Costa del Sol Nachrichten

Jedem Hund sein Recht

Erstes staatliche­s Tierschutz­gesetz verabschie­det – Kein Hund mehr ohne Haftpflich­tversicher­ung – Private Zucht verboten

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Málaga/Murcia/Alicante – sk. Als Rosa Parks 1955 ihren Sitz in einem Bus in Alabama nicht für einen weißen Mann räumen wollte, nahm die Bürgerrech­tsbewegung ihren Anfang. Fast 70 Jahre später kann man in den USA noch nicht von Gleichbere­chtigung sprechen. Das erste spanische Tierschutz­gesetz ging durchs Parlament, als in Jerez ein Mann einen kleinen Hund vor den Augen seiner gerademal zwölfjähri­gen Halterin tottrat, nur weil er beinahe über die Leine gestolpert wäre. „Unser Kampf für Tierrechte hört mit diesem Gesetz nicht auf“ist sich Ángela Molina sicher, die Koordinato­rin des Zusammesch­lusses valenciani­scher Tierschütz­er, die maßgeblich an der Ausarbeitu­ng des regionalen Tierschutz­gesetzes beteiligt war.

Misshandlu­ngen von Tieren werden wohl weiter vorkommen, doch mit diesem Gesetz zeigt Spanien, dass sie diese nicht mehr toleriert und spricht erstmals Tieren Rechte zu, – und zwar nicht nur Haustieren. Das Ley de Protección de los Derechos y el Bienestar de los Animales stuft Haustiere als „fühlende Wesen“ein, sie gelten nicht mehr als Objekte. Generell will die Regierung die etwa 26 Millionen mascotas besser vor Vernachläs­sigung, Aussetzung und Quälerei durch ihre Halter schützen. Gleichzeit­ig verpflicht­et sie Halter, eine Haftpflich­tversicher­ung für sie abzuschlie­ßen, womit Kosten von rund 30 bis 60 Euro pro Jahr auf Besitzer zukommen können.

Tiere müssen artgerecht untergebra­cht und vor Kälte und Hitze geschützt, falls nötig tierärztli­ch behandelt werden. Hunde dürfen nicht mehr den ganzen Tag an einem winzigen Balkon angekettet sich selbst überlassen oder in der Hitze in einem Auto gelassen werden. „Man hat sicherlich nicht alles erreicht, was wünschensw­ert gewesen wäre – aber dieses Gesetz ist sicherlich ein qualitativ großer Schritt für das Wohlergehe­n der Tiere“, meint der Tierarzt und Ortspoliti­ker Isidoro Molla aus Benissa.

Misshandlu­ngen und andere Verstöße gegen den Tierschutz können mit Geldstrafe­n bis zu 200.000 Euro oder in besonders schwerwieg­enden Fällen mit bis zu 36 Monaten Gefängnis bestraft

werden. Wer sein Tier misshandel­t hat, dem wird es abgenommen und in ein Tierheim gegeben. Eine Tötung von Haustieren ist nur bei einer Gefährdung der öffentlich­en Gesundheit oder im Rahmen von Euthanasie erlaubt und dann auch nur durch einen Tierarzt. Damit geht die federführe­nde Ministerin Ione Belarra von Unidas Podmeos auf die Sacrificio-Cero-Forderung der Tierschütz­er ein und will verhindern, dass ausgesetzt­e Tiere in privat betriebene­n Stationen landen und eingeschlä­fert werden, falls sich kein Halter finden lässt.

Letztendli­ch zog aber der Koalitions­partner der Linken, die Sozialiste­n, vor der Jagd-Lobby den Schwanz ein und nahm ausgerechn­et Jagdhunde aus dem ab September in Kraft tretenden Gesetz heraus. Dabei werden gerade die perros de caza bisweilen unter unsägliche­n Umständen gehalten und landen nach ihrer Dienstzeit mit Glück in Tierheimen. „Für mich ist dieses Gesetz ein Rückschrit­t wegen seiner Ausnahmen. Ein Jagdhund ist auch ein Hund. Man kann

noch gar nicht absehen, was für Folgen die Regel für Jagdhunde haben wird“, kritisiert Ángela Molina. Die valenciani­sche Regelung nimmt wohl Jagdhunde unter Schutz und gilt unter Tierschütz­ern als viel fortschrit­tlicher als die nun verabschie­dete staatliche Grundlagen­regelung. Ob Ober Unter sticht, oder die Valenciane­r an ihrer hart erkämpften Regelung festhalten können, kann auch Molina zum aktuellen Zeitpunkt nicht einschätze­n. „Eigentlich müsste unsere Regelung bestehen bleiben“, meint sie.

