Kleine Hoffnung auf Dialog und Kompromisse
In letzter Minute zimmern ERC und Junts eine neue Landesregierung für Katalonien zusammen
Barcelona – mar. Katalonien hat eine Landesregierung. Nur zwei Tage vor Ablauf der Frist, ab der Neuwahlen gedroht hätten, wurde am Montag, 24. Mai, Pere Aragonès von der Republikanischen Linken (ERC) zum neuen Landeschef gewählt. Mit den Stimmen seiner Partei und jenen von Junts, der Partei des exilierten, von der spanischen Justiz gesuchten Ex-Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont. Der 38-jährige Aragonès, der Quim Torra ablöst, erklärte, dass er seine Regierung dafür nutzen wolle, um Katalonien nach der Coronavirus-Krise zu stabilisieren und den „Prozess der Selbstbestimmung unumkehrbar zu machen“sowie für die Freilassung der inhaftierten Separatistenführer zu sorgen. Das neue Kabinett der
Generalitat de Catalunya ist zu gleichen Teilen mit ERC- und JuntsMinistern besetzt, letztere stellen auch einen Vizepräsidenten.
Die Regierung startet von Beginn an mit dem Nimbus der Instabilität. Zwar sind sich beide Koalitionspartner
einig im Bestreben um eine Ablösung Kataloniens von Spanien, in der Wahl der Mittel, vor allem aber bei der Frage, wie ein neues Katalonien aussehen soll, liegen zwischen dem radikalen Linksbündnis und den konservativen Nationalisten von Junts Welten. Die Zentralregierung in Madrid erhofft sich, nach dem verhandlungsunwilligen Sturkopf Torra, mit Aragonès einen taktisch flexibleren Verhandlungspartner in Barcelona zu haben und das Dauerthema Katalonien in Richtung eines Kompromisses bewegen zu können. Dagegen sprechen indes die Radikalität von Junts, aber auch Gegenwind aus den eigenen Reihen. Die Regierung Sánchez arbeitet weiter an der Begnadigung der inhaftierten Separatistenführer, wird damit aber einen erneuten politischen Sturm auslösen. Denn neben der lauernden Opposition haben sich auch Staatsanwaltschaft und wird sich vermutlich auch der Oberste Gerichtshof gegen die Begnadigung aussprechen.