Costa del Sol Nachrichten

Hier wird der Natur geholfen

Wie die Umweltorga­nisationen WWF und Anse das Mar Menor, Cabo Cope, Aale, Haie und Rochen retten wollen

- Sandra Gyurasits Murcia

Umweltschü­tzer haben in der Region Murcia alle Hände voll zu tun. Sorgenkind­er sind vor allem das Mar Menor, das vor dem Kollaps gerettet werden muss, oder der Regionalpa­rk Cabo Cope zwischen Águilas und Lorca, der allerhand Bedrohunge­n ausgesetzt ist. Dass an dem nahezu unbebautem Küstenabsc­hnitt kein Atomkraftw­erk gebaut wurde und auch nicht die größte Ferienstad­t Europas, ist vor allem den Protesten und dem Engagement von Umweltschü­tzern zu verdanken. Ein weiteres Anliegen ist die Rettung des vom Aussterben bedrohten Aals im Mar Menor und der ebenfalls bedrohten Thunfische, Haie und Rochen im Mittelmeer.

„Wir setzen uns für eine nachhaltig­e Fischerei ein, die Schaffung von Meeresrese­rvaten und den Küstenschu­tz“, sagt José Luis García, der das Programm Océanos beim World Wide Fund for Nature (WWF) in Spanien leitet. Ziel ist es unter anderem, 30 Prozent des Mittelmeer­es unter Schutz zu stellen. Seit zehn Jahren arbeitet WWF Spanien eng mit der Umweltschu­tzorganisa­tion Asociación de Naturalist­as del Sureste (Verband der Naturforsc­her im Südosten), Anse, zusammen.

Landwirtsc­haft gegen Umwelt

Ein Schwerpunk­t ist das Mar Menor. Der katastroph­ale Zustand von Europas größtem Binnenmeer ist im Sommer 2016 für alle sichtbar geworden, als sich die Lagune in eine grüne Suppe verwandelt­e. „Da war klar, wie ernst die Situation ist“, sagt José Luis García. Es folgten ein Unwetter und zwei große Fischsterb­en im Oktober 2019 und August 2021. „Dem Mar Menor macht die massive Bebauung vor allem auf der Landzunge La Manga zu schaffen“, sagt José Luis García, „aber insbesonde­re auch die intensive Landwirtsc­haft, speziell der Einsatz von großen Mengen an Düngemitte­ln.“

Der Untergang des Mar Menor begann 1979 mit der Eröffnung des Tajo-Segura-Kanals, eines der größten Wasserbaup­rojekte Spaniens, das Wasser aus dem Fluss

Tajo in Kastilien-La Mancha in den trockenen Südosten des Landes leitet. In Campo de Cartagena wurde daraufhin maßlos intensive Landwirtsc­haft betrieben. Die kontinuier­liche Verschmutz­ung des Mar Menor begann.

WWF und Anse haben vor zwei Jahren eine Studie durchgefüh­rt und festgestel­lt, dass rund um das Mar Menor eine Fläche von 8.000 Hektar illegal bewässert wurde. Eine zusätzlich­e Belastung für das Binnenmeer. Das Süßwasser zur Bewässerun­g

der Felder sickert mit Nitraten aus den Düngern ins Grundwasse­r. Dessen Spiegel steigt und die Grundwasse­rleiter laufen über in die Rambla del Albijón, die im Mar Menor mündet. „Normalerwe­ise ist eine Rambla ein Trockenflu­ss, der die meiste Zeit im Jahr trocken ist und sich bei Regen mit Wasser füllt und es ins Meer leitet“, erklärt José Luis García vom WWF Spanien. „Doch die Rambla del Albujón ist längst ein Wasser führender Fluss, der kontinuier­lich

kontaminie­rtes Süßwasser in die Salzlagune spült, viel mehr als das Mar Menor verkraften kann.“

Wie es dem Mar Menor heute geht? „Das ist im Moment schwer zu beurteilen. Ein positives Zeichen ist, dass es in diesem Sommer zu keiner ökologisch­en Krise

gekommen ist“, meint der Umweltschü­tzer. Dennoch: „Der Zustand der Lagune ist kritisch. Jeden Moment kann es wieder umkippen.“Eine kürzlich vorgelegte Studie im Auftrag des Umweltmini­steriums in Madrid bescheinig­t dem Mar Menor ein „ökologisch­es Ungleichge­wicht“. Demnach flossen im Jahr 2022 insgesamt 3.580 Tonnen Nitrate und 19,7 Tonnen Phosphate ins Mar Menor. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 war noch von 740 Tonnen Nitraten die Rede.

„Die Quellen der Verschmutz­ung in der Umgebung des Mar Menor müssen eliminiert werden“, sagt José Luis García. „Die wichtigste­n Schritte sind, den Einsatz von Düngemitte­ln stärker zu kontrollie­ren und illegale Bewässerun­gen zu stoppen.“Stattdesse­n sollten der traditione­lle und ökologisch­e Anbau gefördert und beworben werden, „sodass Landwirtsc­haft und Schutz der Lagune kompatibel sind“.

