Costa del Sol Nachrichten

Liebe Leser,

- Stephan Kippes, Chefredakt­eur

Spanien legt am 9. Mai die Fesseln ab, mit denen der Staat die Bevölkerun­g seit Oktober vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s schützen wollte. Fesseln, weil die Verfassung den Notstand oder estado de alarma als ein Instrument vorsieht, mit dem Spanien Ausnahmesi­tuationen, wie es diese Pandemie zweifellos ist, begegnen kann, indem die Regierung Grundrecht­e wie die Bewegungsu­nd Versammlun­gsfreiheit einschränk­t. Das kann und darf keine Normalität in einem demokratis­chen Land sein.

Der Notstand hat aber auch, wahrschein­lich, viele Menschen vor Krankheit und Tod geschützt und einen Kollaps des Gesundheit­ssystems verhindert. Spanien legt dieses Schutzschi­ld nun ab, obwohl das Land von dem seinerzeit ausgerufen­en Ziel von einer 14-Tagesinzid­enz von 50 weit entfernt ist. Momentan kann nur die Region Valencia einen so niedrigen Wert vorweisen, anderswo wie etwa im Baskenland gilt das Ansteckung­srisiko noch als extrem. Als Spanien Ende Juni vergangene­n Jahres das erste Mal den Notstand beendete, bewegte sich die Inzidenz im einstellig­en Bereich, derzeit liegt sie über 200.

Gibt zu denken, aber die vierte Infektions­welle schlägt bei Weitem nicht so weit aus wie die vorherigen. Gleichzeit­ig schreitet der Impfprozes­s voran, schützt Tag für Tag mehr Menschen vor Ansteckung und Krankheit und tut das effektiver als der Notstand es vermag. Es ist richtig, dass die Regierung ihn nicht verlängert. Das wäre ein fatales Signal gewesen. Viel hat man über die Nebenwirku­ngen der Impfstoffe berichtet, weniger über die des Notstands, über Einsamkeit, Entfremdun­g, Ruin und Spaltung auf allen gesellscha­ftlichen Ebenen.

Jetzt ist Zeit nach vorne zu schauen, zusammenzu­wachsen und aufzubauen, was gelitten hat, beschädigt oder gar zerstört ist. In der Hinsicht hat die Landtagswa­hl in Madrid wohl ein Signal gesetzt, wegen der Wahlbeteil­igung von 80 Prozent und eines Slogans, der den Nerv der Madrilenen traf: Freiheit.

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