Meeressäuger hautnah
Das Oceanogràfic in Valencia ist das größte Aquarium Europas – Ein Tagesausflug durch die Vielfalt der Unterwasserwelt
Selten in freier Natur gesehene Beluga-Wale, Clownfische, Seelöwen, Delfine, Meeresschildkröten und Reptilien wie Krokodile können im größten Aquarium Europas in Valencia bestaunt werden. Das in der Ciudad de las Artes y Ciencias gelegene Oceanogràfic lädt zu einer Reise vom Mittelmeer über tropische Gebiete und Südamerika bis hin zur Arktis ein.
In weiß glitzernder Schrift steht der Schriftzug „Oceanogràfic“groß auf dem Hauptgebäude am Eingang. Das Gebäude wurde vom Architekten Félix Candela und den Ingenieuren Carlos Lázaro und Alberto Domingo geplant. Die Konstruktion des Daches ähnelt dem Baustil des Restaurants „Seerose“in Potsdam. Große weiße, abgerundete Segel ragen über das ovalförmige Gebäude wie ein Sonnenschutz. Im Gebäudeinneren sind direkt am Anfang schon einige Meeresbewohner zu sehen. Quallen, Fische und eine kleine Schildkröte, die ihre Bahnen zieht, teilen sich hier ein Becken.
Vom Hauptgebäude führt ein Pfad durch eine schöne bewachsene Grünlandschaft. Hier startet der Rundgang durch das Aquarium, das in mehrere Gebiete aufgeteilt ist. Jedes Gebäude auf dem Rundgang repräsentiert einen anderen Ort, der den Lebensraum, aus welchem die Meerestiere ursprünglich stammen, darstellt.
Kunststücke im Wasser
Nach einigen Gehminuten erreichen die Besucher die Kontinentalinseln, wo drei Seelöwen durch die Becken schwimmen. Der größte der drei streckt seinen Kopf in die Höhe und schnaubt mehrere Male. Anstrengend ist die heutige Hitze für Mensch und Tier, die Haut der Seelöwen glänzt in der warmen Vormittagssonne.
Rechts führt ein überdachter Pavillon durch das Gehege der dort lebenden Riesenschildkröten. Über eine Abkühlung können sich die Zweibeiner beim Gang durch das Gehege freuen: Wasserdampf sprüht von oben auf die Köpfe. Den Tieren dagegen ist es heute zu heiß, sie verstecken sich lieber unter den schattigen Büschen. An dem Weg, der an den Schildkröten vorbeiführt, sind Informationstafeln aufgestellt, die Hintergrundinformationen zu den Tieren liefern.
Der Pfad führt weiter zum Delfinarium, schon von weitem ist eine Frauenstimme zu hören, die auf Spanisch durch ein Mikrofon spricht und die Delfinshow ankündigt, die um 12.30 starten soll.
Rund 1.500 Zuschauer passen auf die Ränge um das Becken. Heute ist es voll, es ist kaum noch ein Platz zu finden. Musik ertönt, und die Trainer der Delfine werden durch die Moderatorin in die Showarena gerufen. Die Meeressäuger winken den Zuschauern mit ihren Flossen zu, drei von ihnen springen synchron aus dem Wasser, während die anderen mit den Pflegern Ball spielen. Bei jedem Sprung und Kunststück der Tümmler klatschen und jubeln die Besucher. Nach einer halben Stunde ist die Show vorbei, die Massen strömen aus dem Delfinarium.
Weiter geht es den Pfad entlang zu einem großen kuppelartigen Gebäude, das einem Iglu ähnelt und die Arktis nachstellen soll. Hier treten die Besucher ein in die Welt der Beluga-Wale. Weltweit gibt es schätzungsweise 150.000 dieser besonderen Meerestiere, regional sind sie vom Aussterben bedroht. Ein Geländer über dem Becken lässt die
Besucher hinab zu den Weißwalen schauen.
Der Name Beluga kommt von dem russischen Wort „byelukha“und bedeutet ins Deutsche übersetzt „weiß“. Die drei bis fünf Meter langen Säugetiere können bis zu 1,5 Tonnen schwer werden. Ihre typische bläulich-weiße Hautfarbe bekommen sie allerdings erst zwischen fünf und zwölf Jahren, geboren werden sie mit einer grauen Hautfarbe. Belugas haben ein Luftloch auf ihrem Rücken, durch das sie atmen. Sobald die Wale an die Oberfläche gleiten, hört man sie schnauben.
Bauchplatscher ins Wasser
Über einen weiteren Weg gelangen die Besucher in den unteren Stock und stehen den Walen und vielen kleinen Fischen plötzlich direkt gegenüber. Jeder möchte ganz vorne an der Scheibe stehen, die Kinder kreischen vor Freude, sobald ein Beluga an ihnen vorbeischwimmt, und winken ihnen zu. Die seltene Walart ist das Highlight im Oceanogràfic, alle versuchen, ein Foto von den Belugas zu ergattern. Vorbei an den Infotafeln über diese besonderen Meeressäuger und einem großem Hai-Skelett in Lebensgröße, geht es weiter zu den Pinguinen in der benachbarten Antarktis.
Ein kleiner Durchgang führt in einen Raum mit einer großen Scheibe, hinter der Gentoo-Pinguine sitzen. Künstlicher Schnee fällt über ihnen von der Decke. Verschiedene Pinguin-Arten sitzen auf den nachgeahmten Felsen der Antarktis. Die ulkigen Vögel stehen ganz entspannt aufgereiht da, wenn dann mal einer ins Wasser will, landet er meist auf dem Bauch. Zwei der Pinguine zwicken sich gegenseitig vor der Scheibe – etwas ruppig sieht das schon aus. Gegenüber der Panorama-Scheibe haben es sich viele Besucher gemütlich gemacht und beobachten die schwarz-weißen Seevögel.
