Costa del Sol Nachrichten

Das Virus besiegt

Die WHO hat das Ende der Corona-Pandemie erklärt – Ein Resümee über drei Jahre Covid in Spanien

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Madrid – ann. 1.190 Tage, nachdem das Coronaviru­s die Welt in einen Ausnahmezu­stand versetzte, kam am 5. Mai die sehnsüchti­g erwartete Nachricht von der Weltgesund­heitsbehör­de (WHO): Die Pandemie ist vorbei. WHOChef Tedros Adhanom Ghebreyesu­s hat den internatio­nalen Corona-Notstand für beendet erklärt. Er folgte damit der Empfehlung eines unabhängig­en Expertenau­sschusses, der der Ansicht ist, dass die Welt gute Werkzeuge hat, um die Menschen vor dem Virus zu schützen – eine wachsende Immunität sowie Impfungen und immer mehr Medikament­e für die Behandlung einer Covid-Infektion.

Die WHO geht mittlerwei­le davon aus, dass in den vergangene­n drei Jahren weltweit rund 20 Millionen Menschen an Corona oder unter Beteiligun­g einer Covid-Infektion gestorben sind. Die Ankündigun­g des Pandemie-Endes versah Ghebreyesu­s denn auch mit einem dicken Aber: Sars-CoV-2 sei nicht besiegt und er werde nicht zögern, wieder den Notstand auszurufen, wenn sich die Situation ändere.

Drei Jahre, sieben Wellen

Das Virus zirkuliert weiterhin – auch in Spanien. Doch längst hat es seinen Schrecken verloren, wird wie eine normale Erkältung angesehen, viele testen schon gar nicht mehr. Bei der letzten Aktualisie­rung der Infektions­zahlen vom 5. Mai wurde eine 14-Tages-Inzidenz von 94 Fällen pro 100.000 Einwohnern registrier­t. Wohlgemerk­t bei den über 60-Jährigen, denn seit März 2022 zählt das Gesundheit­sministeri­um nur noch die Fälle in dieser – mehr gefährdete­n – Altersgrup­pe. Nichts im Vergleich zur Inzidenz von 3.000 oder mehr, die Spanien auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle erreichte.

Sieben Corona-Wellen hat das Land in den vergangene­n drei Jahren erlebt. Die beiden letzten bereits mit einer deutlichen Reduzierun­g der Fall- und Sterbezahl­en dank der wachsenden Immunität durch Impfung und durchgemac­hte Infektione­n. Nach offizielle­n Angaben hat die Pandemie in Spanien 120.924 Todesopfer (Stand 5. Mai) gefordert. Rund 500.000 Menschen mussten wegen einer

Covid-Infektion im Krankenhau­s behandelt werden.

Beinahe unwirklich erscheinen heute die prägenden Erlebnisse aus der schwierigs­ten Zeit der Pandemie, besonders während des am 15. März 2020 ausgerufen­en Notstandes in Spanien, und dem Lockdown, einem der strengsten in ganz Europa, als nur systemrele­vante Geschäfte öffnen durften, die Menschen nur mit triftigem Grund auf die Straße und Spaniens Kinder ihre Wohnungen sechs Wochen lang nicht verlassen durften, Hundebesit­zer hingegen schon.

Im Juli 2021 erklärte das Verfassung­sgericht diesen Notstand, den die Regierung von Pedro Sánchez verhängt hatte, als verfassung­swidrig. Die rechtsextr­eme Partei Vox hatte gegen die Maßnahme geklagt, der die Freiheitsr­echte der Bürger verletze. Kaum ein Spanier hingegen hat die Regierung deswegen auf Schadenser­satz verklagt. Die allgemeine Erkenntnis, dass durch die strengen Maßnahmen unzählige Infektione­n vermieden und damit Menschenle­ben gerettet wurden, wiegt mehr.

Dabei hilft, sich noch einmal den Schrecken von Corona in seiner Anfangszei­t in Spanien in Erinnerung zu rufen, als andere Länder wie Deutschlan­d noch weitgehend von dem tödlichen Virus verschont blieben: die über 1.000 Toten täglich, der Kollaps in den Krankenhäu­sern, die aufgereiht­en Särge in einer Madrider Eissportha­lle, weil die Aussegnung­shallen die unzähligen Leichen nicht mehr aufnehmen konnten, der Mangel an medizinisc­hem Material wie Masken oder Schutzanzü­gen.

Die Corona-Impfquote liegt in der Bevölkerun­g über zwölf Jahren aktuell bei 92 Prozent

Dazu zählt aber auch das einsame Sterben von Bewohnern in Seniorenre­sidenzen, deren Angehörige noch heute eine Untersuchu­ng der Vorfälle fordern und inwieweit die hohe Sterberate in den Altenheime­n in Zusammenha­ng mit den Protokolle­n steht, die etwa in den Regionen Madrid, Katalonien oder

Castilla y León älteren Personen eine ärztliche Behandlung absprachen. Insgesamt starben 35.000 Menschen in spanischen Altenheime­n am Coronaviru­s, viele, ohne dass ihre Angehörige­n sie noch einmal sehen konnten.

Kaum vorstellba­r sind heute die Regeln, die die Regierung aufstellte, um die Verbreitun­g des Virus einzudämme­n: Kontaktbes­chränkunge­n, die Abriegelun­g ganzer Regionen oder von Orten mit besonders hoher Inzidenz, nächtliche Sperrstund­en – die 14-Tages-Inzidenz bestimmte über lange Zeit, ob, zu wie vielen und wo man sich treffen konnte.

Eines der wohl bekanntest­en „Markenzeic­hen“der Pandemie aber war der Mund- und Nasenschut­z, er gehörte seit Beginn und bis April 2022 zur Grundausst­attung der spanischen Bevölkerun­g ab sechs Jahren. Doch auch nach Ende der allgemeine­n Maskenpfli­cht im Freien behielten viele Spanier sie noch auf. Im Februar dieses Jahres wurde sie – nach 1.010 Tagen – auch in öffentlich­en Transportm­itteln abgeschaff­t. Heute

ist die Maske nur noch in medizinisc­hen Einrichtun­gen und Apotheken Pflicht.

Wie beim Tragen des Mundund Nasenschut­zes bewiesen die Spanier auch beim Thema Impfen Verantwort­ungsbewuss­tsein. Am 27. Dezember 2020 startete in Spanien die Impfkampag­ne – zunächst mit Bewohnern von Seniorenhe­imen und medizinisc­hem Personal. Es folgten die über 80-Jährigen, von da an ging es sukzessive in den Altersgrup­pen nach unten.

Bereits acht Monate nach Start der Impfkampag­ne hatten 70 Prozent der spanischen Bevölkerun­g bereits ihre erste Dosis erhalten. Im September 2021 wurde mit den Auffrischu­ngsimpfung­en begonnen. Aktuell weist Spanien eine Corona-Impfquote von 86 Prozent auf, in der Bevölkerun­g der über Zwölfjähri­gen liegt sie sogar bei 92 Prozent (rund 39 Millionen Personen). Zum Vergleich: In Deutschlan­d hatten bis April 2023 knapp 78 Prozent der Bevölkerun­g mindestens eine Impfdosis erhalten. Vielleicht saß der Schrecken der Spanier doch um einiges tiefer.

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Foto: dpa Heldinnen der Corona-Pandemie: Die Arbeit des medizinisc­hen Personals kann nicht genug gewürdigt werden.

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