Weiße Häuser, bunte Türen
Allein ist man in Frigiliana fast nie unterwegs – Der touristische Rummel bringt aber so manchen Vorteil mit sich
Frigiliana gehört seit 2015 der Vereinigung der schönsten Dörfer Spaniens an. Zu dieser gehören aber noch 110 weitere Dörfer, viele davon völlig zu Recht, aber nicht in allen Fällen sind die Lorbeeren wirklich verdient. Frigiliana taucht daneben aber auch in allen von Zeitschriften erstellten oder von Internet-Usern abgestimmten Rankings auf, in den obersten Rängen, wenn es das schönste Dorf Andalusiens zu bestimmen gilt, und meist sogar ganz an erster Stelle, wenn es das schönste Dorf der Provinz Málaga zu küren gilt.
Der erreichte Ruhm, verdient oder zu Unrecht, schlägt sich in Frigiliana auf jeden Fall nieder. Zu Ostern oder im Sommer dürfte der Ort aus allen Nähten platzen, wenn schon an einem Werktag im Winter beträchtliche Massen an Touristen in den Gassen von Frigiliana unterwegs sind. Wenn dann noch größere Events im Ort anstehen, wie etwa das Fest der Drei Kulturen Ende August oder der Art Walk Anfang Oktober, reserviert man besser weit im Voraus einen Tisch – oder nimmt sich für den Notfall ein belegtes Brot mit.
Wobei nicht ganz Frigiliana stark überlaufen ist, denn es gibt im Grunde zwei Frigilianas. Jenes, durch das die Besucherströme entlang ziehen und in dem fast an jedem zweiten Haus ein Schild mit der Aufschrift „Casa Rural“(Landgasthaus) neben dem Eingang hängt – gefühlt die Hälfte der anderen Hälfte sind Lokale, Souvernirläden oder Kunstgalerien. Und es gibt dann noch das andere Frigiliana, in dem die Frigilianenses
leben und ihrem ganz normalen Alltag nachgehen, in dem sie im Mini-Eroski einkaufen gehen oder sich im Kebab-Restaurant einen Döner bestellen.
Auswahl an Miradores
Auch in dieses Frigiliana verirrt sich der eine oder andere Fremde, mancher sogar mit voller Absicht, denn in dem Gebäude, in dem sich auch das Rathaus und das Stadtarchiv befinden, ist die Tourist-Info untergebracht. Und direkt daneben befindet sich auf einem Hügel eine Aussichtsplattform, von der aus man das Barribarto, das so touristische Altstadtviertel von Frigiliana, schon mal von Weitem in Augenschein nehmen kann.
Oberhalb des Barribarto befindet sich übrigens ein weiterer Mirador mit entgegengesetztem Ausblick auf das neue Frigiliana. Und auch von der unterhalb der Altstadt gelegenen Plaza de la Tres Culturas, quasi ein mit Gaststätten gesäumter Balkon, kann man den Ausblick auf umliegende Berge und Täler genießen. Die mit Abstand schönste Aussicht bietet indes ein vierter, etwas oberhalb des
Dorfes an der Straße Richtung Torrox gelegener Mirador, von dem der Blick bis über den benachbarten Küstenort Nerja auf das Meer hinausreicht. Eine Parkbucht bietet der Mirador nicht, dafür hat das Rathaus aber einen von Frigiliana hinaufführenden Fußgängerweg eingerichtet.
Die bereits erwähnte Plaza de las Tres Culturas, die das alte vom neuen Frigilaina trennt, ist der strategische Ausgangspunkt für eine Altstadtbesichtigung. Unter dem Platz, der donnerstags den Wochenmarkt beherbergt, befindet
sich eine Tiefgarage. Und von dem Platz fahren Bimmelbahn für ein kollektives und Tuk-Tuk für ein etwas intimeres Sightseeing ab, zwei recht bequeme Alternativen zwar, die einem einiges Auf und Ab ersparen, aber in Frigiliana längst nicht überall hinkommen.
Melasse ist der Renner
Im Rücken der Plaza de las Tres Culturas befindet sich der Palacio de los Condes de Frigiliana, ein früherer Adelspalast, der mit den Mauern der einstigen maurischen Burg errichtet wurde, von denen nur noch wenige, den Aufstieg dorthin kaum lohnende Reste der Grundmauern übrig sind. Heute beherbergt das Gebäude die Fabrica El Ingenio, die europaweit einzige Fabrik, in der Melasse produziert wird. Dass dieser zähflüssige Sirup, ein Honigersatz, der in Spanien unkorrekterweise auch als miel de caña (Zuckerrohrhonig) bekannt ist, der Verkaufshit in Frigiliana ist, kann man dem gastronomischen Angebot der allermeisten Lokale im Ort entnehmen.
