Gemälde entdeckt: Die lange Suche nach einem wertvollen Werk Caravaggios könnte ein Ende haben
Die lange Suche nach einem Werk Caravaggios könnte ein Ende haben
Mal findet sich ein wildes Bild Jackson Pollocks in einer Gartenlaube, mal werden zufällig religiöse Werke Francisco de Goyas auf dem Weg zur Abstellkammer entdeckt. Der Kunstmarkt ist und bleibt voller Geheimnisse. Eins rankt sich um den Verbleib einer „Ecce homo“-Darstellung des italienischen Barock-Malers und Haudegens Caravaggio (15711610), die als verschollen gilt und möglicherweise im Madrider Nobelviertel Salamanca hing, wo sie jahrzehntelang übersehen wurde.
Anfang April zog das Madrider Auktionshaus Ansorena kurz vor der Versteigerung ein Bild zurück, das als Werkstatt José de Riberas für 1.500 Euro angekündigt worden war. Die Besitzer hätten plötzlich Zweifel, hieß es. Die Zweifel haben italienische Kunsthistoriker geweckt, die auf das 111 mal 86 Zentimeter große Ölbild aufmerksam wurden und es Caravaggio zuschreiben. Dann wäre es Millionen wert. Aber auch als Werkstatt oder Original des spanischen Caravaggio-Bewunderers José de Ribera war es vom Auktionshaus viel zu niedrig angesetzt. Angeblich ein Fauxpas, weil der Spezialist im Vaterschaftsurlaub war. Jedenfalls ging die Geschichte durch die internationale Presse und machte den spanischen Staat hellhörig.
Das Kulturministerium hat für den „Ecce homo“sofort ein Exportverbot verhängt, die Regionalregierung Madrids das Bild zum Geschützten Kulturgut (BIC) erklärt. Das dürfte die Besitzer nicht erfreuen. Im Ausland werden gewöhnlich viel höhere Preise erzielt als in Spanien, und ein BIC bringt zahlreiche Pflichten mit sich. Zuerst wollen die Besitzer des Bildes, die Familie Pérez de Castro Méndez, nun feststellen lassen, ob es wirklich von Caravaggio stammt.
Sie hat das angesehene Londoner Haus Colnaghi beauftragt, dessen Partner die ehemaligen Madrider Kunsthändler Jorge Coll und Nicolás Cortés sind. Auch das Prado-Museum ist involviert. Der Direktor, der Valencianer Miguel Falomir, ist schließlich Spezialist für italienische Malerei bis 1700. Ein „Dornenkrone“genanntes Bild des Barockmeisters gilt seit Mitte des 17. Jahrhunderts als verschollen, die letzte Spur führte seinerzeit nach Spanien.
Der liberale Politiker und Diplomat Evaristo trat als Förderer Goyas hervor und wurde von diesem porträtiert. Das Bild hängt im Louvre. Als Kunstsammler hat er
Erst eine gründliche Restaurierung wird den Vorbesitzer offenlegen
sich auf besonders gequälte religiöse Leidensszenen spezialisiert. Um seine Sammlung zu ergänzen, wandte er sich an die Königliche Akademie von San Fernando in Madrid und schlug ein Tauschgeschäft vor. 1823 gab er das Bildnis „Johannes der Täufer“des geschätzten Spaniers Alonso Cano an die Akademie und erhielt im Gegenzug „Ecce homo mit zwei Henkern, von Caravaggio“(Inventar 1817 und 1821), der damals noch nicht gewürdigt wurde.
Wie das Bild nach Spanien und schließlich in die Akademie kam, ist unklar. Der Vizekönig von Neapel, Graf von Castrillo, soll es 1656 aus Italien nach Spanien gebracht haben. Möglicherweise gehörte es später zur immensen Sammlung des Günstlings Manuel Godoy, die auf Befehl von Fernando VII. 1808 beschlagnahmt wurde. Im Inventar Godoys ist das Bild nicht verzeichnet, im Katalog der Real Academia 1824 wird Godoy jedoch sehr wohl als früherer Besitzer bezeichnet. Ein Widerspruch zu anderen Dokumenten der Akademie, in denen ausdrücklich steht, dass Pérez de Castro den „Caravaggio“erhielt, weil dieser der Akademie und nicht zur Godoy-Sammlung gehörte. So bestand nicht die Gefahr, dass der neue Besitzer durch Rückforderungen belästigt würde. Diese waren gang und gäbe, weil die Akademie alles aufnahm, was in politisch wirren Zeiten konfisziert wurde. Viele Werke wurden später von den Erben eingeklagt.
Die kunstsinnigen Pérez de Castro Méndez gehören zu den alten Familien des Salamanca-Viertels. Großvater Diego Méndez hat als Architekt das Valle de los Caídos verantwortet. Diegos Tochter Mercedes Méndez Atard orientierte sich als Künstlerin an der Farblehre des Bauhauses. Ihr Ehemann Antonio Pérez de Castro war ein Nachkomme von Evaristo Pérez de Castro, einem Mitverfasser der liberalen Verfassung von Cádiz 1812 und Kunstsammler. Die drei Erben, die das Bild versteigern wollten, leiten eine angesehene Modeakademie in Madrid.
Eine gründliche Restaurierung der Leinwand könnte einen Stempel zu Tage fördern, der den vorherigen Besitzer erkennen lässt. Aber derzeit ist ein solcher Stempel nicht zu finden. Sollte der Autor tatsächlich Caravaggio sein, könnte der Prado ein Angebot machen. Dann erhielte die Familie nicht so viel wie im Ausland, aber ganz sicher mehr als die geschätzten 1500 Euro der Versteigerung. Und die Madrider Pinakothek hätte ein Meisterwerk mehr.