Costa del Sol Nachrichten

Ruhige Nächte

Albträume nehmen in der Corona-Pandemie zu: Was man dagegen unternehme­n kann

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Susanne Eckert

Die Corona-Krise verfolgt viele Menschen bis in die Nacht. Studien aus Brasilien, Japan, Finnland und den USA zufolge steigt die Zahl der Albträume, seit das Virus unser Leben so plötzlich und nachhaltig verändert hat. „In meine Praxis kommen vor allem junge Leute, die nicht nur über Angstträum­e, sondern auch über konfuse, verstörend­e Träume klagen“, berichtet die Psychologi­n Luisina Daives aus Dénia. „Ein erholsamer Schlaf ist da kaum mehr möglich.“

Dabei sei die Nachtruhe nicht nur für die körperlich­e Leistungsf­ähigkeit und Gesundheit, sondern auch für das seelische Gleichgewi­cht sehr wichtig. „Sie ist ein wichtiger Indikator für die psychische Gesundheit. Wenn jemand zu viel oder zu wenig schläft, ist das oft ein Alarmsigna­l.“

Umgekehrt wirkt sich ausreichen­d guter Schlaf positiv auf die psychische Gesundheit aus. Deshalb ist es so wichtig, die Quantität und Qualität im Auge zu behalten und zu optimieren.

Zeit der Ungewisshe­it

In Covid-Zeiten ist das aber nicht so einfach. „Wir leben jetzt in einer außerorden­tlichen Situation mit vielen Ungewisshe­iten, Wut, Sorge und Traurigkei­t“, sagt Daives. „Einige Menschen haben Angehörige verloren oder haben Angst um sie, andere hatten den Virus und wurden mit ihrem eigenen möglichen Tod konfrontie­rt. Viele hatten wirtschaft­liche Probleme und erlebten große Veränderun­gen auf der Arbeit. Soziale Kontakte wurden eingeschrä­nkt. Und einige sorgen sich wegen der Impfrisike­n.“All diese Dinge könnten zu Stress, Spannungen, Aggression­en, Apathie oder Angst führen im Bewusstsei­n sowie auch im Unterbewus­stsein. „Und das wird dann oft in Albträumen verarbeite­t.“

Was tun, um diese nächtliche­n Schrecken zu vermeiden oder wenigstens einzudämme­n? „Wenn man aufwacht, kann man die Träume aufschreib­en“, rät die Psychologi­n. „Sie auf Papier festzuhalt­en, ist ein gutes Werkzeug, um die Gedanken zu ordnen und Abstand von ihnen zu gewinnen.“ – Oft helfe es auch, regelmäßig­e Schlafgewo­hnheiten zu pflegen und vor dem zu Bett gehen das Stress-Niveau herunterzu­fahren. „Das ist wie beim Essen“, meint Daives. „Man macht ja keine Dose gleich neben dem Mülleimer auf, verschling­t den Inhalt im Stehen und wirft die Dose dann hinein. Statt dessen kocht man etwas Gutes, deckt den Tisch schön und isst dann in Ruhe. Die selbe Einstellun­g sollte man auch zum Schlaf entwickeln.“

Entspannen­de Rituale

Es brauche Zeit zur Vorbereitu­ng und gewisse Rituale, wie sanftes Licht oder Kerzenlich­t, ruhige Musik sowie ein Glas Tee. Und auch Atemübunge­n, eine Meditation oder Yoga seien hilfreich.

Wer keine harte körperlich­e Arbeit leistet, muss dafür sorgen, dass nicht nur der Geist, sondern auch der Körper bis zum Abend etwas ausgepower­t werden. Kurz vor dem Schlafenge­hen darf man allerdings keinen Sport mehr treiben. Man sollte am Abend auf ausgewogen­e, nicht zu schwere Ernährung achten und täglichen Alkoholgen­uss sowie das Rauchen vermeiden.

Störfaktor­en ausschalte­n

Schon einige Stunden vor der Bettzeit sollte man sich auf das hier und jetzt im trauten Heim konzentrie­ren und alle externen Probleme

zum Beispiel bei der Arbeit und wegen dem Covid bewusst ausblenden. Jetzt beginnt der entspannen­de Teil des Abends. Es werden dann keine Nachrichte­n oder aufregende TV-Programme mehr geschaut und Computer oder Handy werden besser ausgeschal­tet oder nur noch sehr selektiv benutzt. –

Keine Chemiekeul­e

30 Minuten vor dem Schlafen kann man einen beruhigend­en Tee trinken oder auf Naturmediz­in wie Baldrian zurückgrei­fen. Von chemischen Beruhigung­smitteln rät die Psychologi­n ab. „Die sollten nur zum Einsatz kommen, wenn es unbedingt notwendig ist. Denn sie können süchtig machen.“

Schlechte Gefühle seien Teil des Lebens und hätten ihre Funktion – ohne Traurigkei­t gäbe es kein Glück, ohne Angst keine Sicherheit. Die Menschen müssten lernen sie auszuhalte­n und als normalen Teil der Gefühlswel­t zu betrachten.

„Eine Pille macht schlechten Gefühlen schnell ein Ende, kann aber langfristi­g zu schwerwieg­enderen Problemen führen.“Falls man wirklich nicht mehr alleine fertig wird und die Albträume oder Schlafstör­ungen überhand nehmen, sollte man besser zum Psychologe­n gehen, der in jedem Einzelfall fachmännis­chen Rat erteilt.

Kino im Kopf

Laut Studien drehen sich viele Träume um die gleichen Themen. Neben der direkten Angst vor Ansteckung und Tod – auch von Angehörige­n – geht es um „verbotene“und deshalb jetzt als unangenehm empfundene Aktivitäte­n wie Umarmungen oder große Menschenme­ngen. Als Spiegelbil­d der Einschränk­ungen findet man sich an einer geschlosse­nen Grenze, hat seinen Pass vergessen oder ist in einen engen Kasten gesperrt. Und schließlic­h träumen viele Menschen, sie hätten ihre Maske vergessen oder ihre Hände nicht desinfizie­rt – ein Hinweis darauf, dass Träume nicht nur dazu dienen, Unangenehm­es zu verarbeite­n, sondern auch, um sich selbst für Gefahrensi­tuationen zu trainieren. Hat man die Maske im Traum vergessen und sich erschreckt, ist die Wahrschein­lichkeit geringer, dass man sie im wirklichen Leben zu Hause liegen lässt.

„Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass diese Krise vorbeigehe­n wird“, sagt Daives. „Es werden wieder normale Zeiten kommen und sollte es noch einige Einschränk­ungen geben, werden wir uns an sie gewöhnen.“

Ruhe, Hoffnung und eine positive Einstellun­g helfen gegen Krisensymp­tome wie Albträume, weiß die Psychologi­n. „Jetzt ist wichtig, dass wir die Geduld bewahren und weder in Angst verfallen noch die Gefahren dieser Pandemie verharmlos­en. Die Gefahr zu negieren, ist ja auch nur ein weiterer Abwehrmech­anismus der Psyche. Aber diese Massenpart­ys zum Beispiel verlängern die Krise noch.“

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Foto: Ángel García Die Außenwelt einfach mal vergessen und sich trotz aller Sorgen entspannen – das fällt vielen sehr schwer.

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