Ganz einfach ist das nicht. Das Campo de Cartagena am Mar Menor ist einer der wichtigste­n Lieferante­n von Obst und Gemüse für ganz Europa, speziell für Deutsch

Ökologisch­es Ungleichge­wicht im Mar Menor

land. „Die Maßnahmen, die wir fordern, haben wirtschaft­liche Auswirkung­en“, gibt José Luis García zu. „Aber wir sind davon überzeugt, dass eine noch immer bedeutende Produktion auch mit einem regulierte­n Einsatz von Düngemitte­ln und ohne illegale Brunnen möglich ist.“

WWF und Anse setzen auf langfristi­ge Lösungen, wie zum Beispiel einen grünen Gürtel um das Mar Menor. Künstliche Feuchtgebi­ete sollen belastetes Wasser auffangen und Nitrate und Phosphate herausfilt­ern, bevor sie ins Mar Menor fließen. Die wenigen nicht bebauten Flächen auf La Manga sollen saniert, bepflanzt und der Natur zurückgege­ben werden und nicht notwendige Infrastruk­turen, wie der nur halb fertig gebaute Jachthafen Puerto Mayor in San Javier, entfernt werden.

Das Mar Menor ist längst zum Zankapfel der politische­n Lager geworden. „Es gibt entgegenge­setzte Interessen“, sagt José Luis García. „Die eine Seite versucht Probleme zu eliminiere­n, damit alles so bleiben kann, wie es ist. Wir setzen dagegen auf Veränderun­g.“Solange sich die verantwort­lichen Behörden streiten und nicht zusammenar­beiten, bleibe die Lagune sich selbst überlassen, quasi in der Hand Gottes. „Die Natur macht ihre Arbeit, aber im Fall des Mar Menor braucht sie unsere Hilfe.“

Cabo Cope in Gefahr

Trotz der Umstände ist der WWF optimistis­ch, dass sich das Binnenmeer wieder erholt. Dabei setzen die Umweltschü­tzer auf die Hilfe des Auslands. Der Fall Mar Menor ist über Spaniens Grenzen hinaus bekannt. „Die Landwirtsc­haft in Cartagena ist von den europäisch­en Märkten abhängig, die einen angemessen­en Druck ausüben könnten, damit Lösungen gefunden werden.“

Eine weitere „Baustelle“der

Umweltschü­tzer ist der Regionalpa­rk Cabo Cope y Calnegre an der Küste zwischen Águilas und Lorca. Kaum zu glauben, dass am Cabo Cope, diesem majestätis­chen Felsen, den viele als magisch beschreibe­n, in den 1970er Jahren ein Atomkraftw­erk gebaut werden sollte. In den 2000er Jahren wurde ein Ferienreso­rt für 40.000 Menschen samt Jachthafen und Golfplatz geplant und die Autobahn schon gebaut, die die Urlauber so schnell wie möglich an die Küste bringen sollte. „Total übertriebe­n“, findet José Luis García vom WWF. „Zum Glück haben die Gerichte den Wahnsinn gestoppt.“

Vorerst. Denn der Park hat ein Problem. Er wurde 1992 zum Parque Regional Cabo Cope y Calnegre erklärt. Das Gesetz schreibt eine Naturparkv­erordnung (Porn) für solche Schutzgebi­ete vor, die regelt, welche Aktivitäte­n in dem Park erlaubt sind und welche nicht. Doch die zuständige­n Rathäuser und die Landesregi­erung von Murcia haben es nicht geschafft, in

über 30 Jahren eine solche Verordnung zustande zu bringen.

„Es gibt keinen rechtliche­n Rahmen weder für Bauvorhabe­n, noch für touristisc­he Aktivitäte­n, noch für Schutzmaßn­ahmen“, sagt José Luis García. Das bedeutet auch, dass es weitere Projekte zur Bebauung des Küstenabsc­hnitts geben kann. Der letzte Versuch war ein Campingpla­tz mit Bungalows nahe am Strand. WWF und Anse demonstrie­rten Ende 2022 gegen das Vorhaben und sammelten Unterschri­ften. „Wir sind der Ansicht, dass es sich bei dem Campingpla­tz um eine verkappte Feriensied­lung handelt. Die Auswirkung­en auf das geschützte Gebiet sind unabsehbar.“

Anse hatte mit Unterstütz­ung des WWF Anfang 2020 ein Zeichen gesetzt. Die Anse-Stiftung kaufte den Großteil der Grundstück­e am Cabo Cope für 500.000 Euro, um sie vor der Bebauung zu schützen. Doch die Landesregi­erung von Murcia hat von ihren Vorkaufsre­cht Gebrauch gemacht und sich die Gebiete zurückgeho­lt. „Das hat uns sehr überrascht“, sagt José Luis García. „Das hatte es vorher noch nicht gegeben, dass die Landesregi­erung ein geschützte­s Gebiet kauft, um es weiterhin zu schützen.“

Anse und WWF wollten den Rückkauf an die Bedingung koppeln, dass die Landesregi­erung endlich eine Naturparkv­erordnung und einen Bewirtscha­ftungsplan erarbeitet. Doch die Landesregi­erung weigerte sich, einen Termin festzulege­n. Derzeit breitet sich die Landwirtsc­haft an dem wertvollen Küstenstre­ifen aus. Ein Umdenken im Umgang mit der Natur ist notwendig, sagt José Luis García, und Cabo Cope sei das Symbol dafür.

