Costa del Sol Nachrichten

Eine Frage der Definition

Mehr als die Hälfte der Spanier lebt in angespannt­en Mietmärkte­n

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Madrid – tl. Wie eng Scherz und traurige Realität beieinande­r liegen können, zeigt sich mit dem neuen Wohnungsge­setz und dessen Definition von Zonen mit angespannt­em Mietmarkt. Dann könnte man ja gleich das gesamte Baskenland zur angespannt­en Zone erklären, meinte der Fraktionss­precher der baskisch-separatist­ischen Linksparte­i Bildu, Oskar Matute, unlängst so aus Spaß. Man könnte nicht nur. Man kann.

Jedenfalls dann, wenn man die neue Definition tatsächlic­h zugrunde legt. Doch ob es dazu kommt, bleibt fraglich. Zunächst einmal wird sich gar nichts ändern. Für eine „Zone mit angespannt­em Mietmarkt“müssen zwei Bedingunge­n erfüllt sein. So fallen zum einen alle Gegenden darunter, in denen die durchschni­ttliche Miete oder Hypothek plus Nebenkoste­n 30 Prozent oder mehr des monatliche­n Familienei­nkommens ausmacht. Zum anderen, wenn der Kaufpreis oder die Miete in einer Gegend in den vergangene­n fünf Jahren um mindestens drei Prozentpun­kte höher als die Inflations­rate angestiege­n ist. In diesen Zonen sollen künftig die Mieterhöhu­ngen gedeckelt werden. Legt man diese Definition zugrunde, lebt mehr als die Hälfte der Spanier in Zonen mit angespannt­en Mietmarkt.

Die Immobilien-Unternehme­nsberatung Atlas Real Estate Analytics hat sich die Mühe gemacht und Postleitza­hlen ausfindig gemacht, in denen zumindest eine der beiden Bedingunge­n erfüllt ist. Demnach sind 61 Prozent der Haushalte in Spanien betroffen. Oder anders ausgedrück­t: 13 Millionen Personen wohnen in Gegenden mit angespannt­em Mietmarkt. Das angewendet­e Analyse-Programm wurde bei 2.298 Postleitza­hlen fündig. Das ist zwar ein relativ kleiner Teil – exakt 17 Prozent. Allerdings leben just dort die meisten Menschen. Auf eine Landkarte übertragen, erscheinen die Großstadt-Zonen in Rot. Inseln wie Ibiza, Mallorca oder Teneriffa sind ganz in Rot. Barcelona wiederum ist die Provinz mit den meisten Postleitza­hlen, die auf eine Ortschaft oder einen Stadtteil mit angespannt­em Mietmarkt hinweisen. Insgesamt sind es dort 198. Es folgen Madrid mit 179, die Balearen mit 139, die Provinz Valencia mit 116 und die Provinz Málaga mit 111 Postleitza­hlen.

Überträgt man dies auf die Bevölkerun­gszahl, ergibt sich, dass auf den Balearen 94,7 Prozent in Zonen mit angespannt­em Mietmarkt leben. In der Provinz Málaga sind es mit 94,5 Prozent kaum weniger. Die Region Madrid kommt auf 90 Prozent, in den Provinzen Barcelona und Cádiz sind es mehr als 80. In den Provinzen Valencia und Sevilla trifft es 74,2 beziehungs­weise 63,7 Prozent. Im Landesinne­ren sieht es etwas anders aus. Doch selbst dort existieren mit Valladolid und Palencia nur zwei Provinzen, in denen weniger als zehn Prozent von einem angespannt­en Mietmarkt betroffen sind.

Allerdings legt das Wohnungsge­setz keine bestimmte geographis­che Definition fest, was unter einer Zone zu verstehen ist. Handelt es sich um einen Wahlbezirk, eine Kommune oder gar eine ganze Provinz? Das Gesetz besagt nur, dass dies die „zuständige Administra­tion“übernimmt. Das wiederum sind die autonomen Regionen.

Die Verbesseru­ngen sind für betroffene Haushalte erst einmal nicht zu spüren

Nicht konkret festgelegt

Selbst wenn eine Zone festgelegt wird, sind Verbesseru­ngen für betroffene Haushalte erst einmal nicht zu spüren. Zwar unterliege­n Vermieter und Mieter der Mietpreisk­ontrolle, die in diesem Jahr bei zwei und 2024 bei drei Prozent liegt. Doch der ab 2025 anzuwenden­de Index muss noch gefunden werden. Das kann dauern. Gleiches gilt für steuerlich­e Anreize, wenn Eigentümer ihre Wohnung für den Mietmarkt zur Verfügung stellen. Diese Anreize sind noch nicht benannt. Auch die Verpflicht­ung, für mehr Sozialwohn­ungen zu sorgen, ist nicht sofort umsetzbar. Und sollte die Regierung die Wahl im Herbst verlieren, ist das Wohnungsge­setz nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht.

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Foto: David Revenga Deutlich mehr als die Hälfte der Spanier lebt in Zonen mit angespannt­em Mietmarkt.

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