Alle Zeichen auf Sommer
Gelockerte Einreise für Geimpfte und Genesene – Tage der Maskenpflicht sind gezählt – Zehn Millionen Geimpfte
Málaga/Murcia/Alicante – fin. In Spanien stehen alle Zeichen auf Sommer, Urlaub, Tourismus – Geld für die angeschlagene Wirtschaft. Mit seiner Ankündigung, ab 7. Juni geimpfte und genesene EU-Bürger ohne Test nach Spanien zu lassen, löste Ministerpräsident Pedro Sánchez vor einer Woche gehörigen Wirbel aus. Die Details ließ er allerdings offen.
Mittlerweile hat das Außenministerium bestätigt, dass die Testpflicht für Geimpfte und Genesene tatsächlich ab 7. Juni bei der Einreise wegfällt. Die vollständige Impfung muss dabei vor mindestens zwei Wochen erfolgt sein. Der Nachweis über die Impfung oder Genesung muss momentan noch auf Papier vorliegen, ab Juli, wenn der europäische Impfpass eingeführt wird, sind die Nachweise dann einheitlich und digitalisiert. Weitere Infos zur Einreise nach Spanien sowie zur Rückreise nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz im Service-Teil.
Nach eineinhalb Jahren Corona ist die Reiselust groß, die Gefahr allerdings noch längst nicht gebannt. Virologen mahnen vor Auslandsreisen, um die immer neu auftauchenden Corona-Varianten nicht den Sommer über im Koffer quer durch die Welt zu schleppen. Und sie wiederholen ihre Gebetsmühle gegenüber den bereits Geimpften: Bitte, weiterhin Vorsicht, weiterhin Maske, weiterhin Abstand. Die Impfung sei nicht gleichzusetzen mit Gefahr gebannt, auch Geimpfte können andere Menschen anstecken.
Briten ignorieren Ampel
Von ihrer neuen Freiheit, ganz ohne Test, Impfung oder Genesung nach Spanien einreisen zu dürfen, machen die Briten bereits Gebrauch. Wie „The Times“ausgerechnet hat, flogen nach Aufhebung der Reiseeinschränkungen binnen fünf Tagen 60.000 britische Urlauber in 284 Flugzeugen nach Spanien – dreimal so viele wie in der Woche zuvor. Den Wunsch nach Sonne können weder der Appell aus London, weiterhin auf Auslandsreisen zu verzichten, noch die britische Reise-Ampel, die für ganz Spanien – mit Ausnahme der Kanaren – weiterhin auf Orange steht, bremsen. Selbst wenn das für die Urlauber bedeutet, dass sie nach der Rückkehr zehn Tage in Quarantäne müssen.
Und Spanien gibt sich alle Mühe, im Sommer ein attraktives Reiseziel zu sein: Es zeichnet sich ab, dass die Maskenpflicht im Freien bald fallen wird. Seit Wochen brodelt die Gerüchteküche unter der Maske, Klartext sprach diese Woche der Landesministerpräsident von Kastilien-La Mancha: „Wir haben die feste Absicht, die Maskenpflicht noch im Laufe des Monats Juni abzuschaffen“, sagte Emiliano García-Page am Montag. Dabei will der Landeschef den Konsens mit allen anderen Regionen suchen und „in den nächsten Wochen“eine gemeinsame Strategie ausarbeiten.
Einen von mehreren Mitstreitern hat Page in Valencias Ministerpräsident Ximo Puig gefunden: „An Orten wie Stränden, Wäldern, Naturschutzgebieten oder Parks könnte die Maskenpflicht eher früher als später abgeschafft werden. Es ist nachgewiesen, dass solche Orte sicher sind“, sagte Puig am Dienstag. Schützenhilfe gab es auch von Fernando Simón, Chef
des Corona-Krisenstabs der spanischen Regierung. „Die Maskenpflicht wird nach und nach fallen. Es geht jetzt darum, das geeignete Datum für den Anfang zu finden“, meinte Simón. Den Anfang könnten beispielsweise durchgeimpfte Seniorenheime machen. Eine Entscheidung über die Maskenpflicht im Freien werde „in den nächsten Wochen“fallen. Aber: Da die Maske als Corona-Schutzmaßnahme gesetzlich vorgeschrieben ist, müssen erst die bürokratischen Mühlen mahlen. „Ein Gesetz kann man nicht von einem Tag auf den anderen ändern“, so Simón.
