Spaniens Energie-Revolution
Mit Milliarden-Investitionen will Spanien grünen Wasserstoff zum maßgeblichen Energieträger in Europa machen
Sevilla – mar. Für Andalusien ist „grüner Wasserstoff“ab sofort eine „Staatsangelegenheit“. 150 Unternehmen unterzeichneten Ende März in Sevilla den Pakt für eine „Alianza Andaluza por el Hidrógeno Verde“, die andalusische Allianz für grünen Wasserstoff. Laut Landesministerpräsident Juanma Moreno seien bereits 15 Projekte mit Investitionen von sechs Milliarden Euro im Gange. Durch die Kooperation von privater und öffentlicher Hand wolle Spanien EU-Marktführer bei der Erzeugung und Anwendung grünen Wasserstoffs werden und Andalusien dabei in Spanien Spitze sein.
Der Hintergrund: Durch Erneuerbare Energien oder Biomasse erzeugter Wasserstoff ist vor allem für große Fahrzeuge (die als reine Elektroautos zu große und zu schwere Batterien hätten), also Lkws und auch Busse sowie für die Schifffahrt interessant.
Vor allem aber könnte grün erzeugter Wasserstoff das Problem der Speicherung von Solar- und Windenergie lösen. In Überschusszeiten würden Solar-, solarthermische beziehungsweise Windkraftwerke den Strom durch Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln, der sich relativ gut und lange vor Ort speichern lässt und bei Bedarf sauber wieder in Strom umgewandelt und bedarfsgenau ins Netz gespeist werden kann.
Je höher der Anteil Erneuerbarer Energien am Energiemix ist, umso wichtiger wird die Möglichkeit der Speicherung und kontrollierten Einspeisung, um die Netzstabilität zu wahren und um widrige Wetterbedingungen auszugleichen. 2022 lag der Anteil Erneuerbarer Energien in Spanien bei rund 45 Prozent, im März 2023 waren es sogar 53 Prozent. Der Süden Spaniens ist außerdem für solarthermische Kraftwerke bestens geeignet, die auch Meerwasser entsalzen könnten, das dann wiederum in Wasserstoff umgewandelt wird.
Die Anwendungsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff sind unendlich. Bisher ist Wasserstoff an den viel zu wenigen Tankstellen noch ungefähr genauso teuer wie herkömmliche Kraftstoffe, für die industrielle Anwendung dominiert
in Nordeuropa zudem noch der „graue“Wasserstoff, der aus Erdgas oder anderen Energielieferanten hergestellt wird, die ungünstige Emissionen ausstoßen.
Neben den wachsenden Kapazitäten der Erneuerbaren Energien verfügt Andalusien über Millionen Tonnen ungenutzter Biomasse, aus der sich klimaneutral Wasserstoff erzeugen lässt. Das wird bereits mit den Resten der Olivenöl-Produktion gemacht, aber auch sonstige Agrar-Überbleibsel, Grünschnitt und Unterholz sowie die Orangen zigtausender Bäume in Andalusiens Städten stellen weiteres Potenzial dar. Führend im andalusischen Wasserstoff-Konsortium sind der Energiekonzern Cepsa, der mehrere Wasserstoffwerke errichtet und dabei auch konventionelle Kraftwerke umrüstet (auf Biomasse) sowie der ContainerReeder Maersk, der in den Häfen Andalusiens Wasserstoffterminals einrichten will, um künftig Schiffe zu betanken und Wasserstoff zu
exportieren. Dem Wasserstoff wird das Potential nachgesagt, im armen andalusischen Hinterland bis zu 10.000 Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Vereinigung des Andalusischen Wasserstoffs, AAH, geht noch weiter und spricht von „30.000 technologischen Arbeitsplätzen und Investitionen in der Höhe von zehn Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren“. Dabei habe man aber nur die zwölf größten Projekte berücksichtigt, die aktuell bereits im Gange seien. Dazu gehören das Projekt „Puerto de Europa“, das von Iberdrola und Fertiberia getragen wird und an dem 80 europäische Unternehmen beteiligt sind. Für 1,5 Milliarden sollen Elektrolyseure mit einer Kapazität von 600 Megawatt bei Palos de la Frontera errichtet und betrieben werden. Gespeist werden diese mit Biomasse, die das Erdgas als Energiequelle bei der Produktion von Wasserstoff ablösen wird.
Ein ähnliches Projekt wird direkt im Hafen von Huelva gestartet, Cepsa stellt unter anderem seine Kraftwerke in Campo de Gibraltar und Huelva auf Biomasse um und will allein rund fünf Milliarden Euro in diese Technologie bis 2030 investieren. Auch bei grünem
Kerosin aus Biomasse ist Cepsa mit dabei, Flugzeuge starten von Sevilla bereits mit einer Beimischung auf der Basis von Olivenkernen. Andere Unternehmen interessieren sich mehr für das Hinterland und die Kopplung von Anlagen zur grünen Energieerzeugung mit kleineren WasserstoffKraftwerken sowie der Speicherung des Wasserstoffs zum Netzund Bedarfsausgleich. Auch für die Nutzung der Biomasse wird es entscheidend sein, dass nicht nur Großprojekte der Energiegiganten existieren, sondern dezentral geplant und investiert wird.
Pipeline in den Norden
Auch außerhalb Andalusiens gibt es in Spanien etliche Projekte mit Blick auf Bio-Wasserstoff: So hat der Energiekonzern Endesa bis 2024 23 Projekte zur Herstellung von Bio-Wasserstoff über ganz Spanien verteilt am Start, die Investitionssumme beträgt knapp drei Milliarden Euro. Naturgy und Enagás wollen mit einer 350 MWWindkraftanlage in Asturien sauberen Wasserstoff generieren.
Eine weitere Vision der Spanier ist dabei die Errichtung einer Pipeline für Wasserstoff in den Norden
Der größte Konkurrent im Wasserstoff-Boom sind die Franzosen
Europas als langfristige Alternative zum Gas für das Heizen und die Stromerzeugung. Diese Pipeline „H2Med“wird – wie die MidCat für Flüssiggas – derzeit zwischen Katalonien und Marseille geplant, die Andalusier hätten sie gerne bis in den Süden verlängert. Auch die Um- oder Nachrüstung bestehender LNG-Häfen für Flüssiggas ist Teil dieses Plans. Spanien hat sieben strategisch bestens verteilte LNG-Terminals zu bieten. Die Häfen von Algeciras und Rotterdam betreiben bereits einen „Korridor für grünen Wasserstoff“, um nach und nach die kommerzielle Schifffahrt umweltfreundlicher zu gestalten, Cádiz plant das Angebot bald für Kreuzfahrtschiffe.
Der größte Konkurrent im Wasserstoff-Boom sind die Franzosen, die mit den Überschüssen ihrer Atomkraftwerke unschlagbar billig Wasserstoff herstellen und selbst exportieren können. Allerdings kommen die immer häufiger in Schwierigkeiten, da durch den Klimawandel die Flüsse auch in Frankreich immer weniger Kühlwasser für die Atommeiler führen. Die Sonne im Süden Spaniens geht hingegen eher nicht aus und die Biomasse wohl auch nicht so schnell.