Gemeinsam verantwortlich
Haushalts-App von Spaniens Gleichstellungsministerium im Test: Was in ihr steckt, wie man sie auch auf Deutsch nutzt
Einen großen Umsturz im System – den bräuchte es schon, um die am schlechtesten entlohnte Arbeit der Welt angemessener wertzuschätzen. Die Arbeit im eigenen Haushalt ist nicht nur eine unbezahlte, sondern auch überaus unfaire Realität. Denn das Gros der Aufgaben bleibt ja weiterhin an weiblichen Personen hängen. Zumindest letzteres muss nicht so sein, meint Spaniens Noch-Regierung, und schuf Abhilfe: Die App MeToca („Ich bin dran“) soll Bürgern helfen, die Arbeiten im Haus gerecht zu verteilen. Wird sie dem Anspruch gerecht? Das wollten wir wissen und haben das kostenlose Tool getestet.
Zunächst sei erklärt, warum die jüngst gelaunchte App in Spanien einigen Wirbel auslöste. Es handelt sich quasi um das Abschiedsgeschenk des von der PodemosPartei geführten Gleichstellungsministeriums. Als Systemumkrempler angetreten, verkündeten die Alternativlinken eine bürgernahe, authentische Politik als Gegensatz zur abgehobenen politischen „Kaste“. Geklappt hat es nicht recht – zumindest bis MeToca kam.
Denn nun, am Ende der Podemos-geprägten Regierungszeit, ist es tatsächlich da: Ein Produkt des Igualdad-Ministeriums, das wirklich Menschen im ganzen Land erreichen kann. Zwar erntete MeToca vorwiegend in konservativen Medien umgehend Häme und Kritik – etwa angesichts der recht hohen Herstellungskosten von über 200.000 Euro für die eher simpel gestrickte App. Doch mit ideologischen Parteikämpfen hat die smarte Hilfs-Anwendung eigentlich wenig zu tun.
Dass nämlich in den meisten Haushalten – gelinde gesagt – eine nicht gerade ideale Aufgabenverteilung besteht, ist nicht nur Konsens quer durch die Bürgermilieus, sondern ein Fakt mit solider wissenschaftlicher Basis (dazu siehe Kasten). Man kann ihn natürlich als weitere Mann-Frau-Kriegsfront ausschlachten – aber das tut MeToca eben nicht. Und das ist bereits sein erster Positivpunkt.
Im Gegenteil, kommt die auf allen gängigen Download-Portalen leicht zugängliche App mit angenehmen Reizen und positiven Impulsen daher. Nur acht Megabyte misst die Android-Version, ist also selbst auf einem älteren Smartphone fix installiert. „Corresponsables“– gemeinsam verantwortlich – erscheint sogleich der Slogan über einer kleinen Tetris-Grafik. Und schon ist eine Botschaft gesetzt.
Das Handy erstmal weg
Die Tetris-Brocken, die es im bekannten Spiel gilt, angemessen zu positionieren – das sind natürlich die User, Menschen wie du und ich, mit ihrer Verschiedenheit, all den Stärken, Schwächen, als Steine gleichberechtigt, aber dann am besten, wenn sie korrekt eingesetzt sind. Wenn das schon beim Starten kein gelungener Anreiz ist – zumal man sich gefühlt quasi im Spiel wiederfindet statt im undankbar unbezahltesten Job der Welt.
Unter „Mi Perfil“sind zunächst Name oder Spitzname („Nombre o alias“) sowie auf der Leiste „edad“das Alter und unten das Geschlecht anzugeben. Dann oben Klick auf’s Häkchen, und die MeTocas Oberfläche öffnet sich. Wer will, kann rechts oben auf dem Kreis unter „Idioma“die Sprache auf Englisch ändern. Deutsch ist zwar nicht gelistet, man kann aber unter dem Punkt „Tareas“mit Klick auf das Plus-Symbol (+) Aufgaben in der eigenen Sprache verfassen. 30 Tätigkeiten gibt die App vor, gegliedert in die Bereiche Essen/Trinken, Instandhaltung/Reinigung, Kleidung, Garten/Tiere, Reparatur, Einkauf, Verwaltung und Betreuung.
Die Farben dienen klar der Anschaulichkeit und sind nicht irgend
MeToca sieht es anders: Dies und das und auch das hast du geschafft
wie geschlechtlich geprägt (etwa rosa für typische Frauentätigkeiten). Am sinnvollsten ist die App natürlich erst, wenn man sie geteilt mit anderen Haushaltsmitgliedern nutzt. Ein Gruppe bildet man entweder, indem man unter „Mi equipo“User einlädt, die sich über einen Code einloggen. Oder man fordert, um eine bestehende Gruppe zu betreten, unter „unirse a un equipo“selbst einen Code an. Wenn alle angemeldet sind, kann es losgehen, und dafür legt man zunächst einmal das Handy weg und schnappt sich Wischmopp, Schraubenzieher oder die Einkaufstasche.