Der Zuckerrohranbau wurde in Frigiliana und Umgebung auch erst nach der christlichen Rückeroberung zum wichtigsten ökonomischen Standbein. Unter der islamischen Herrschaft war es noch die Seidenproduktion gewesen. Trotzdem war es die maurische Epoche, die Frigiliana in besonderem Maße geprägt hatte, auch wenn der Dorfname dem römischen Frexinius entstammt, wie der schon in der Antike besiedelte Ort ursprünglich hieß.
Die mittelalterliche Geschichte von Frigiliana fassen übrigens in einer Art Puppentheater-Kiosk unterhalb der Melasse-Fabrik für einen Euro – zwei Euro für Millionäre – ein Araber und sein Papagei für Ortsfremde kurz zusammen, auf Spanisch, Englisch, Deutsch, Französisch oder Koreanisch. Auf der Rückseite tun dies auch noch zwei spanische Omas mit der neueren Stadtgeschichte. Und in der Altstadt gibt es dann noch ein kleines mechanisches Theater mit fünf alternativen Szenerien, drei davon in einem Schaufenster, die beiden übrigen mit Guckloch.
Welche Häuser man im Barribarto auf jeden
Fall gesehen haben und welche Gassen und Innenhöfe man unbedingt abschreiten sollte, kann man in der Tourist-Info erfragen oder vorab auf deren Webseite erkunden. Mann kann sich aber auch einfach treiben lassen, denn wenn man genügend Zeit mitbringt, beim Schlendern gewissenhaft vorgeht und vor keinem Anstieg zurückschreckt, wird man wohl kaum etwas verpassen.
Von mir nur ein einziger Tipp: Wenn man an die Stelle gelangt, an der die Calle Hernando El Darro von der Calle Real abzweigt – an die Weggabelung kommt man zwangsläufig, wenn man den Altstadtrundgang am Platz der drei Kulturen startet, und zwar schon nach wenigen Metern –, sollte man den rechts hinaufführenden Weg wählen. Unterwegs findet man immer wieder dekorative Wandkacheln vor, auf denen die wichtigsten Episoden der Historie von Frigiliana in Wort und Schrift dargestellt sind.
Bummeln ohne Abgase
Irgendwann kommt man zwangsläufig am nordwestlichen Ende der Altstadt an und es bleibt einem ohnehin nichts anderes übrig, als wieder den Weg hinab zur Calle Real einzuschlagen. Diese ist übrigens im Barribarto die einzige für Autos zugängliche Gasse, in der sich der wenige Verkehr auch schnell mal anstauen kann, wenn etwa ein Lieferant halten muss, um einen seiner Kunden zu versorgen.
Von der Calle Real, an deren westlichem Ende sich die Iglesia de San Antonio befindet, in die man einen Blick werfen sollte, wenn die Kirche denn geöffnet ist, geht es dann wieder zurück Richtung Ausgangspunkt, vorbei an kleinen, originellen Lokalen, Andenkenläden und Geschäften mit typischen Handwerksartikeln.
Mein Fazit: Wer ein richtig uriges und abgeschiedenes weißes Dorf im Hinterland besichtigen will, sollte nicht das in reizvoller Berglandschaft gelegene und dennoch nur wenige Kilometer von der Küste entfernte Frigiliana ansteuern, das doch sehr touristisch ist. Dafür bietet der Ort eine enorme Vielzahl an Landgasthäusern und Ferienapartments, sogar ein größeres Hotel und eine breite Auswahl an Bars und Restaurants, wobei in bester Lage und mit toller Aussicht Lokale mit erschwinglichen Preisen vorzufinden sind. Und dass die vielen Touristen viel Geld im Dorf lassen, schlägt sich schließlich auch darin nieder, dass die Gassen des Barribarto – alle mit ornamentaler Pflasterung – sehr gepflegt und üppig mit Pflanzen geschmückt sind. Und die typischen weißen Häuser – viele von ihnen mit dekorierten Fassaden und kein einziges in ruinösem Zustand – erstrahlen trotz aller Saharastaub-Episoden in einem reinen Blütenweiß. Es sind tatsächlich alle Häuser durchgehend weiß gestrichen, allein Türen und Fenster, meist in Blautönen gehalten, sorgen in der Altstadt von Frigiliana für eine farbige Note.