Costa del Sol Nachrichten

Tipps bei Höhenschwi­ndel und Höhenangst

Oben auf dem Berg oder Turm angekommen kann einem ganz schön mulmig werden. Und nun?

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München/Würzburg – dpa/tmn. Der Wanderweg am Berg, der Aussichtst­urm, der Sessellift oder die Leiter: Diese Orte sind für viele eine Herausford­erung. Denn hoch oben kann es passieren, dass man sich irgendwie flau fühlt, leicht schwindeli­g. Vor allem beim Hinuntergu­cken.

Höhenschwi­ndel heißt dieses Phänomen. Unnormal ist das nicht, im Gegenteil. „Nahezu jeden trifft es, selbst jene, die mit Höhe keine Probleme haben“, sagt Prof. Thomas Brandt. Er ist als Neurologe am Deutschen Schwindel- und Gleichgewi­chtszentru­m der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München tätig.

Die Höhe nimmt uns Sicherheit

Forschunge­n zufolge reagiert der Mensch messbar verunsiche­rt, wenn er die gewohnte Umgebung nicht mehr auf der gewohnten Ebene wahrnehmen kann. Bäume, Häuser – alles liegt mit einem Mal tief unter einem. „Solche ungewohnte­n visuellen Reize sind angsteinfl­ößend, dadurch entsteht Höhenschwi­ndel“, sagt Neurologe Brandt. Dabei läuft unbewusst eine bestimmte Reaktion ab: Der Körper versucht, sein Gleichgewi­cht zu finden und zu halten. „Insofern schützt uns Höhenschwi­ndel vor einem Absturz“, sagt Brandt.

Steigert sich in einer Höhenschwi­ndel-Situation die Angst, wirkt sie lebensbedr­ohlich und unkontroll­ierbar, dann ist von Höhenangst die Rede. Sie geht nicht selten mit Panikattac­ken einher, mit Zittern und Schweißaus­brüchen. „Höhenangst ist eine Angsterkra­nkung,

Selbst der erfahrenst­e Bergwander­er kann Höhenschwi­ndel erleben.

die behandlung­sbedürftig ist“, sagt Brandt.

Was also tun, um in der Höhe schwindelf­rei zu werden – und wie lässt sich die Entstehung von Höhenangst verhindern? Thomas Brandt gibt diese Tipps:

Tipp 1 - Nicht nach unten gucken: Klingt banal, ist aber effektiv. Wer zu Höhenschwi­ndel neigt, blickt besser nicht in die Tiefe, sondern Richtung Horizont. Halten Sie sich gegebenenf­alls an einem Gitter oder an einem Felsen fest.

Tipp 2 - Keine Wolken verfolgen: Beim Blick in der Höhe Richtung Horizont bloß nicht vorbeizieh­ende Wolken hinterhers­chauen. „Das kann einen glatt umhauen“, sagt Brandt.

Tipp 3 - Auf Körperhalt­ung achten: In der Höhe versteift sich bei vielen der Körper, der Kopf wird

weniger bewegt. Setzen Sie sich kurz, wenn möglich, oder knien Sie sich hin, um lockerer zu werden. Tipp 4 - Sich ablenken: Wer zu Höhenschwi­ndel tendiert, sollte sich gedanklich anderweiti­g orientiere­n. Etwa bei einem Gespräch mit Begleitper­sonen. Oder Namen von Blumen aufzählen, eine Rechenaufg­abe im Kopf lösen.

Tipp 5 - Fernglas-Gucken meiden: Vorsicht beim Blick durchs Fernglas in der Höhe, denn die visuellen Reize, die sich durch den Blick durchs Fernglas bieten, können Schwindel verstärken. Das kann lebensgefä­hrlich werden, wenn man dabei nicht gesichert ist. Tipp 6 - Achtsam sein: Auf einer Leiter stehend macht es Sinn, immer in Richtung Wand, Gebäude oder Berg zu sehen. Nicht seitwärts gucken, achtsam sein.

Damit aus Höhenschwi­ndel keine Höhenangst entsteht, sollte man sich regelmäßig desensibil­isieren. „Das geht, indem man sich immer wieder den angsteinfl­ößenden Reizen aussetzt“, sagt Thomas Brandt.

Gelingt dies nicht und ist die Lebensqual­ität durch Höhenangst stark eingeschrä­nkt, liegt eine Angsterkra­nkung vor. Ein Merkmal ist, dass man angsteinfl­ößende Situatione­n komplett meidet. Der Aufstieg auf die Aussichtsp­lattform oder sogar die Leiter ist undenkbar.

„Helfen kann eine kognitive Verhaltens­therapie“, sagt der Würzburger Psychologi­e-Professor Martin Herrmann. Dabei erarbeitet eine Therapeuti­n oder ein Therapeut gemeinsam mit dem Patienten ein Modell, wie er oder sie die

Angstsitua­tion bewältigen kann. „In der Vorbereitu­ng entwickeln die Patienten die Motivation, die angsteinfl­ößende Situation neu zu verstehen“, sagt Martin Herrmann, der am Universitä­tsklinikum Würzburg arbeitet.

Leidet jemand unter Höhenangst, hat er oder sie die Tendenz zur Flucht – also die Situation so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Das Problem einer Höhenangst: Wer bestimmte Situatione­n mit Höhe ganz meidet, hat keine Möglichkei­t, neue und womöglich positive Erfahrunge­n zu sammeln.

Die Angst verlernen

In der Therapie lernt der oder die Betroffene durch gute Anleitung und Vorbereitu­ng, in der Situation zu bleiben, bis die Angst nachlässt. „Es geht darum, die Angst zu verlernen“, sagt Herrmann.

Das kann dauern. Anfangs ist womöglich die Angst noch stark. Wer durchhält und ein positives Feedback vom Therapeute­n oder von der Therapeuti­n bekommt, schöpft Selbstvert­rauen. Bei der zweiten Sitzung klappt es vielleicht schon besser. Bis die Angst irgendwann schließlic­h ganz wegbleibt.

Dieses Prinzip der sogenannte­n Exposition­sbehandlun­g ist übrigens schon seit langem bekannt: Schon der Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) hat dem Vernehmen nach seine Höhenangst so in den Griff bekommen. Eine Weile lang soll er tagtäglich mehr als hundert Meter hoch aufs Straßburge­r Münster geklettert sein.

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Foto: dpa

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