Vision und Albtraum
Málagas Küstenlinie wird bis 2029 für 400 Millionen komplett umgebaut – N-340 wird zum Tunnel
Málaga – mar. Wer schön sein will, muss leiden. Und Málaga möchte ganz besonders schön werden. Diesmal geht es nicht um das x-te neue Hochhaus mit Wohnungen für Besserverdienende, in Hotels umgewandelte Stadtpalais oder Ferienwohnungen in alten Fischervierteln, für die die alteingesessene Bevölkerung aus ihren Wohnungen gemobbt wird. Diesmal geht es um eine Vision für alle. Die Umgestaltung der Küstenlinie.
Das zentrale Projekt ist die Verlegung der Nationalstraße N340 unter die Erde, auf 2,3 Kilometern Länge von der Avenida Garnica am Bahnhof bis zum Beginn des Malagueta-Strandes. Oberhalb will sich die Stadt Platz schaffen für Grün- und Flanierflächen am Hafen und natürlich auch für Kultur und Business. Das Soho-Viertel wird profitieren, das Guadalmedina-Flussbett, das zu einem Park nach Vorbild des Turia in Valencia werden soll, und die gesamte Alameda werden so aufgewertet, die Plaza de la Marina komplett umgestaltet.
Dreieinhalb Jahre wird allein die Untertunnelung dauern, an deren Endpunkt an der Calle Gutenberg unterirdisch ein Parkhaus von 700 Fahrzeugen am La Malagueta angefahren werden kann. Der Costa del Sol-Transitverkehr soll so
verschwinden. Das Projekt ist gigantisch, fast 400 Millionen Euro aus etlichen Töpfen sind veranschlagt, und die Zeit wird knapp, denn nur, wenn alles nach Plan läuft, wird das Projekt noch zum Start der Weltausstellung Expo 2027 so halbwegs fertig.
Das Auto stehen lassen
An verschiedenen Knotenpunkten der neuen Küsten-Allee werden sogenannte intercambiadores, Wechselplattformen, den jeweiligen Umstieg von Auto auf Öffis oder Radund Fußbetrieb bewerkstelligen.
Physischer Baubeginn für den Tunnel soll 2024 sein, das heißt Richtung Zielmarke Expo startet Málaga schon gleich einmal mit einem halben Jahr Verzug. 2025 sollen dann bereits die Arbeiten an der Oberfläche beginnen, wobei die Frage bleibt, was mit 70.000 Autos geschieht, die die Strecke täglich nutzen, wenn sie oben gesperrt, aber unten noch nicht fertig ist.
Die letzten Bäumchen sollen dann bis 2029 gepflanzt sein. In diesem Jahr beginnt man mit der Explanada de la Estación am westlichen Ende des Projektes, die nicht
direkt mit dem Tunnel verbunden ist. Dort entsteht Málagas neuer Busbahnhof, das alte Gelände, „Los Tilos“direkt neben dem Bahnhof „María Zambrano“, soll für rund 40 Millionen Euro verkauft werden. An Interessenten wird es nicht mangeln, in Málaga fehlen bereits heute mindestens 100.000 Quadratmeter Büroflächen für die vielen TechFirmen und anderen Investoren, die die Stadt stürmen.
6,4 Hektar autofreies Land gewinnt die Stadt durch das Projekt entlang der Küste, wovon ein schmaler Streifen für Gebäude vermarktet wird. Die Grünflächen bekommen eine eigene Entsalzungsund Aufbereitungsanlage, ebenfalls unterirdisch, die allein 16 Millionen Euro kosten wird. Die Planer sprechen von „sozioökonomischen Wertgewinnen“in Höhe von rund einer Milliarde Euro, durch Jobs, Investitionen, Tourismus, Verringerung von Abgasen, Lärm und Stressfaktoren und kommen so auf eine Rentabilität von knapp 17 Prozent. Natürlich finanziert vordergründig mit Steuergeldern.
Sensibler Alameda-Park
Allerdings gibt es Kritiker, die die tatsächlichen Kosten fast doppelt so hoch ansetzen wie die Stadt und vor einem „gigantischen, jahrelangen Chaos“warnen und „zu wenig Grün“bemängeln, was zu dem Verdacht führt, die Stadt könnte die Pläne „anpassen“und die Bebauung erhöhen. Umweltgruppen fürchten wegen der Bauarbeiten zudem um das „botanische und zoologische Juwel“des AlamedaParks, ein wahrer „Dschungel“, der nicht nur für Kühle und Entspannung in der sonst sehr quirligen und lauten Stadt sorgt und besonders sensibel sei. Stadtplaner sprechen auch von technischen Risiken, „der kleinste Bau- oder Rechenfehler kann so nah am Meer Katastrophen zur Folge haben“.