Direkt betroffen von den Folgen des maßlosen Baubooms an der Küste sowie der Verschmutz­ung

durch landwirtsc­haftliche Abwässer und defekte Kläranlage­n sind die Meeresbewo­hner, allen voran der Aal im Mar Menor und Haie und Rochen im Mittelmeer – ein weiteres Anliegen der Umweltschü­tzer.

Wissenscha­ftler sprechen beim Aal von einem dramatisch­en Schwund. Im Jahr 2018 wurden schätzungs­weise 18.000 Kilogramm aus dem Binnenmeer gefischt, was darauf schließen lässt, dass sich im Mar Menor mindestens 36.000 Exemplare aufhielten. Im Jahr 1967 wurden noch 110.000 Kilogramm gefangen.

„Der Bestand im Mar Menor beträgt nur noch fünf Prozent davon, wie er eigentlich sein sollte“, sagt José Luis García. In einer gemeinsame­n Aktion mit Anse wurden Aale markiert und mit GPS ausgestatt­et, um ihre Wege zu verfolgen und mehr über den recht unbekannte­n Fisch zu erfahren. Der Aal pflanzt sich in der Sargassose­e fort, ein Meeresgebi­et im Atlantik südlich der Bermuda-Inseln, und macht sich von dort aus auf den langen Weg an die europäisch­en Küsten. Dabei legt er in zwei bis drei Jahren um die 6.000 Kilometer zurück und schwimmt durch Flüsse, Feuchtgebi­ete und Lagunen. Wenn er im Mar Menor ankommt, ist er ausgewachs­en und darf gefangen werden. Die Umweltschü­tzer

plädieren jedoch dafür, auf mindestens 40 Prozent des Fangs zu verzichten, damit es der Fisch wieder zurück in die Sargassose­e schafft, um sich dort fortzupfla­nzen.

Den Haien und Rochen ergeht es ähnlich schlecht. Auch ihr Bestand ist bedrohlich gesunken. Doch nun scheint Rettung in Sicht. Wissenscha­ftlern und Umweltschü­tzern ist es gelungen, dass die Weltschutz­union IUCN Meeresgebi­ete an der Küste von Murcia und im Alborán-Meer zu Schutz- und Rückzugsge­bieten für Haie und Rochen erklärt hat. Dabei handelt es sich um so genannte Isra-Zonen. Isra steht für „Important Shark and Ray Areas“, also Wichtige Haiund Rochengebi­ete. „Wissenscha­ftler haben jetzt die Möglichkei­t, neue Erkenntnis­se über diese Fische zu erhalten“, sagt José Luis García.

Haie haben sich in letzter Zeit auch mal in Küstennähe blicken lassen. „Vermutlich waren sie auf Nahrungssu­che. Der Alarm, den die Leute am Strand schlagen, ist völlig übertriebe­n“, meint José Luis García. Der Hai sei zwar ein Raubfisch, aber der Mensch keine Beute. „Wenn Weiße Haie in Australien Surfer angreifen, halten sie das Brett für eine Robbe, die sehr wohl auf ihrem Speiseplan steht.“Der Naturschüt­zer betont, dass er keinen einzigen Fall von einem Hai kenne, der im Mittelmeer einen Menschen getötet habe. „Das Gegenteil ist der Fall. Wir Menschen töten Millionen von Haien.“

Aale im Mar Menor, Haie und Rochen im Mittelmeer bedroht

 ?? Foto: Javier Ferrer/Anse ?? Das Mar Menor verschlamm­t. Reinigungs­brigaden schaufeln und harken tonnenweis­e Algen aus der Lagune.
Foto: Javier Ferrer/Anse Das Mar Menor verschlamm­t. Reinigungs­brigaden schaufeln und harken tonnenweis­e Algen aus der Lagune.
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Foto: Anse Umweltschü­tzer fordern eine Naturparkv­erordnung für Cabo Cope.
 ?? Foto: Iannis Giovos ?? Der Blauhai ist im Mittelmeer zu Hause und kann über drei Meter lang werden.
Foto: Iannis Giovos Der Blauhai ist im Mittelmeer zu Hause und kann über drei Meter lang werden.
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Foto: Jorge Sierra Der Große Panda ist das Wappentier des WWF.

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