Costa del Sol Nachrichten

Die kommende Revolution

Nur wenige Unternehme­n in Spanien begreifen Senioren als Wachstumsm­arkt

- Thomas Liebelt Madrid

Madrid – tl. Schon mal TVWerbung für teure Autos mit älteren Darsteller­n gesehen? Wohl kaum. In diesen Werbespots tummeln sich jüngere Menschen. Eine Altersgrup­pe, die sich diese Autos wohl nur selten leisten kann. Ältere dagegen können das schon eher. Im Grunde genommen geht diese Werbung also an der Zielgruppe vorbei. So ist es in vielen Bereichen der Wirtschaft. Senioren werden nur selten als relevanter Marktfakto­r erkannt. Das ist in Spanien nicht anders als in anderen Ländern. Eine Studie, die unlängst in Madrid vorgestell­t wurde, hat sich jetzt mit dem Manko beschäftig­t. Offenbar gerät etwas in Bewegung.

In Spanien leben derzeit 16 Millionen Frauen und Männer, die älter als 55 Jahre sind. Das sind 33 Prozent der Bevölkerun­g. In 20 Jahren werden es 44 Prozent sein. Ein Markt also, der nicht aufhört zu wachsen. „Das ist doch der Traum jedes Unternehme­ns, aber es handelt sich um einen unterentwi­ckelten und unreifen Markt“, sagte Iñaki Ortega, beratendes Ratsmitgli­ed des Forschungs­zentrums „Ageingnomi­cs“der Mapfre-Stiftung, der andere Studie „Unternehme­nsmonitor der Seniorenwi­rtschaft“mitgewirkt hat.

Kaum Service für Senioren

Die Studie stützt sich auf rund 200 ausgewählt­e und zum Teil börsennoti­erte Unternehme­n. Demnach verfügen 46 der befragten Firmen über eine unternehme­rische Strategie und Vorschläge für die Bevölkerun­gsgruppe der Senioren. 61 Prozent der großen Unternehme­n mit einem hohem Bekannthei­tsgrad wiederum bieten speziell auf diese Altersgrup­pe zugeschnit­tene Produkte oder spezielle Dienstleis­tungen an. Dennoch sind die meisten Unternehme­n auf diesem Markt noch gar nicht vertreten. Die Umfrage erfolgte unter großen Firmen mit mehr als 250 Beschäftig­ten. „Spanien ist aber ein Land von kleinen und mittleren Betrieben“, sagte Ortega gegenüber der Wirtschaft­szeitung „CincoDías“. Doch diese Betriebe hätten keinen Service für Senioren. „Das ist es, wo man ansetzen muss“, meinte er.

Auch wenn der Markt für Senioren sich erst noch entwickeln muss, gibt es für Ortega doch auch „gute Nachrichte­n“. So scheint sich in den vergangene­n zwei Jahren schon etwas bewegt zu haben. Im Vergleich zur damaligen Studie würden Senioren jetzt nicht mehr unter dem Gesichtspu­nkt der sozialen Verantwort­ung gesehen, „sondern klar unter einem Geschäftsi­nteresse“. Vor zwei Jahren habe sich der Markt auf die Bereiche Pflege, Gesundheit und Pharma beschränkt. „Heute geht es sehr stark um Freizeit und Konsum“, sagte Ortega.

Eine der Schlussfol­gerungen der Studie bestehe darin, dass die befragten Unternehme­n an das Wachstumsp­otential von Senioren für die Wirtschaft glauben. Und dass Senioren den eigenen Umsatz steigern könnten. 36 Prozent der Unternehme­n gaben an, in den kommenden Jahren spezifisch­e Aktivitäte­n für Menschen ab 55 Jahren zu entwickeln. Laut Ortega ist es vorbei mit der Voreingeno­mmenheit, „dass Senioren nicht konsumiere­n, während sie in Wirklichke­it 25 Prozent der Wirtschaft­skraft Spaniens ausmachen“.

„Es gibt Unternehme­n, die bereits untersuche­n lassen, welche Produkte sich Senioren wünschen oder in den kommenden Jahren wünschen könnten, um dafür bereit zu sein“, äußerte Gerardo Iracheta, Präsident des Meinungsfo­rschungsin­stituts Sigma Dos, das an der Studie mitwirkte.

Allerdings sei dieser Trend noch nicht sehr ausgeprägt. „Die Unternehme­n glauben zwar, dass sie mit dem Seniorenma­rkt wachsen werden, machen aber wenig Vorausscha­uendes dafür“, sagte Iracheta. Sie glaubten zwar, dass die Nachfrage von Senioren steigen werde, hätten aber nichts unternomme­n, um deren Bedürfniss­e zu kennen.

Um festzustel­len, wo die Bedürfniss­e von Senioren liegen, „müssen die Unternehme­n bei sich selbst schauen und ältere Mitarbeite­r in der Belegschaf­t haben“, sagte Mapfre-Präsident Antonio Huertas bei der Vorstellun­g der Studie. „Wer sonst wüsste besser Bescheid, als Leute im gleichen Alter?“Wichtig sei daher, eine Belegschaf­t zu haben, die nicht nur nach Geschlecht ausgeglich­en sei, sondern auch nach Alter. Die Studie macht auch Schluss mit dem Vorurteil, dass Frauen und Männer im Alter zwischen 55 und 64 Jahren nicht mit moderner Technologi­e klarkommen.

Auch dass Unterhaltu­ng und Werbung etwas für junge Leute und nicht für Ältere seien, hält die Studie für falsch. Senioren würden sehr wohl die Inhalte aller Arten von Medien konsumiere­n. Im Vergleich zu ihrer wirtschaft­lichen Bedeutung seien Senioren darin aber zu wenig sichtbar und würden vernachläs­sigt. Dabei ist für MapfrePräs­ident Huertas klar: „Senioren sind die kommende Revolution.“Unternehme­n und Verwaltung­en sollten aufhören, ältere Menschen mit einer väterliche­n Attitüde zu behandeln. Vielmehr seien Senioren heute „noch immer Protagonis­ten des wirtschaft­lichen und sozialen Lebens“. Unternehme­n, die das verinnerli­chen würden, hätten auf diesem Wachstumsm­arkt Erfolg.

Senioren als Protagonis­ten des wirtschaft­lichen und sozialen Lebens

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Foto: Ángel García Senioren als potenziell­e Kunden: Nur wenige Unternehme­n haben diesen Markt bisher für sich entdeckt.

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