Es bebt bis hierher
Silicon Valley Bank und Credit Suisse: Die Krisenfälle tangieren auch Spanien
Madrid – tl. Das Gespenst einer neuen Finanzkrise geistert wieder um die Welt. Der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) hat ein heftiges Finanzbeben ausgelöst. Die Kurse stürzen ab. Die Folgen sind noch nicht abzuschätzen. Kalifornien ist weit weg, könnte man meinen. Ist es aber nicht. Am Tropf der SVB hingen nicht nur die dortigen Startup-Firmen und Technologieunternehmen. Auch die spanische Techszene hat sich bei SVB mit dem Treibstoff versorgt, um wachsen zu können. Zeitgleich mit dem Fall der SVB taumelt der skandalträchtige Schweizer Bankengigant Credit Suisse und musste von der Nationalbank mit 50 Milliarden Franken gestützt werden, nur um dann am Sonntag in einer Notoperation für ein Taschengeld an den Konkurrenten UBS verhökert zu werden.
Madrid ist ein wichtiger Standort. Seit 2020 operiert Credit Suisse hierzulande mit einer spanischen Banklizenz. Nach dem Brexit verlagerten die Schweizer die Zentrale für die Geschäfte mit einigen EU-Ländern von London in die Hauptstadt. Auch wenn spanische Banken diesmal nicht im Zentrum des Finanzbebens stehen, ist das Land dennoch betroffen.
Die Silikon Valley Bank wiederum ist eine für US-amerikanische Verhältnisse eher kleine Bank mit einem speziellen Geschäftsmodell. Sie finanzierte die Startup-Branche, vergab Kredite und verwaltetet die Einlagen. Zur Absicherung investierte SVB in US-Staatsanleihen. Als die Zentralbanken die Zinsen anhoben, verloren die Anleihen an Wert. Auch die Startups gerieten in Schwierigkeiten, weil sich die Finanzierung verteuerte. In der Not griff man auf die Rücklagen zurück. SVB musste Anleihen vor der Fälligkeit mit Verlust verkaufen, um die Einlagen an die Kunden auszahlen zu können. Als die Bank dann Kapitalbedarf anmeldete, gerieten Kunden in Panik, ein Bankrun setzte ein – der Anfang vom Ende.
Wenn amerikanische Investmentfonds an europäischen Startups interessiert sind, dann möchten sie ihre Investition gerne in USDollar abwickeln. Die Europäer benötigen also die Dienste einer US-Bank. Am besten verlegen sie den Sitz in die USA. Bevorzugte Bank war oft: SVB. Wie es aus Finanzkreisen
hieß, hätten die meisten der spanischen „Einhörner“– so werden Startups mit einem Börsenwert von über einer Milliarde Euro genannt – mit SVB zusammengearbeitet.
So war das der Fall bei Fever, der Plattform für Live- und Freizeitveranstaltungen, oder bei Devo, einem Unternehmen für CyberSicherheit. Beide betonen aber, nur in geringem Umfang mit SVB zu tun gehabt zu haben. Auch der Fahrdienstleister Cabify gab Geschäfte mit SVB zu. „Aber nur mit begrenztem Kapital, um laufende
Kosten einer Gesellschaft der Gruppe in den USA bestreiten zu können“, hieß es. Alle internationalen Operationen würden aber von Spanien aus erfolgen.
Wallbox ist ein weiteres spanisches Startup, das an der Börse in New York notiert ist. Jon and Talent wiederum hat den Sitz nach Großbritannien verlegt. Beide geben aber an, nichts mit SVB zu tun gehabt zu haben. Domestika, Letgo und Ravelpeck haben ihren Sitz ebenfalls in die USA verlegt. Eine gute Notiz für die spanischen Startups war, dass die US-Notenbank
Fed 100 Prozent der Einlagen der Bank garantiert und den anderen Geldhäusern die nötige Liquidität sichert. Auch haben spanische und andere europäische Startups ihre Geschäfte stärker diversifiziert als die US-Firmen. Und ein Großteil der Gelder liegt bei Banken auf dem „Alten Kontinent“.
Dass der Fall der SVB etliche Startups in die Pleite getrieben hat, steht außer Frage. Das betrifft auch die Venture-Capital-Fonds. Gerade diese Investmentfonds finanzieren gerne Startups. Sie könnten die Nächsten sein, die fallen. Auch spanische Wagniskapitalfonds sind aktiv. Sie beeilten sich, ihre Partner zu beruhigen. So versicherten MVB Fund, Bankinter und Kantoar, dass nur wenige Beteiligungen betroffenen seien. Kibo Ventures sprach von nur zwei.
Wie sich die SVB-Pleite langfristig auf die Techszene auswirkt, ist noch ungewiss. Es sei absehbar, dass sich Investoren und Banken künftig vorsichtiger verhalten. Auch bleibt abzuwarten, welches andere Geldhaus künftig das Feld bestellen will, dass SVB verlassen hat.
Die Credit Suisse betreibt von der Niederlassung in Madrid aus das Privatbankgeschäft und das Investmentbanking, nicht nur die Aktivitäten in Spanien und Portugal werden dort geleitet, sondern auch Frankreich, Italien, die Niederlande und Schweden betreut.
Auch Banken in Spanien halten Staatsanleihen– sie machen aber nur 13 Prozent aus
Mit beiden Geschäftsfeldern verwaltet die Niederlassung in Madrid rund 1,4 Milliarden Euro an Kundeneinlagen. Wie es jetzt unter UBS-Regie weitergeht, ist unklar.
In der Calle Ayala in Madrid arbeiten rund 400 Angestellte. Die meisten Mitarbeiter sind im Privatbankgeschäft tätig, während das Investmentbanking-Personal 180 Personen zählt. Vergangenen Sommer geriet die Niederlassung in personelle Turbulenzen, als Credit Suisse überraschend den Investmentbanking-Chef von Barclays, Nacho Moreno, verpflichtete. Das passte dem Vorstandsvorsitzenden der Niederlassung, Wenceslao Buge, überhaupt nicht. Er verließ das Unternehmen – und nahm einen Großteil der Belegschaft mit.
Wertverlust der Staatsanleihen
Weil der Wertverlust von Staatsanleihen im Zuge der Zinspolitik der Notenbank die SVB-Pleite eingeleitet hat, stellt man sich in Spanien, wo die eigene Bankenkrise noch bestens in Erinnerung ist, die Frage, ob hier auch für die heimischen Institute wieder eine Gefahr droht. Auch die Banken in Spanien halten Staatsanleihen – und zwar im Wert von rund 500 Milliarden Euro. Im Portfolio machen sie aber nur 13 Prozent aus, wie die Europäische Bankenaufsicht (EBA) im Juni 2022 festgestellt hat. Bei SVB waren es 55 Prozent.