Marbella: Glamour und Ganoven
Entführung im Drogenmilieu – Zweitkriminellste Stadt Spaniens – Bürgermeisterin bleibt im Fokus
Marbella – mar. Der Fall erscheint spektakulär, stellt für Marbella aber nur eine alltägliche Episode dar: In Marbella, Estepona, Benahavís und Granada hat die Nationalpolizei 15 Personen verhaftet, die für Entführung und Folter von vier Personen im Dezember 2022 verantwortlich gemacht werden. Die Bande warf den Entführten vor, ihnen 1,5 Tonnen Haschisch gestohlen zu haben. Mit systematischer Folter über eine Woche, wollten sie den Standort der „Ware“erfahren, nach einer Weile wandten sich die Entführer an Angehörige und forderten fünf Millionen Euro Lösegeld für die Freilassung, andernfalls würden sie die Opfer töten. Ein Mann wurde vor der Erstürmung der Villa freigelassen, er war bereits in einem Diabetis-Koma und wurde auf der Straße aufgefunden.
Landesweiter Marbella-Krimi
Goldfunkelnder Luxus geht in Marbella seit jeher Hand in Hand mit der Brutalität krimineller Banden, aber auch den diskreten Ganoven in feinem Zwirn. Unter den spanischen Städten über 80.000 Einwohnern wird Marbella (140.000) im aktuellen Kriminalitätsranking 2022 wieder auf Rang zwei geführt. Korruption, Geldwäsche, Drogenhandel und ähnliches werden aber nicht nur durch inwie ausländische Banden begangen, sondern reichen traditionell auch in höchste Kreise der Stadtverwaltung. Gerade lief auf dem landesweiten TV-Kanal La Sexta eine Reportage über den erstaunlichen Reichtum der früheren Ärztin und seit 2007 Bürgermeisterin von Marbella, Ángeles Muñoz. Gegen ihren kürzlich verstorbenen schwedischen Mann und dessen Sohn wurde aktiv wegen Drogenhandels
und Geldwäsche sowie Betreibung einer kriminellen Organisation ermittelt. Ein ganzes Universum an Firmen, so der Verdacht, profitierten von Entscheidungen zur Umwidmung von kommunalem Grund und städtischen Aufträgen, zu denen die Familie der Bürgermeisterin Nahverhältnisse gehabt haben soll. La Sexta interviewt dazu Journalisten, die verschiedene Verdachtsfälle ans Licht brachten, es werden Verbindungen der Stadtchefin zu Briefkastenfirmen im Ausland und sinestren Unternehmen in Marbella, Madrid und andernorts erwähnt und bunt medial aufbereitet. Allerdings hat die Justiz bisher nichts Belastbares geurteilt und die Medien bleiben so im Hätte, Könnte, Müsste.
Muñoz selbst verweigert – so der zentrale Vorwurf der Opposition – eine echte Offenlegung ihrer privaten Finanzen, die ihren Reichtum
von mehreren Millionen Euro, so die PSOE, unmöglich in wenigen Jahren legal als Ärztin erworben haben könne. Ihre Partei, die PP, stärkt ihr bei der Strategie den Rücken. Dabei war Muñoz damals mit dem Anspruch angetreten, das kriminelle Erbe ihres schillernden Vorgängers Jesús Gil, der auch Präsident von Atlético Madrid war
„Den meisten scheint es egal, ob sich da oben jemand bedient“.
und der wegen Veruntreuung von Steuergeldern und einem Dutzend weitere Delikte kurz im Knast saß und 2005 auf Weisung des Obersten Gerichtshofes seines Amtes enthoben wurde, zu bereinigen und „Marbella wieder zu einer sauberen Stadt zu machen“. Muñoz tritt am 28. Mai 2023 zur Kommunalwahl
an, um ihre absolute Mehrheit zu verteidigen und eine fünfte Amtszeit als Bürgermeisterin zu absolvieren. Ihre Chancen dafür stehen nicht schlecht, eine unternehmerfreundliche Politik machten sie bei den örtlichen Geschäftsleuten beliebt, Luxushotels und -marken investieren, die katholischen Bruderschaften – in Andalusien einflussreiche Seilschaften – gaben ihr in diesem Jahr die Ehre, die Festrede zur Semana Santa zu halten, wer in Marbella lebt, fährt kostenlos mit dem Stadtbus.
Nach Auskunft eines Journalisten des Webportals www.eldia rio.es sei „es den meisten, vor allem den reichen Einwohnern von Marbella egal, ob sich da oben jemand bedient“, solange die Kasse stimmt und hinter den Fassaden und Fiestas der Promis und des Geldadels die Diskretion gewahrt werden kann.