Costa del Sol Nachrichten

Weiße Häuser, bunte Türen

Allein ist man in Frigiliana fast nie unterwegs – Der touristisc­he Rummel bringt aber so manchen Vorteil mit sich

- José A. Nieto Frigiliana

Frigiliana gehört seit 2015 der Vereinigun­g der schönsten Dörfer Spaniens an. Zu dieser gehören aber noch 110 weitere Dörfer, viele davon völlig zu Recht, aber nicht in allen Fällen sind die Lorbeeren wirklich verdient. Frigiliana taucht daneben aber auch in allen von Zeitschrif­ten erstellten oder von Internet-Usern abgestimmt­en Rankings auf, in den obersten Rängen, wenn es das schönste Dorf Andalusien­s zu bestimmen gilt, und meist sogar ganz an erster Stelle, wenn es das schönste Dorf der Provinz Málaga zu küren gilt.

Der erreichte Ruhm, verdient oder zu Unrecht, schlägt sich in Frigiliana auf jeden Fall nieder. Zu Ostern oder im Sommer dürfte der Ort aus allen Nähten platzen, wenn schon an einem Werktag im Winter beträchtli­che Massen an Touristen in den Gassen von Frigiliana unterwegs sind. Wenn dann noch größere Events im Ort anstehen, wie etwa das Fest der Drei Kulturen Ende August oder der Art Walk Anfang Oktober, reserviert man besser weit im Voraus einen Tisch – oder nimmt sich für den Notfall ein belegtes Brot mit.

Wobei nicht ganz Frigiliana stark überlaufen ist, denn es gibt im Grunde zwei Frigiliana­s. Jenes, durch das die Besucherst­röme entlang ziehen und in dem fast an jedem zweiten Haus ein Schild mit der Aufschrift „Casa Rural“(Landgastha­us) neben dem Eingang hängt – gefühlt die Hälfte der anderen Hälfte sind Lokale, Souvernirl­äden oder Kunstgaler­ien. Und es gibt dann noch das andere Frigiliana, in dem die Frigiliane­nses

leben und ihrem ganz normalen Alltag nachgehen, in dem sie im Mini-Eroski einkaufen gehen oder sich im Kebab-Restaurant einen Döner bestellen.

Auswahl an Miradores

Auch in dieses Frigiliana verirrt sich der eine oder andere Fremde, mancher sogar mit voller Absicht, denn in dem Gebäude, in dem sich auch das Rathaus und das Stadtarchi­v befinden, ist die Tourist-Info untergebra­cht. Und direkt daneben befindet sich auf einem Hügel eine Aussichtsp­lattform, von der aus man das Barribarto, das so touristisc­he Altstadtvi­ertel von Frigiliana, schon mal von Weitem in Augenschei­n nehmen kann.

Oberhalb des Barribarto befindet sich übrigens ein weiterer Mirador mit entgegenge­setztem Ausblick auf das neue Frigiliana. Und auch von der unterhalb der Altstadt gelegenen Plaza de la Tres Culturas, quasi ein mit Gaststätte­n gesäumter Balkon, kann man den Ausblick auf umliegende Berge und Täler genießen. Die mit Abstand schönste Aussicht bietet indes ein vierter, etwas oberhalb des

Dorfes an der Straße Richtung Torrox gelegener Mirador, von dem der Blick bis über den benachbart­en Küstenort Nerja auf das Meer hinausreic­ht. Eine Parkbucht bietet der Mirador nicht, dafür hat das Rathaus aber einen von Frigiliana hinaufführ­enden Fußgängerw­eg eingericht­et.

Die bereits erwähnte Plaza de las Tres Culturas, die das alte vom neuen Frigilaina trennt, ist der strategisc­he Ausgangspu­nkt für eine Altstadtbe­sichtigung. Unter dem Platz, der donnerstag­s den Wochenmark­t beherbergt, befindet

sich eine Tiefgarage. Und von dem Platz fahren Bimmelbahn für ein kollektive­s und Tuk-Tuk für ein etwas intimeres Sightseein­g ab, zwei recht bequeme Alternativ­en zwar, die einem einiges Auf und Ab ersparen, aber in Frigiliana längst nicht überall hinkommen.

Melasse ist der Renner

Im Rücken der Plaza de las Tres Culturas befindet sich der Palacio de los Condes de Frigiliana, ein früherer Adelspalas­t, der mit den Mauern der einstigen maurischen Burg errichtet wurde, von denen nur noch wenige, den Aufstieg dorthin kaum lohnende Reste der Grundmauer­n übrig sind. Heute beherbergt das Gebäude die Fabrica El Ingenio, die europaweit einzige Fabrik, in der Melasse produziert wird. Dass dieser zähflüssig­e Sirup, ein Honigersat­z, der in Spanien unkorrekte­rweise auch als miel de caña (Zuckerrohr­honig) bekannt ist, der Verkaufshi­t in Frigiliana ist, kann man dem gastronomi­schen Angebot der allermeist­en Lokale im Ort entnehmen.

Der Zuckerrohr­anbau wurde in Frigiliana und Umgebung auch erst nach der christlich­en Rückerober­ung zum wichtigste­n ökonomisch­en Standbein. Unter der islamische­n Herrschaft war es noch die Seidenprod­uktion gewesen. Trotzdem war es die maurische Epoche, die Frigiliana in besonderem Maße geprägt hatte, auch wenn der Dorfname dem römischen Frexinius entstammt, wie der schon in der Antike besiedelte Ort ursprüngli­ch hieß.

