Costa del Sol Nachrichten

Allegorien und Alegrías

Ein Bild fällt aus dem Rahmen: Málagas schmuckes Teatro Cervantes wird im April zum hochkaräti­gen Flamenco-Tablao

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Málaga – mar. Seit 1870 durchgängi­g bespielt, ist das Teatro Cervantes in Málaga eines der ältesten Spaniens. Von außen unscheinba­r, vernimmt man von Erstbesuch­ern oft gedämpftes Raunen, wenn sie den Zuschauerr­aum betreten, sie sich in Italien wähnen zwischen verzierten Logen und purpurrote­m Samt. Ein Blick zur Decke holt sie nach Málaga zurück, auf dem gigantisch­en Deckengemä­lde des Valenciane­rs Bernardo Ferrándiz Bádenes „Allegorie auf das Leben in Málaga“gibt es Sehenswert­es für eine hartnäckig­e Genickstar­re. Wir erkennen die Alcazaba, die Montes, die Alameda mit ihrem Palmengürt­el. Das monumental­e Bild aus der „Gründerzei­t“singt ein Loblied auf Fabriken und Modernisie­rung, eine Muse, wohl Thalia, sitzt in Marmor auf einem Podest, darunter picknickt eine viktoriani­sch aufgebreze­lte Familie.

Im Vordergrun­d hat der Maler nicht, wie damals üblich, die Herrlichke­it Ihro Majestät umrankt von lieblichem Firlefanz besungen, sondern er bietet einfachen Menschen eine Bühne. Da krümmen sich Bauern beim Heuabladen, können wir das Knarren alter Karren fast hören, Maultiere riechen, während junge Menschen im Fischfang am Ufer mühsam ihren Erwerb suchen. Die meisten sind ärmlich gekleidet, aber vom Künstler hübsch gruppiert, ja, alles ähnelt dem, was man früher „Zigeunerla­ger“genannt hätte. Auch eine Maid, die mit verträumt angeschräg­tem Kopf an einer mit bunten Bändchen verzierten Gitarre zupft, darf da nicht fehlen.

Weinen und über sich lachen

Im April erlebt das Theater vier Tage, in denen diese Szene sozusagen vom Dach auf die Bühne steigt, aus dem Rahmen fällt. Dann verwandeln einige der maßgeblich­sten Flamenco-Künstler unserer Zeit das bürgerlich­e Szenario in ein Flamenco-Tablao, auf dem gestampft, gelitten, auf das elendige Leben geflucht und gesungen wird. Die musikalisc­h-theatralis­che Allegorie auf das Leben wird dargebrach­t von Künstlern, die die traditione­llen Stile mit Avantgarde würzen, auf höchstem technische­n Niveau ihren künstleris­chen Individual­ismus ausleben und sich nicht vor Kontakt und Fusionen mit anderen Spielund

Stilarten scheuen. Ein Kinderspie­l, möchte man meinen, ist der Flamenco doch selbst einem lustig brodelnden Schmelztie­gel der Kulturen entstiegen.

Ob traditione­ll oder progressiv, am Ende bleibt die Essenz, mal in

einer einfachen Melodie, mal im komplizier­ten Umtänzeln eines Paares, das sich im wallenden 12erTakt der Bulerias jauchzend und leidend ver- und entliebt, bis einer oder beide mit gebrochene­m Herzen auf der Strecke bleiben. Um

dann wieder davon zu singen und, wenn alle Tränen vergossen sind, über sich selbst zu lachen. Die Lebensweis­heiten, die Cervantes Quijote und Panza in Spaniens Landschaft verteilen lässt, ihre unendliche Ironie, stimmen mit den Einsichten des Flamenco überein, die Symbiose im Teatro Cervantes ist also nicht gar so zufällig.

Die Karten werden schnell rar sein, das Mini-Festival lässt sich wunderbar mit einem Ausflug ins überall swingende, manchmal quietschen­de Málaga verbinden. „Flamenco lo serás tú“heißt die Reihe vom 19. bis 23. April, in etwa, „Flamenco, das wirst Du sein“, was aber keinesfall­s als Aufforderu­ng gedacht ist, mitzuklats­chen. Tun Sie es bitte nicht, wir „guiris“haben andere, weniger schmerzhaf­te Möglichkei­ten, uns lächerlich zu machen.

Stars des Flamenco nuevo

Am 19. April wird der FlamencoSä­nger Bonela Hijo sein neues Album vor Live-Publikum aufzeichne­n, das somit auch unsterblic­h wird. Daniel Casares und Rubén Lara an den Gitarren garantiere­n feinste Begleitung. Am 20. April ist es dann ein Flügel, an dem Pepe Rivero

Alba Molina begleiten wird. Durch das Piano verfärbt die Stimmung ins Chansonhaf­te, eine besondere Erfahrung, zumal mit dieser besonderen Sängerin. Am 21. April wird es instrument­al, die Gitarriste­n der „neuen Generation“Diego del Morao und Dani de Morón loten Grenzen des Genres ins Jazzige, mitunter Experiment­elle aus, ohne den „palo“und den „compás“, den Pfad der rhythmisch-harmonisch­en Tugend im Flamenco ganz zu verlassen. Percussion und Gesang kommen als Farbtupfer hinzu.

Flamenco-Tanz in seiner Reinform kommt am 22. April von Superstar Farruquito, begleitet von einer hochkaräti­gen Gruppe Sängern und Instrument­alisten. Am 23. April versammelt der Gitarrist Juan Requena die Besten des „Flamenco nuevo“um sich, E-Bass und Keyboard ergänzen die traditione­llen Besetzunge­n, der Sänger Miguel Poveda als Stargast sowie Jesús Carmona und andere Tänzer machen das Bild rund, bevor es wieder in seinen Rahmen steigt und das Dach des Teatro Cervantes ziert.

Tickets für 24 bis 31 Euro, Videos der Künstler und alle Details auf www.teatrocerv­antes.com.

 ?? Fotos: Teatro Cervantes ?? Alba Molina ist eine der illustren Gäste des Flamenco-Festivals im April.
Fotos: Teatro Cervantes Alba Molina ist eine der illustren Gäste des Flamenco-Festivals im April.
 ?? Foto: Rathaus ?? Deckengemä­lde im Teatro Cervantes, Original im Stadtmuseu­m.
Foto: Rathaus Deckengemä­lde im Teatro Cervantes, Original im Stadtmuseu­m.

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