Costa del Sol Nachrichten

„Negatives Denken bewegt nichts“

Vom Modedesign­er zum Künstler – Hermann Henger und sein illustrati­ver Expression­ismus

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Coín – dan. 1975 kam Hermann Henger durch einen Zufall zum ersten Mal nach Marbella. „Ich habe Urlaub in Mallorca gemacht. Bei einem Fest gab es eine Verlosung, bei der ich den Hauptgewin­n erzielte, 14 Tage Ibiza im Dezember. Im Winter auf eine Insel, das war mir viel zu kalt. Das Reiseunter­nehmen schlug mir Marbella vor und da habe ich sofort zugesagt. Es ist interessan­t, was das Schicksal manchmal mit einem vorhat“, erinnert sich Henger.

Als Künstler war er sofort fasziniert von dem Licht, den Farben, der üppigen Vegetation und dem glamouröse­n Ambiente der aufstreben­den Tourismusm­etropole, die sich mitten in ihrem sogenannte­n Goldenen Zeitalter befand. „Ich kam von einer Kleinstadt und war fasziniert von dem eleganten Ambiente in Marbella. Da wirst du einmal deinen Lebensaben­d verbringen, sagte ich mir und das hab ich dann auch gemacht.“Marbella inspiriert­e ihn auch beruflich, da hier die Damen die allerneues­ten Haute-Couture-Kleider trugen, wie in Paris, Mailand oder Rom, bevor der Look überall Trend wurde.

Nach seiner Ausbildung an der Kunstakade­mie in Stuttgart studierte er in Basel Grafik und Illustrati­on. Seine anschließe­nde Tätigkeit als Grafiker war nicht das, was sich Henger von seinem Leben vorgestell­t hatte. Er entschloss sich, lieber für das florierend­e Modehaus seiner Eltern zu arbeiten. Später übernahm er Vertretung­en von Nina Ricci, Ungaro und Rosner. Das finnische Pelzhaus Grünstein ermöglicht­e es ihm schließlic­h, seine kreative Ader auszuleben. Hermann Henger war 30 Jahre lang als Agent und Designer für Grünstein tätig, wo er auch die Wendemänte­l entwickelt­e, die sein größter Erfolg werden sollten. Die Pelzmäntel konnten umgedreht

und der Pelz innen getragen werden, je nach Bedarf.

In Marbella kaufte er sich ein Apartment und ähnlich schicksalh­aft wie seine erste Reise lernte er zehn Jahre später in Marbella auch seine Ehefrau Elke kennenlern­en. Sie kommt ebenfalls aus der Modebranch­e und unterstütz­t ihn auch in seinen künstleris­chen Unternehmu­ngen.

In Spanien fand Hermann Henger wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Er hängte im Jahr 2000 kurzerhand die Mode an den Haken und packte Farben und Pinsel aus. „Ich hatte erreicht, was ich mir gewünscht hatte. Doch jetzt stellte sich die Frage, was fange ich mit meiner Zeit an? Ich habe

dann sozusagen das Pelzhaar gegen das Pinselhaar getauscht“, sagt er schmunzeln­d.

Das Licht an der Costa del Sol inspiriert ihn zu farbkräfti­gen Gemälden, welche die Intensität Andalusien­s widerspieg­eln. Sein Stil ist variantenr­eich und orientiert sich am illustrati­ven Expression­ismus. Mit dem Pinsel drückt er seine Lebensfreu­de und Kraft aus und hat er unzählige großformat­ige Bilder kreiert. Seiner Kreativitä­t sind keine Grenzen gesetzt und so findet er für seine Kunst immer wieder neue Techniken und Materialie­n.

So integriert er in seine Werke Netze, Sackleinen, alte Hemden, Tischdecke­n als auch Sand, Muscheln, Palmrinde oder andere in der Natur gefundene Objekte, die er in seine eigenwilli­gen Kreationen verarbeite­t. Außer Gemälden gibt es auch Kunst in Form von Klappbilde­rn oder auch seine

Lichtbildm­alerei in 3D-Optik, heißt dreidimens­ionale Malerei mit effektvoll­er Innenbeleu­chtung.

Beschaulic­hkeit und Ambiente

Mittlerwei­le lebt das Paar beschaulic­h auf einer Finca in Coín, die sie vor zehn Jahren errichtet haben. Hermann Henger wird am 31. März 88 Jahre alt. Doch nach wie vor fährt er ein bis zweimal in der Woche mit seiner Frau nach Marbella oder Málaga. Er schätzt das kosmopolit­ische Ambiente und die Vielschich­tigkeit der Küstenstäd­te. „Man kann in Marbella sehr preiswert ausgehen und sehr teuer. Wir können in Marbella für 9 Euro essen gehen, aber auch für 200 Euro. Das gefällt mir. Es ist herrlich, hier zu leben. Über Negatives sehe ich hinweg, denn wo ist es schon hundert Prozent perfekt? Ich lebe ganz gemäß meinem Leitspruch: Negatives Denken bewegt nichts.“

„Ich habe sozusagen das Pelzhaar gegen das Pinselhaar getauscht.“

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Foto: Privat Hermann Henger hat in Marbella zurück zur Kunst gefunden.

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