Der Sound der Stille
In dem verschlafenen Dorf Capilerilla kann man hervorragend Stress abbauen – zumindest in der Nebensaison
Es gibt eine Vereinigung der schönsten Dörfer Spaniens, der aus der Alpujrarra unter anderem Capileira und Pampaneira angehören. Und es gibt eine Vereinigung der magischsten Dörfer Spaniens, der zum Beispiel Portugos angehört. Gäbe es eine Vereinigung der verschlafensten Dörfer wäre Capilerilla ganz sicher dabei. Zu trostlos, wie ausgestorben ist der winzige Ort, befanden sicherlich all jene Einwohner, die weggezogen sind. Paradiesisch finden ihn hingegen all jene, die nach Capilerilla kommen, um einige Tage – oder dauerhaft – dem Stress zu entfliehen.
Man kann in Capilerilla kein Brot kaufen, kein Café aufsuchen und auch keine Tapas essen gehen. Man kann sich höchstens mit frischem Quellwasser erfrischen. Für alles andere muss man nach Pitres, dem Hauptort von La Taha, wie die Gemeinde heißt, zu der Capilerilla gehört. Dort findet man nicht nur eine Bäckerei und mehrere Gaststätten vor, sondern auch eine Bank, einen kleinen Supermarkt, einen Eisenwarenladen, eine Apotheke und sogar ein Gesundheitszentrum
mit Notaufnahme.
Von Pitres führen gleich zwei Straßen nach Capilerilla hinauf, eine geht im Westen nahe der Kirche ab, die andere im Osten am Friedhof. Beide schlängeln sich kurvenreich den Berg hinauf und enden jeweils als Sackgasse, da in den engen Gassen von Capilerilla eine Durchfahrt nicht möglich ist. Bevor man sich für eine Zufahrt entscheidet, sollte man also wissen, wo man am Ziel in Capilerilla hinmöchte – obwohl: weit sind die Wege im Ort nicht gerade.
Die andere Alternative ist ein direkterer Fußweg von Pitres hinauf. Es sind ab dem nördlichen
Ortsausgang nur noch 500 Meter, aber kräftezehrend ist der Aufstieg für Ungeübte schon von der Hauptstraße bis zum Ende des Barrio Alto. Und der anschließende, an einem Bewässerungsgraben entlang verlaufende Pfad ist nicht weniger steil. Die an die Höhenunterschiede gewöhnten Anwohner scheinen ihn indes ohne jegliche Mühe zu meistern.
Spielplatz ohne Kinder
Der Weg mündet in etwa in der Mitte des Dorfes. Dort wo Luis, ein Landwirt aus Capilerilla, meist auf seinen am Ortsrand gelegenen Feldern anzutreffen ist. Zu Ferienzeiten,
wenn abgewanderte Verwandte ihn besuchen, auch schon Mal in Begleitung von Kindern, die über das restliche Jahr im Dorf vermisst werden. Hält man sich rechterhand, kommt man am östlichen Ortsausgang zu einer Kapelle, der Ermita de San Francisco. Daneben befindet sich ein kleiner, kaum genutzter Spielplatz.
Und neben Kapelle und Spielplatz ist noch die Tenne vorzufinden, auf der früher das Getreide gedroschen wurde. In unserer Zeit dient sie als Dorfplatz, denn hier kommen im Sommer die Migranten abends zusammen, bevor sie als Urlauber in ihren Heimatort zurückkehren, für einen Smalltalk bei einem Gläschen Wein. Ansonsten ist es eher still im Ort, wenn die meisten Häuser leer stehen und die kaum noch 20 fest hier residierenden Einwohner unter sich sind.
Am gegenüberliegenden, westlichen Ende von Capilerilla trifft man auf eine riesige Pappel, im Ort kennt man sie als álamo indultado, die begnadigte Pappel. Aufgrund der beachtlichen Höhe, die der Baum erreicht hatte, sollte er gefällt werden, da er im Falle eines Umsturzes umliegende Häuser gefährden würde. Die Anwohner aber setzten sich gegen die behördliche Anordnung zur Wehr und erwirkten gerichtlich seine Rettung. Grob zusammengefasst kann man die Geschichte auf vier Holzbänken an der Pappel nachlesen, in welche das Schicksal des Baums als Kurzgedicht geschnitzt worden ist.
Keine Bar, aber ein Hotel
Nur wenige Meter unterhalb der Pappel, am südwestlichen Ortseingang befindet sich mit dem Hotel Maravedi ein kleines Landhotel, das etwa ein Dutzend Zimmer bietet. Womit es maßgeblich zur Belebung, ja sogar zur Erhaltung des Dorfes beiträgt. Der neue Eigentümer, Óscar, kommt aus Motril an der Küste Granadas, wo er ein weiteres Hotel betreibt. Das Maravedi hat er erst im Spätsommer letzten Jahres übernommen und Pläne, um die Investition rentabel zu machen, hat er einige in petto.
Das Restaurant ließ er bereits renovieren, die Zimmer, obwohl nicht wirklich nötig, sollen ebenfalls noch renoviert werden. Außerdem will er als Zusatzangebot E-Bikes anschaffen. Bestimmt keine schlechte Idee, denn die Gegend ist für Radtouren reizvoll und den Hilfsantrieb dürften viele Gäs