Die mittelalte­rliche Geschichte von Frigiliana fassen übrigens in einer Art Puppenthea­ter-Kiosk unterhalb der Melasse-Fabrik für einen Euro – zwei Euro für Millionäre – ein Araber und sein Papagei für Ortsfremde kurz zusammen, auf Spanisch, Englisch, Deutsch, Französisc­h oder Koreanisch. Auf der Rückseite tun dies auch noch zwei spanische Omas mit der neueren Stadtgesch­ichte. Und in der Altstadt gibt es dann noch ein kleines mechanisch­es Theater mit fünf alternativ­en Szenerien, drei davon in einem Schaufenst­er, die beiden übrigen mit Guckloch.

Welche Häuser man im Barribarto auf jeden

Fall gesehen haben und welche Gassen und Innenhöfe man unbedingt abschreite­n sollte, kann man in der Tourist-Info erfragen oder vorab auf deren Webseite erkunden. Mann kann sich aber auch einfach treiben lassen, denn wenn man genügend Zeit mitbringt, beim Schlendern gewissenha­ft vorgeht und vor keinem Anstieg zurückschr­eckt, wird man wohl kaum etwas verpassen.

Von mir nur ein einziger Tipp: Wenn man an die Stelle gelangt, an der die Calle Hernando El Darro von der Calle Real abzweigt – an die Weggabelun­g kommt man zwangsläuf­ig, wenn man den Altstadtru­ndgang am Platz der drei Kulturen startet, und zwar schon nach wenigen Metern –, sollte man den rechts hinaufführ­enden Weg wählen. Unterwegs findet man immer wieder dekorative Wandkachel­n vor, auf denen die wichtigste­n Episoden der Historie von Frigiliana in Wort und Schrift dargestell­t sind.

Bummeln ohne Abgase

Irgendwann kommt man zwangsläuf­ig am nordwestli­chen Ende der Altstadt an und es bleibt einem ohnehin nichts anderes übrig, als wieder den Weg hinab zur Calle Real einzuschla­gen. Diese ist übrigens im Barribarto die einzige für Autos zugänglich­e Gasse, in der sich der wenige Verkehr auch schnell mal anstauen kann, wenn etwa ein Lieferant halten muss, um einen seiner Kunden zu versorgen.

Von der Calle Real, an deren westlichem Ende sich die Iglesia de San Antonio befindet, in die man einen Blick werfen sollte, wenn die Kirche denn geöffnet ist, geht es dann wieder zurück Richtung Ausgangspu­nkt, vorbei an kleinen, originelle­n Lokalen, Andenkenlä­den und Geschäften mit typischen Handwerksa­rtikeln.

Mein Fazit: Wer ein richtig uriges und abgeschied­enes weißes Dorf im Hinterland besichtige­n will, sollte nicht das in reizvoller Berglandsc­haft gelegene und dennoch nur wenige Kilometer von der Küste entfernte Frigiliana ansteuern, das doch sehr touristisc­h ist. Dafür bietet der Ort eine enorme Vielzahl an Landgasthä­usern und Ferienapar­tments, sogar ein größeres Hotel und eine breite Auswahl an Bars und Restaurant­s, wobei in bester Lage und mit toller Aussicht Lokale mit erschwingl­ichen Preisen vorzufinde­n sind. Und dass die vielen Touristen viel Geld im Dorf lassen, schlägt sich schließlic­h auch darin nieder, dass die Gassen des Barribarto – alle mit ornamental­er Pflasterun­g – sehr gepflegt und üppig mit Pflanzen geschmückt sind. Und die typischen weißen Häuser – viele von ihnen mit dekorierte­n Fassaden und kein einziges in ruinösem Zustand – erstrahlen trotz aller Saharastau­b-Episoden in einem reinen Blütenweiß. Es sind tatsächlic­h alle Häuser durchgehen­d weiß gestrichen, allein Türen und Fenster, meist in Blautönen gehalten, sorgen in der Altstadt von Frigiliana für eine farbige Note.

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Fotos: Encarna Albiol/José Nieto Die wahrschein­lich meistfotog­rafierte Ecke in Frigiliana ist die Kreuzung der Calle Real mit der Calle Hernando El Darro.
 ?? ?? Einwohner sind in der Altstadt hingegen kaum welche anzutreffe­n.
Einwohner sind in der Altstadt hingegen kaum welche anzutreffe­n.
 ?? ?? Im Barribarto sind das ganze Jahr über immer Touris unterwegs.
Im Barribarto sind das ganze Jahr über immer Touris unterwegs.
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 ?? ?? Zwei Highlights sind ein Puppenthea­ter (r.) und ein mechanisch­es Theater, die beide mit Münzeinwur­f funktionie­ren.
Zwei Highlights sind ein Puppenthea­ter (r.) und ein mechanisch­es Theater, die beide mit Münzeinwur­f funktionie­ren.
 ?? ?? Aussicht von der Plaza de las Tres Culturas auf die Melasse-Fabrik, die einst als Adelssitz diente.
Aussicht von der Plaza de las Tres Culturas auf die Melasse-Fabrik, die einst als Adelssitz diente.
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Weniger Lauffreudi­ge lassen sich mit einem Tuk-Tuk kutschiere­n.
 ?? ?? Die Fassaden vieler Häuser sind mit Keramiktel­lern geschmückt.
Die Fassaden vieler Häuser sind mit Keramiktel­lern geschmückt.

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