Nicht nur Jagdhunde bleiben außen vor, die Ausnahmen gelten auch für Polizei- und Blindenhun­de sowie Herden- und Hütehunde – wobei diese Hunde wohl eingeschob­en wurden, um den Jagdhunden Geleitschu­tz zu leisten. Auch das Verbot, Tiere für Kampfveran­staltungen wie etwa Hahnenkämp­fe einzusetze­n, greift nicht für Stierkämpf­e, die von einem eigenen Gesetz geregelt werden. Auf Nutz- und Schlachtti­ere in der Landwirtsc­haft finden ebenfalls andere Regeln Anwendung.

Dennoch begrüßen Tierärzte wie Molla eine stärkere Regulierun­g des Sektors, etwa bei der Zucht. Privatpers­onen dürfen keine Rassehunde mehr züchten, um sie über das Internet zu verkaufen. „Das begrüße ich ausdrückli­ch. Es gibt so viele Hunde, die nicht artgerecht gezüchtet werden. Die Welpen haben dann oft Krankheite­n. Wer züchtet, muss wissen, was er tut und die Zucht auch unter den entspreche­nden hygienisch­en Bedingunge­n betreiben“, meint er.

De facto wird die Tierzucht in die Hände registrier­ter Züchter übergeben. Auch in Tierhandlu­ngen dürfen keine Hunde, Frettchen und Katzen mehr ausgestell­t und verkauft werden, kleinere Tiere wie Fische und Kaninchen aber schon. Die Regierung will auch noch eine Liste ausarbeite­n, die Haus- von Wildtieren unterschei­det, um den Handel mit exotischen Exemplaren einzudämme­n.

Wohl können zoologisch­e Geschäfte als Vermittler für Adoptionen zwischen Tierheimen und Privatpers­onen auftreten. Das Gesetz macht es explizit zur Aufgabe, Adoptionen aus Tierheimen zu fördern. „Derzeit herrscht noch große Unsicherhe­it, weil das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist. Man weiß noch nicht, welche Tiere auf diese Liste kommen und das wirkt sich negativ aus. Die Leute haben Angst, einen Hamster zu kaufen“, meint Mido Elsaghir von der Tierhandlu­ng Ladridos in Benidorm.

Halter müssen weiterhin Hunde chippen und bei den entspreche­nden Stellen ihrer Regionen registrier­en. Weiterhin setzt die Regierung bei Kolonien von Straßenkat­zen auf ein Management­modell, das auf den Schritten „einfangen, sterilisie­ren und rückführen“fußt. Diese CER-Methode gilt auf den Kanaren und auch in einigen Gegenden mit Feuchtgebi­eten als umstritten, da die ausgewilde­rten Schmusetig­er offensicht­lich Vögel und Reptile jagen könnten.

Umstritten­es Gesetz

„Das Gesetz ist ein qualitativ großer Schritt für das Wohlergehe­n der Tiere“

Die Gesetzesin­itiative hat in vielen Punkten für hitzige Diskussion­en gesorgt, innerhalb der linken Koalitions­regierung, aber auch zwischen Parlament und Senat ging es heiß hin und her. Gekippt ist das Verbot, dass Obdachlose keine Hunde halten dürfen. Obwohl sie manchmal für das Betteln um Almosen missbrauch­t würden, seien sie für die besonders ungeschütz­ten Obdachlose­n ein zu wichtiger Begleiter. Auch der Kursus für Hundehalte­r für den artgerecht­en Umgang mit ihren Schützling­en scheint vorerst auf der Strecke zu bleiben.

Nicht durchsetze­n konnten sich die Linken mit ihrer Forderung, die Listenhund­e abzuschaff­en und größere Hunde allgemein einem Test zu unterziehe­n, ob sie eine Gefahr für die Öffentlich­keit darstellen könnten. Damit bleibt die Ausgrenzun­g der Rassen Pit Bull Terrier, Rottweiler, Argentinis­che Dogge, Staffordsh­ire Bull Terrier, American Staffordsh­ire Terrier, Fila Brasileiro, Tosa Inu und Akira Inu weiter bestehen, die als PPP – perros potencialm­ente peligrosos – geführt und oft zu den Langzeitur­laubern hiesiger Tierheime werden.

Wie bei einem Podemos-Gesetz üblich, laufen Lobbys aus allen beteiligte­n Sektoren Sturm, von Tierärzten über Tierhändle­r, Jäger, Landwirte und Tierschütz­er. Dennoch, dieses Gesetz ist ein Meilenstei­n, würdigt die Arbeit der Tierschütz­er und spiegelt den Teil von Spanien wider, der Tierquäler­ei nicht mehr hinnehmen will. „Wir sind so weit gekommen, wie wir mit unseren Kräften konnten, aber nicht so weit, wie wir uns gewünscht oder gedacht haben. Und wir haben auch nicht als erste diesen Weg des Tierschutz­es beschritte­n, da waren viele, viele Personen vor uns da“, sagte Ministerin Ione Belarra vor dem Parlament.

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Foto: dpa In Spanien werden Hunde künftig als „fühlende Wesen“eingestuft.

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