Schöner Denkanstoß
Welche Arbeit man auch vorhat: Wichtig ist, die benötigte Zeit und die aufgewendete Mühe zu beachten, um diese Parameter anschließend MeToca mitzuteilen. Dazu klickt man im Hauptmenü unten aufs (+) und wählt eine Tätigkeit (aufräumen, waschen, reparieren,...) – entweder aus den vorgebenen oder den selbst eingetippten –, wonach unter „Esfuerzo“auf einer 1-bis-3-Skala die Anstrengung und unter „Tiempo“die Dauer plus Datum einzureichen sind. Ferner lassen sich unter „Observaciones“noch Notizen dazukritzeln.
Einmal abgeschickt, erscheint oben in der Statistik die getane Arbeit im Vergleich zu den anderen Teilnehmern. Diese bekommen auf ihr Gerät, ob Handy oder Tablet, die Nachricht über die getane Aufgabe des – je nach Sichtweise – Konkurrenten oder Mitspielers. Hat man einige Tage lang alle geschafften Arbeiten in der App gesammelt, lassen sich interessante statistische Details nachlesen.
Zum einen gewähren nach Aufgabenbereich, Zeit und Mühe aufgeschlüsselte Schaubilder einen Einblick ins eigene Haushalts-Profil: In welche Arbeiten investiere ich viel, in welche weniger? Im Vordergrund aber steht der Vergleich zu den anderen Usern, weshalb die App schon auf der Hauptseite oben mitteilt: „dedicas bastante
más tiempo que los demás“– du investiert deutlich mehr Zeit als die Anderen – oder so ähnlich.
Hilft dieser Wettbewerbsgedanke bei der Herstellung der Fairness im Haushalt? Zumindest offenbart unser Test vor allem zu Beginn,
dass MeToca durchaus motivieren kann zum aktiven Tun und auch Ausprobieren neuer Tätigkeiten. Gerade die Jüngeren legen begeistert los. Schade, dass in den Einstellungen die Altersspanne erst bei 18 Jahren beginnt (und schon bei 100 Jahren endet). Sehr positiv zu vermerken ist die Eigenart der App, die geschaffte Arbeit zu erfassen.
Sonst geht man ja oft mit plagenden „mal wieder mit nichts voran gekommen“-Gedanken ins Bett. MeToca sieht das anders: Schau mal – dies und das und auch das hast du vollbracht. All das war Hausarbeit, hätteste nicht gedacht, was? Ein schöner Denkanstoß.
Keine absolute Größe
Doch idealisieren darf man die App nicht. Zum Beispiel fällt auf, dass die meisten getätigten Angaben subjektiv sind, allem voran auf der 1-bis-3-Anstrengungsskala. Auch die Zeit ist keine absolute Größe: Einer, der sich mit zwei Stunden
Bügeln rühmt, kann dabei einen Haufen geschafft oder – etwa mit Handy-Apps herumspielend! – ziemlich herumgetrödelt haben.
Über die Qualität der getanen Arbeit sagt MeToca gar nichts aus. Allein daher ist die Gleichstellungs-Anwendung keineswegs ein automatischer Bereiniger von Ungerechtigkeiten oder Konflikten im Haus, sondern möglicherweise sogar das Gegenteil: Potentiell kann die App Stress sogar verstärken, wie erste kritische Erfahrungsberichte im Internet nahelegen.
Bei unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Arbeiten im Haushalt wichtiger sind und welche weniger, kann MeToca rasch zum Brandstifter werden. Im Falle toxischer Kontroll-Dynamiken unter den Partnern kann die Funktion, die die getane Tätigkeit in Echtzeit mitteilt, sogar fatal sein. Vorsicht also bei aufgeladener Stimmung: Dann MeToca lieber unter Aufsicht eines Familientherapeuten
ausprobieren.
Noch etwas weiter gedacht, darf auch bei dieser App die keineswegs nebensächliche Frage gestellt werden, wofür man eigentlich die Datenkrake im Smartphone mit – noch – mehr privaten Angaben über sich füttern muss. Verbessert die Anwendung mein Leben wirklich? Oder führt sie zu noch mehr HandyFixierung und Zerstreuung?
Nur mit Wertschätzung
Ja, MeToca verlangt dem User einen kritischen und cleveren Umgang ab, vermag aber – wenn es denn schon da ist – positiv zu wirken. Allein eine gewisse politische Wertschätzung erbrachte die 200.000 Euro-App der Arbeit im Haushalt. Und wenn es Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Nutzen schaffen, konstruktiv miteinander umzugehen – etwa wie eine Koalitionsregierung statt wie opponierende Parteien im Parlament – ist für viele schon ein großer Umsturz geschafft.