Ausgangssperre abgeschafft
Valencia ist unterdessen die letzte Region in Spanien, die am 7. Juni ihre nächtliche Ausgangssperre aufhebt. Ab dann sollen auch die beschränkte Teilnehmerzahl bei privaten Treffen abgeschafft und – schrittweise – das Nachtleben in Pubs und Diskotheken reaktiviert werden. Valencias Landeschef mahnte trotz Lockerungen getreu seiner strengen Corona-Linie weiter zur Vorsicht, auch wenn die Region nach wie vor die niedrigsten Werte in Spanien aufweist: „Wir müssen uns sehr bewusst sein, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Auch wenn die Situation momentan gut ist, können wir es uns nicht leisten, noch einmal zurückzufallen“, betonte Puig.
Die Zahlen sprechen für sich: Der zuletzt starke Rückgang bei den Neuinfektionen stagniert in Spanien, in einigen Regionen – etwa in Andalusien – steigt die Kurve auch wieder leicht an. Die Landesregierung in Sevilla reagierte sofort und verschob die eigentlich geplante Lockerung der Auflagen um zwei Wochen. Einen guten Überblick über die kurzfristige Entwicklung liefert die Sieben-Tages-Inzidenz. In der Region Valencia stieg sie binnen einer Woche (Stand 1. Juni) von 14 auf 18, in Andalusien von 74 auf 83, in Kastilien La Mancha von 40 auf 50.
Dennoch ist Corona aktuell weitgehend unter Kontrolle, das zeigen auch die Todeszahlen. Im Mai starben 1.737 Menschen in Spanien mit Covid-19, im April waren es noch 2.757 und im März 6.317 Tote. Der Mai war somit nach August 2020 der am wenigsten tödliche Monat seit Ausbruch der Pandemie.
Eine weitere gute Nachricht liefert der Impffortschritt. Spanien wird in den nächsten Tagen die Zehn-Millionen-Marke der komplett Geimpften knacken. 4,6 Millionen Impfdosen – bisheriger Rekord – erreichten die Impf- und Gesundheitszentren diese Woche, knapp 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hat mindestens eine Spritze bekommen.
Eine Herausforderung stellt die Zweitimpfung der unter 60-Jährigen dar, die als erste Dosis AstraZeneca bekommen haben, bevor der britisch-schwedische Stoff nur noch für die Altersgruppe 60 bis 69 zugelassen wurde. Das Gesundheitsministerium empfiehlt für die zweite Dosis nun Pfizer, die meisten Betroffenen wollen aber AstraZeneca. Das kratzt zum einen am Image der spanischen Gesundheitsexperten und wirft zum anderen die Frage auf, ob genügend AstraZeneca-Dosen für die Zweitimpfungen ihren Weg nach Spanien finden.
Auch Johnson&Johnson schwächelt bei der Lieferung, von den fünf Millionen Impfdosen, die bis Ende Juni zugesagt wurden, ist erst eine knappe Million angekommen. Immerhin hat das Gesundheitsministerium den JanssenImpfstoff, bei dem bekanntlich nur eine Dosis nötig ist, auch für die unter 50-Jährigen zugelassen.
Dennoch, die Impfkampagne schreitet in einem guten Rhythmus voran, 95 Prozent der über 60-Jährigen haben mindestens eine Dosis bekommen, die über 70-Jährigen sind durchgeimpft. Aktuell bekommen die 60- bis 69-Jährigen ihre zweite Dosis, während in den meisten Regionen die Gruppe 50 bis 59 zum ersten Mal den Ärmel hochkrempelt. Einige Regionen sind sogar schon weiter, die Kanaren und Kastilien-La Mancha etwa haben bereits mit der Impfung der 40- bis 49-Jährigen begonnen.
Valencia will ab 17. Juni mit der Impfung der unter 50-Jährigen starten, in Andalusien können seit 1. Juni die Jahrgänge 1970 bis 1972 einen Impftermin beantragen. Murcia beginnt ab 4. Juni mit den 45-bis 49-Jährigen. Sollte Spanien weiterhin an den Altersgruppen festhalten, könnte es jetzt eine ganze Weile dauern, bis die nächste Stufe erklommen wird: Die Jahrgänge 1972 bis 1981 machen mit 7,8 Millionen Personen 16 Prozent der Bevölkerung aus – dank des Babybooms ab den 70er Jahren.
Spanien knackt die Zehn-Millionen-Marke der Geimpften