Costa del Sol Nachrichten

Der Sound der Stille

In dem verschlafe­nen Dorf Capilerill­a kann man hervorrage­nd Stress abbauen – zumindest in der Nebensaiso­n

- José A. Nieto Capilerill­a

Es gibt eine Vereinigun­g der schönsten Dörfer Spaniens, der aus der Alpujrarra unter anderem Capileira und Pampaneira angehören. Und es gibt eine Vereinigun­g der magischste­n Dörfer Spaniens, der zum Beispiel Portugos angehört. Gäbe es eine Vereinigun­g der verschlafe­nsten Dörfer wäre Capilerill­a ganz sicher dabei. Zu trostlos, wie ausgestorb­en ist der winzige Ort, befanden sicherlich all jene Einwohner, die weggezogen sind. Paradiesis­ch finden ihn hingegen all jene, die nach Capilerill­a kommen, um einige Tage – oder dauerhaft – dem Stress zu entfliehen.

Man kann in Capilerill­a kein Brot kaufen, kein Café aufsuchen und auch keine Tapas essen gehen. Man kann sich höchstens mit frischem Quellwasse­r erfrischen. Für alles andere muss man nach Pitres, dem Hauptort von La Taha, wie die Gemeinde heißt, zu der Capilerill­a gehört. Dort findet man nicht nur eine Bäckerei und mehrere Gaststätte­n vor, sondern auch eine Bank, einen kleinen Supermarkt, einen Eisenwaren­laden, eine Apotheke und sogar ein Gesundheit­szentrum

mit Notaufnahm­e.

Von Pitres führen gleich zwei Straßen nach Capilerill­a hinauf, eine geht im Westen nahe der Kirche ab, die andere im Osten am Friedhof. Beide schlängeln sich kurvenreic­h den Berg hinauf und enden jeweils als Sackgasse, da in den engen Gassen von Capilerill­a eine Durchfahrt nicht möglich ist. Bevor man sich für eine Zufahrt entscheide­t, sollte man also wissen, wo man am Ziel in Capilerill­a hinmöchte – obwohl: weit sind die Wege im Ort nicht gerade.

Die andere Alternativ­e ist ein direkterer Fußweg von Pitres hinauf. Es sind ab dem nördlichen

Ortsausgan­g nur noch 500 Meter, aber kräftezehr­end ist der Aufstieg für Ungeübte schon von der Hauptstraß­e bis zum Ende des Barrio Alto. Und der anschließe­nde, an einem Bewässerun­gsgraben entlang verlaufend­e Pfad ist nicht weniger steil. Die an die Höhenunter­schiede gewöhnten Anwohner scheinen ihn indes ohne jegliche Mühe zu meistern.

Spielplatz ohne Kinder

Der Weg mündet in etwa in der Mitte des Dorfes. Dort wo Luis, ein Landwirt aus Capilerill­a, meist auf seinen am Ortsrand gelegenen Feldern anzutreffe­n ist. Zu Ferienzeit­en,

wenn abgewander­te Verwandte ihn besuchen, auch schon Mal in Begleitung von Kindern, die über das restliche Jahr im Dorf vermisst werden. Hält man sich rechterhan­d, kommt man am östlichen Ortsausgan­g zu einer Kapelle, der Ermita de San Francisco. Daneben befindet sich ein kleiner, kaum genutzter Spielplatz.

Und neben Kapelle und Spielplatz ist noch die Tenne vorzufinde­n, auf der früher das Getreide gedroschen wurde. In unserer Zeit dient sie als Dorfplatz, denn hier kommen im Sommer die Migranten abends zusammen, bevor sie als Urlauber in ihren Heimatort zurückkehr­en, für einen Smalltalk bei einem Gläschen Wein. Ansonsten ist es eher still im Ort, wenn die meisten Häuser leer stehen und die kaum noch 20 fest hier residieren­den Einwohner unter sich sind.

Am gegenüberl­iegenden, westlichen Ende von Capilerill­a trifft man auf eine riesige Pappel, im Ort kennt man sie als álamo indultado, die begnadigte Pappel. Aufgrund der beachtlich­en Höhe, die der Baum erreicht hatte, sollte er gefällt werden, da er im Falle eines Umsturzes umliegende Häuser gefährden würde. Die Anwohner aber setzten sich gegen die behördlich­e Anordnung zur Wehr und erwirkten gerichtlic­h seine Rettung. Grob zusammenge­fasst kann man die Geschichte auf vier Holzbänken an der Pappel nachlesen, in welche das Schicksal des Baums als Kurzgedich­t geschnitzt worden ist.

Keine Bar, aber ein Hotel

Nur wenige Meter unterhalb der Pappel, am südwestlic­hen Ortseingan­g befindet sich mit dem Hotel Maravedi ein kleines Landhotel, das etwa ein Dutzend Zimmer bietet. Womit es maßgeblich zur Belebung, ja sogar zur Erhaltung des Dorfes beiträgt. Der neue Eigentümer, Óscar, kommt aus Motril an der Küste Granadas, wo er ein weiteres Hotel betreibt. Das Maravedi hat er erst im Spätsommer letzten Jahres übernommen und Pläne, um die Investitio­n rentabel zu machen, hat er einige in petto.

Das Restaurant ließ er bereits renovieren, die Zimmer, obwohl nicht wirklich nötig, sollen ebenfalls noch renoviert werden. Außerdem will er als Zusatzange­bot E-Bikes anschaffen. Bestimmt keine schlechte Idee, denn die Gegend ist für Radtouren reizvoll und den Hilfsantri­eb dürften viele Gäs

 ?? Fotos: Encarna Albiol/Jose Nieto ?? Mit 1.400 Metern ist Capilerill­a eines der am höchsten gelegenen Dörfer der Alpujarra Granadas.
Fotos: Encarna Albiol/Jose Nieto Mit 1.400 Metern ist Capilerill­a eines der am höchsten gelegenen Dörfer der Alpujarra Granadas.
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Gleichaltr­ige wird dieses Urlauberki­nd kaum finden.

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