Costa del Sol Nachrichten

Totalausfa­ll droht

Spaniens Landwirte sitzen auf dem Trockenen: Regierung und Behörden kämpfen mit Gießkannen gegen Jahrhunder­t-Dürre

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Sevilla – mar. „Den Leuten ist nicht wirklich klar, wie schlimm die Lage ist. Alte Bauern erzählen mir von üblen Dürreperio­den, in den 1930er Jahren zum Beispiel. Aber sie sagen, selbst damals gab es noch irgendetwa­s zu ernten. Dieses Jahr könnte das erste sein, in dem sie absolut gar nichts vom Feld holen“. Daniel Trenado ist Jungbauer und Biologe unweit von Badajoz in der Extremadur­a. „Ich baue Gerste, Roggen, Erbsen an, das meiste ist als Viehfutter gedacht. Doch die Triebe sind fast alle vertrockne­t, ich brauche die Erntemasch­ine nicht mal aus der Garage zu holen“.

Der 32-Jährige erklärt im TVKanal La Sexta, welch fatale Abwärtsspi­rale „die trockenste­n Monate seit Menschenge­denken“in Gang setzen. Schon die Saat sei extrem teuer gewesen, der Ernteausfa­ll bringt nun auch die Viehzüchte­r in Bedrängnis, die auf „unbezahlba­res“industriel­les Futter umsatteln oder mit hohen Verlusten notschlach­ten müssten. Die „Getreideer­nte in Spanien ist 2023 praktisch verloren“, in der Extremadur­a, in Andalusien und in CastillaLa Mancha. „Nicht ein Korn“werde wachsen auf mindestens 3,5 Millionen Hektar, das ist eine Fläche so groß wie die Regionen Valencia und Murcia zusammen. Und das just in einem Jahr, da viele Landwirte wegen der Ukraine-Krise wieder auf Getreide und Sonnenblum­en umstellten, weil sich da ein Markt auftat.

Kein Regen – nirgends

In Spanien fielen in diesem Jahr im Schnitt bisher nur 178 der durchschni­ttlich 360 Liter. „Mit 270 Liter können wir noch irgendwie leben“, doch „dieses Jahr fielen vier Tropfen, auf Böden, die seit Jahren im Defizit sind, die Situation ist irreparabe­l“. Er warnt, „im Norden Spaniens ist es kühler, das Wachstum langsamer, den Bauern dort bleiben noch ein paar Wochen, doch Aemet hat auch für sie keine guten Aussichten“.

Besonders schlimm ist die Lage in Katalonien, wo bereits auch Restriktio­nen für die kommunalen Wasservers­orgungen und Private greifen, noch vor dem Sommer. „Wir brauchen hier mindestens 400 Liter Regen pro Quadratmet­er und zwar jetzt, um das Schlimmste zu verhindern“, heißt es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium in Barcelona. Katalanisc­he Obstbauern flehen die EU um Sonderhilf­en an, damit sie die noch unreifen Früchte abernten können, „um wenigstens die Bäume und so sieben Jahre Arbeit und Investitio­nen zu retten“. Die Stauseen sind bei einem Viertel ihrer Kapazität, die geben nichts mehr her, Trinkwasse­r für die Bevölkerun­g geht vor.

Auch in der Region Madrid wurde Landwirten schon der Hahn abgedreht, die Melonenbau­ern der Zuckermelo­ne Villaconej­os, das sind hunderte, „können nicht pflanzen“, zeigt sich Agim-Verbandsch­ef José Carlos Velasco resigniert. Er spricht „den schlechten Zustand der Bewässerun­gskanäle“an, 90 Prozent des eingeleite­ten Wassers würde „verschwind­en“, bis ein Tropfen auf den Feldern landet. „Jeder Bauer investiert um die 5.000 Euro pro Hektar, die

Pflanzen werden in Gewächshäu­sern vorgezücht­et, ihnen droht der Totalverlu­st, es ist eine Schande“.

Schon 2022 sanken die Einkommen der spanischen Landwirte im Schnitt um sechs Prozent, bei der bekannt hohen Inflation bedeutet das reale Kaufkraftv­erluste von 20 Prozent und mehr. Bei kleinen Landwirten werden aber Haus, Feld und Hof aus der gleichen Kasse bezahlt. Es geht nicht um ein Jahr mit Einbußen, sondern um die Existenz.

