er Jahren auch der Jet Set Südspanien ansteuerte. „Zur Zeit der Franco-Diktatur hatten Kriminelle einen Freifahrtschein“, so Romero. „Der Deal lautete, dass die Ganoven zwar kommen konnten, um sich zu erholen und Geld zu bringen, nicht aber, um Verbrechen zu verüben.“
Damals hätten die Autoritäten weggeschaut, die 90 Kilometer lange Küste sei zum Eldorado für Mafias aus der ganzen Welt geworden. Die Nähe zum Campo de Gibraltar, einem der wichtigsten Drogenumschlagplätze, und zum Hafen von Algeciras, einem der bedeutendsten strategischen Häfen für den Transport von Kokain aus Südamerika, begünstigen das Agieren der Narcos.
Nach Angaben des Zentrums zum Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität (Citco) sind an der Costa del Sol mindestens 113 kriminelle Banden mit Mitgliedern aus 59 verschiedenen
Nationen zu finden. An keinem anderen Ort der Welt gibt es derart viele Mafias auf einem so engen Raum. Die Nationalpolizei bezeichnet die Costa del Sol als ein Hub oder Zentrum für Co-Working, in dem alle kriminellen Banden vereint sind und zusammenarbeiten.
Neues Profil der Mafiosos
Marbella sei ein Aushängeschild für Tourismus aber auch ein Markenzeichen der Kriminalität, so einer der befragten Polizisten. Ein Mitglied des Mafia-Clans Camorra bestätigte, dass sich die Clans zwar nicht vermischen, sie aber gelegentlich zusammenarbeiten. In den vergangenen Jahren hat sich das
Profil der Mafiosi verändert. Einer der Mitarbeiter der Spezialeinheit der Nationalpolizei zum Kampf gegen die organisierte Kriminalität (Greco) betonte, dass heute vor allem junge bewaffnete Kriminelle die Straßen von Puerto Banús und Nueva Andalucía bevölkern. Die Mafiaclans vermischen sich mit den Millionären in Marbella.
Im Immobilienportal Idealista sind fast 4.000 Häuser in Marbella zu finden, die über eine Million Euro kosten. 100 mehr als in Madrid. Dabei beziffert sich das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Kopf in Marbella auf 21.818 Euro und liegt unter dem spanischen Durchschnitt. Der Anwalt Ricardo Álvarez-Ossorio, der sich auf
Strafrecht spezialisiert hat, sagt, dass die organisierte Kriminalität kaum sichtbar sei. Jahrelang habe Marbella davon gelebt, dass die Kriminellen sich hier bereichert und ihr Geld ausgegeben haben.
Beim Kommissariat der Nationalpolizei in Marbella gehen täglich bis zu 150 Anzeigen ein. Etwa 32.000 Fällen geht die Nationalpolizei pro Jahr nach. Eine Zahl, die sonst für Städte mit einer dreimal so hohen Bevölkerungszahl üblich ist. Lediglich die Lokalpresse berichtet gelegentlich über die organisierte Kriminalität. Oft werden die Vorfälle nicht publik gemacht, denn in vielen Fällen erstatten Kriminelle keine Anzeige – aus Angst vor einem Rachefeldzug.