Auf dem Weg zum Ausgang folgt eine Bildergalerie, die Bilder
der Antarktis-Reisen des Oceanogràfic-Teams zeigt. Seit 2007 wird dort ein Projekt durchgeführt, um den Zustand der verschiedenen Populationen dort zu untersuchen. Wir verlassen das Gebäude der Antarktis und Arktis und machen uns auf den Weg zum Atlantischen
Ozean. Der Weg dorthin führt an einer Wand vorbei, auf der verschiedene Haiarten und Wale in Lebensgröße abgebildet sind. So wird man in die Welt der Meeresriesen begleitet.
Hinein geht es in die Hallen des Atlantiks, dem zweitgrößten Ozean des Planeten. Im Raum ist es sehr dunkel, nur die Aquarien mit ihrem bläulichen Licht und beleuchtete Infotafeln erhellen den Weg. Wie ein Schnitt durch das Wasser trennt eine Scheibe den Besucher vor den beeindruckenden Haien.
Vorbei an den großen Becken geht es zu einer Infotafel, die die Frage beantwortet, wie gefährlich die gefürchteten Raubfische denn nun wirklich für den Menschen sind. Doch hier wird der Spieß umgedreht: 180 Haie sterben pro Minute in den Weltmeeren. Dagegen enden nur fünf Begegnungen im Jahr zwischen Menschen und Haien tödlich für den Ersteren.
Mitten durch den Raum führt ein 35 Meter langer Tunnel, der auch mit einem Superlativ daherkommt: Es handelt sich um den längsten Aquarium-UnterwasserTunnel in ganz Europa. Rochen, kleinere Haie und ein Schwert-Hai tummeln sich direkt über den Köpfen der Besucher, die den Eindruck bekommen, sie würden mit den Tieren im Wasser schwimmen. Ein Eintauchen in den Atlantischen Ozean im wahrsten Sinne des Wortes also.
Findet Nemo
Es geht weiter in die tropische Zone. In die Welt der Clownfische, Seerobben, Meeresschildkröten, Piratenfische und Horn-Haie. Bevor
das neue Gebiet erkundet wird, kommen die Besucher noch an den Robben vorbei. Ihnen machen die Temperaturen heute auch zu schaffen, reglos liegen sie am Beckenrand. Ab und an robbt eines der Tiere zum Wasser und erfrischt sich oder trinkt einen Schluck. Auch die Robben können Besucher von unten, im Inneren des Gebäudes durch eine Scheibe beobachten.
In einem großen Raum, der einen Blick wie aus einem U-Boot in die Unterwasserwelt bietet, schwimmen viele Fische durcheinander. Eine Schildkröte liegt am Rand des Aquariums und schläft. In einem kleinen Becken nebenan, trifft der Besucher auf den seit dem Kinderfilm „Findet Nemo“weltbekannten orange-weiß gestreiften Clownfisch. Er schwimmt seelenruhig mit seinen Freunden im Wasser. Ein kleiner Junge ruft ganz aufgeregt nach seiner Mutter und zeigt ihr stolz, dass er Nemo gefunden hat. Auch in dieser Meereswelt
führt ein langer Tunnel durch die Gewässer. Eine große Wasserschildkröte schwimmt gemütlich über den Köpfen hinweg.
Aus dem tropischen Lebensraum kommend, geht es nun in einen ganz besonderen Bereich des Oceanogràfic: die Reha-Station der Schildkröten. Die Stiftung des Aquariums kümmert sich um verletzte, kranke oder frisch geschlüpfte Tiere, die im Meer und an den Stränden gefunden werden, päppelt sie auf und setzt sie wieder in ihrem natürlichen Lebensraum aus. Durch den Besuch sollen die Touristen auf die Meereswelt, den Schutz und den Umgang mit der Meereswelt aufmerksam gemacht und informiert werden.
Eine Schildkröte befindet sich gerade in einem kleinen Quarantäne-Becken, nachdem sie vor zwei Wochen am Strand von Benidorm gerettet wurde. 771 Schildkröten konnten in diesem Bereich schon geheilt und versorgt werden. Von der Auffangstation der Schildkröten aus ist ein großes, kugelförmiges Gebäude nicht zu übersehen. Es zeigt das reichste Ökosystem der Erde, die Sumpfgebiete, die über 100 Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause bieten. Neben Teichschildkröten wohnen hier Ibisse, Löffler und viele andere Vogelarten. Unter dem großen Dach haben die Vögel genügend Platz, um ihre Flügel auszubreiten. Gut zu hören sind sie auch.
Quallen-Alarm im Mittelmeer
Wie gefährlich ist die Begegnung mit einem Hai wirklich?
Den Rundgang beendet der Lebensraum vieler bunter Fische: das Mittelmeer. Oktopusse, Rasiermesserfische, Goldstriemen, Quallen und Anemonen können hier bestaunt werden. An den Fischen vorbei, kommen wir zu den fünf Becken der Quallen. Von Flammenquallen, Mond-Quallen, Weiß-gepunkteten bis hin zu der Blauen Tran leuchten alle in verschiedenen Farben, gleiten scheinbar schwerelos durchs Wasser und zeigen ihre bis zu sechs Meter langen Tentakeln.
Der Abschluss beim Gang durch das riesige Aquarium führt also quasi in heimische Gefilde – und auch wenn die Quallen faszinierend sind, ist man doch froh, dass sie sich hinter Glas durchs Wasser treiben lassen.