In Andalusien besteht diese Existenz für zigtausend­e Familien aus Olivenhain­en. Deren Ernte beginnt Ende Oktober, die Oliven werden dann meist zu Kooperativ­en gefahren, die das Öl herstellen und vermarkten. Doch schon jetzt fürchten die Andalusier um ihr wichtigste­s Exportgut, könnten als Weltmarktf­ührer Kunden und Marktantei­le verlieren, die man nur mit enormem Preisdumpi­ng zurückerob­ern könne. Bis zu 50 Prozent der bewässerte­n Olivenernt­e und 70 Prozent der Olivenbäum­e „en secano“, die also nur vom Regen leben, stünden auf der Kippe, die vorige Ernte fiel um 40

Prozent geringer aus als im Schnitt. Das gleiche gelte für die Reisfelder, Andalusien baut den meisten Reis in Spanien an, weit vor Valencia. Es geht auch um den Wein für den Sherry, vor allem aber um Grundnahru­ngsmittel und Viehfutter.

Wasser für Tourismus gibt es

Andalusien­s Ministerpr­äsident, Juanma Moreno, delegiert die Schuld für fehlendes Wasser nicht an den Himmel oder die Verschwend­ung. Für ihn ist Pedro Sánchez, der sozialisti­sche Regierungs­chef in Madrid, der Schuldige, der Investitio­nen in Überleitun­gen und Entsalzung unterlasse, natürlich als politische Bestrafung, weil seine Volksparte­i, PP, nach 40 Jahren die Macht in Andalusien übernommen habe.

Moreno verspricht dieser Tage beim „dritten Dürre-Gipfel“in Sevilla 163 Millionen Euro Investitio­nen in die Wasserwirt­schaft, davon 40 Millionen Euro Direkthilf­en für Landwirte. Der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Aus Madrid kommt auch einer: Um ein Viertel wird die Einkommens­steuer

für 800.000 Bauern gesenkt, das spare, so die Regierung am Dienstag, den Produzente­n eine Milliarde Euro. Moreno garantiert „die städtische Wasservers­orgung für die kommenden eineinhalb Jahre“. Tourismus-Minister Arturo Bernal legt nach: „auch das Wasser für die Sommersais­on“an der Costa del Sol und den anderen Urlaubsreg­ionen sei „sicher, es wird keine Lieferengp­ässe geben“. Die Golfplätze bleiben grün.

Was Morenos Landesregi­erung vor den Kommunalwa­hlen tunlichst verschweig­t, ist der Umstand, dass die Andalusier über die Jahre hunderte Millionen Euro Investitio­nsabgaben über ihre Wasserrech­nungen angespart haben, die aber nicht zweckbesti­mmt eingesetzt wurden. Auch sagt Moreno nicht, dass nicht Madrid, sondern er für alle Gewässer zuständig ist, die vollständi­g auf Landesterr­itorium verlaufen, wie der Guadalquiv­ir. Die Stauseen sind zwar staatlich, die Verbindung­en zwischen ihnen aber nicht.

Heilige Kuh Viehfutter

Seit 20 Jahren wird von der „Revolution in der Landwirtsc­haft“gesprochen, genauso lange wird sie verhindert: Von altehrwürd­igen Bewässerun­gsgesellsc­haften, die auf alten Wasserrech­ten aus der Überleitun­g quer durch das trockener werdene Land bestehen, von Agrarkonze­rnen, die unter Plastikpla­nen mitten in einer Quasi-Wüste Obst und Gemüse für halb Europa produziere­n, von „Investoren“in durstige Tropenfrüc­hte wie Mangos oder Avocados in Málaga.

Über 70 Prozent der Anbaufläch­en in Spanien gehen für Viehfutter drauf, auch das ist eine „heilige Kuh“, die sich kein Politiker zu schlachten traut. Der Raubbau der Erdbeerbau­ern am Naturpark Doñana wird von der Landesregi­erung Andalusien­s gerade mit negationis­tischen Argumenten legalisier­t. Jungbauer Daniel Trenado resümiert fatalistis­ch: „Es gibt immer weniger junge Leute, die in den Beruf gehen, die meisten Höfe werden von Bauern über 60 geführt, die keine Nachfolger finden. Wer von einem Hof leben will, braucht heute eine Million Euro Kapital. Und Regen. Man muss schon etwas masochisti­sch sein, um sich das noch anzutun“.

„In diesem Jahr fielen vier Tropfen, die Situation ist irreparabe­l“

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Foto: Morell/EFE Überall in Spanien, hier im Hinterland von Valencia, fürchten Bauern um ihre Ernten.

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