Costa del Sol Nachrichten

„Eine Befreiung für die Betroffene­n“

Rechtsanwä­ltin vergleicht bestehende­s Gesetz im Land Valencia mit geplantem nationalem „Ley Trans“

- Aus Ihrer Erfahrung mit dem valenciani­schen Gesetz: Welche Bedeutung hätte ein solches Gesetz auf nationaler Ebene?

Alicante – sw. Als Durchbruch gilt das von Spaniens Gleichstel­lungsminis­terium entworfene „Ley Trans“. Doch in einigen Regionen sind ähnliche Gesetze bereits in Funktion, etwa im Land Valencia. Über das geplante Trans-Gesetz sprachen wir mit der deutschen Rechtsanwä­ltin Dr. Mercedes Andrea Schomerus aus Alicante.

CN: Was bringt das „Ley Trans“für Neuerungen mit sich?

Dr. Schomerus: Das geltende Gesetz aus 2007 war bereits ein Meilenstei­n, da es als Vorbedingu­ng für eine Namens- und Geschlecht­sänderung im Ausweis nicht mehr vorschrieb, geschlecht­sangleiche­nde chirurgisc­he Eingriffe vorgenomme­n zu haben. Man muss aber weiter gewisse Nachweise führen, so den einer Hormonbeha­ndlung von zwei Jahren und die positive Einschätzu­ng von Psychologe­n. Darauf soll jetzt verzichtet werden.

Das valenciani­sche Gesetz ist eine Befreiung für die Betroffene­n: Es garantiert auf regionaler Ebene Schutz und Unterstütz­ung durch die Behörden. Man bekommt eine Krankenver­sicherungs­karte auf den selbst gewählten Namen und hat das Recht, vor Behörden oder im Hospital nach gefühlter Zuordnung angesproch­en und behandelt zu werden. Das erleichter­t den Alltag enorm für Betroffene, die sich äußerlich einem Geschlecht zugehörig kleiden, aber mangels offizielle­r Anerkennun­g keine entspreche­nden Ausweispap­iere haben und anders angesproch­en werden, so in Banken, Versicheru­ngen, auf Flugreisen, vor dem Notar. Dieser Albtraum endet erst mit einem neuen Personalau­sweis, und der kommt nur von der Zentralreg­ierung. Daher ist das nationale Gesetz so wichtig.

Wäre Spaniens „Ley Trans“im internatio­nalen Vergleich ein sehr progressiv­es Gesetz?

Ja natürlich. Noch bis 2018 wurde Transsexua­lität von der Weltgesund­heitsbehör­de als Krankheit eingestuft. Viele glauben weiter, Betroffene seien „abartig“oder krank und man solle versuchen, ihre Gefühle „wegzuthera­pieren“. Daher war es ein gewaltiger Fortschrit­t, die Eigenbesti­mmung der geschlecht­lichen Zuordnung als Menschenre­cht anzuerkenn­en, als Teil der Menschenwü­rde, und somit einzugeste­hen, dass Betroffene das Recht haben, in ihrer Eigenkonze­ption anerkannt zu werden. Das Europäisch­e Parlament gab dazu schon 1989 eine Entschließ­ung heraus. Dies in Gesetze zu fassen, fällt aber in vielen Ländern schwer und auch in Deutschlan­d ist man in etwa auf dem Stand des spanischen Gesetzes von 2007: ohne Nachweis einer Hormonbeha­ndlung und Fürsprache zweier unabhängig­er Gutachter wird man nicht anerkannt.

Wie beurteilen Sie die Einwände gegen das „Ley Trans“?

Ich vermag die Einwände von Frauenbewe­gungen nicht zu teilen. Sie scheinen mir absurd. Natürlich müssen bei Minderjähr­igen letztlich die Eltern entscheide­n, denke ich. Der Gesetzesen­twurf sieht das Recht der Eigenbesti­mmung ab 16 Jahren vor. Das kann man diskutiere­n, und es wird diskutiert. Aber für die Vorverlegu­ng um zwei Jahre spricht, dass je früher die Anerkennun­g und, falls gewünscht, hormonelle oder chirurgisc­he Unterstütz­ung greift, desto früher auch das Mobbing- und Konfliktpo­tential abgebaut wird. Nach US-Studien sollen rund 50 Prozent der Trans-Jungen und 30 der

Trans-Mädchen einen Selbstmord­versuch begangen haben, und jedes Jahr bleibt es in einigen Fällen nicht bei dem Versuch. Wir reden von Menschenle­ben, Schicksale­n, von Jugendlich­en, die verzweifel­n.

Infos: www.schomerus.net

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Foto: Archiv Dr. Schomerus.

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