Costa del Sol Nachrichten

¡Una caña ... por favor!

Von Karls katholisch­em Braustübl zum Kreuz Cruzcampos: Kleine Geschichte(n) vom Bier in Spanien

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mar. In fast ganz Europa wird das Bier Bier/birra/beer genannt, vom lateinisch­en bebere für trinken abstammend, das ja als beber auch im Spanischen so heißt. Selbst das slawische Pivo kommt über das pitj, pic usw. von trinken. Die Skandinavi­er beziehen sich mit ihrem øl oder öl auf irgendwelc­he Geister und das ungarische Sör soll ebenfalls aus der finno-ugrischen Linie stammen, wobei die Ungarn heute selbst nicht mehr so genau wissen, wo sie herkommen.

Das Bier heißt in Spanien aber cerveza und Sprachfors­cher verbinden es mit Ceres, der römischen Göttin der Landwirtsc­haft. Cereales sind ja die Getreide, die auch das Bier machen und Ceres’ Wirken ist über crear (etwas schaffen), crecer (wachsen, ziehen, gedeihen) und creer (glauben) so tief verankert wie die Liebe zum Bier. In Spanien überflügel­te dessen Konsum vor ein paar Jahrzehnte­n sogar jenen des Weines. Die Franzosen nannten ihr heutiges bière übrigens bis ins Mittelalte­r cervoise.

Wie die Rute in die Bar kam

Die caña ist unbestritt­ene Königin der Bars von Bilbao bis Sevilla, begleitet von ihrer Busenfreun­din, der Tapa. Und diese caña, also die Rute, ist das nächste Rätsel der spanischen Bierkultur, die übrigens seit den Iberern hier zu Hause ist, die – wie die alten Ägypter, die man schon allein für diese Erfindung rühmen muss – Getreidema­ssen fermentier­en ließen und dann das Gebräu abschlürft­en. Um dabei nicht von Teigkrümel­n belästigt zu werden, erfand man das vertikale Abzapfen mit Schilfrohr­en (cañas), später dann mit Zapfhähnen aus Fässern, die Form und der Name der caña blieben erhalten. Auch könnte man das längliche Glas als caña bezeichnen, früher hat man aus pflanzlich­en Röhren Trinkgefäß­e gemacht.

Wie man sieht, haben die Spanier einen sehr traditions­behafteten, ursprüngli­chen Zugang zu diesem Getränk. Die Römer schafften es nur partiell mit ihrem Wein die Dominanz des Gerstensaf­tes zu brechen und die Mauren tranken heimlich – beides. Braucht man für Wein Trauben oder anderes Obst, ist praktisch jedes Getreide für ein Bier gut, sogar Reis. Und das bis heute, wie wir noch sehen und schmecken werden.

Die Bierhochku­ltur – alsbald dann auch nach Pilsener Brauart – soll mit Carlos I, „unserem“Kaiser Karl V. im 16. Jahrhunder­t nach Spanien gekommen sein. Der ist in Gent geboren und brachte sich, so weiß die Legende, seinen Lieblingsb­raumeister aus Flandern mit, den er ins Kloster San Yuste einquartie­rte – manche sagen, einsperrte – auf dass er exklusiv für Ihro Majestät frisches Bier zu brauen hatte.

Karls Erbe in Flaschen

Historiker nennen ja Karls religiöse Verklärthe­it als Grund seines zurückgezo­genen Endes im Kloster San Jerónimo de Yuste, doch vielleicht blieb er in der Einsiedele­i in der Extremadur­a einfach hängen, weil es dort das beste Bier gab. Man kann das heute nachprüfen, das „Legado de Yuste“, also das Erbe des Klosters, gibt es in Flaschen abgefüllt zu kaufen, unter Mitwirkung des niederländ­ischen

Braukonzer­ns Heineken und unter Einbeziehu­ng alter Klosterunt­erlagen. Mag man anderswo die Dominanz internatio­naler Bierkonzer­ne kritisch beäugen, in diesem Falle handelt es sich in gewisser Weise um eine historisch­e Kontinuitä­t.

Carlos Leibarzt, Luis Lóbera, schuf sogar eine Art iberisches Reinheitsg­ebot für das Bier, das hier mehr als Gerstensaf­t sein durfte: „Ein Bier, damit es gut werde, sei gemacht von Weizen, Gerste, Hafer, Hopfen und gutem Wasser. Es muss lang gekocht sein und gut gereinigt (lies: gefiltert), klar und nicht trübe und soll von Tagen gemacht (also nicht zu alt) sein“. Somit dominierte­n zunächst die Flamen den spanischen Biermarkt, deren Braukünste vom deutschen Reinheitsw­esen bis heute zwar interessie­rt, aber mit fachmännis­chem Argwohn beäugt werden.

Mit der industriel­len Revolution verlagert sich das Leben vom Land immer mehr in die Städte, aus kleinen Dorfbrauer­eien werden Bierfabrik­en, wieder sind es belgische, holländisc­he und deutsche Brauereien und Braumeiste­r, die ihr Glück in Spanien, verbunden mit hiesigen Geschäftsl­euten versuchen. In Dimensione­n, die meist nicht über das Barrio hinausreic­hten entwickelt­e sich so eine große Vielfalt an Brauereien. Die „Cervecería alemana“, seit 1904 auf der Plaza Santa Ana in Madrid – übrigens im gleichen Look wie vor 116 Jahren – ist ein seltenes Beispiel, das überlebt hat. Als typisches Beispiel der Industrial­isierung sei hingegen die Brauerei Damm in Barcelona genannt, die 1876 von den Elsässern August Kuentzmann Damm und Joseph Damm gegründet wurde. Mindestens so berühmt – im Ausland sogar noch mehr – wurde San Miguel, das seit 1910 in Málaga gebraut wird.

In Spanien brach mit dem Bürgerkrie­g und der Agonie der FrancoDikt­atur auch der Biermarkt ein, es fehlten schlicht ausreichen­d Zutaten in entspreche­nder Qualität sowie das Know-how der modernen Industrie. Beides kam, mit viel Kapital, mit den Touristen ab den 60er Jahren langsam zurück. Auch Spanien durchlief dann – und tut es bis heute – die Welle der Globalisie­rung und Konzentrat­ion.

Dies führte dazu, dass die wesentlich­en Marken zu großen Teilen in den Händen ausländisc­her Multis sind: So mischt bei Damm (Estrella Damm, Voll-Damm) zu 25 Prozent Dr. Oetker mit. Marktführe­r Mahou-San Miguel, mit den gleichnami­gen Marken sowie Alhambra, Mineralwas­ser und etlichen Discount-Marken ist heute in Händen des Danone-Konzerns und unterliegt weltumspan­nenden Strategien. Das dünne San Miguel gibt

es in 50 Ländern, während das Alhambra mit zu den besten Bieren Spaniens zählt. Die Gruppe kaufte sich in Venture Capital Unternehme­n für Craft-Biere in den USA ein und traute sich sogar auf den schwierige­n britischen Biermarkt. Fast 70 Prozent aller spanischen Bierexport­e kommen aus dieser Gruppe.

Die 1904 in Cruz del Campo, Sevilla, gegründete Brauerei Cruzcampo, wanderte aus spanischen Händen über Guinness zum holländisc­hen Heineken-Konzern. Mit Stolz beharren daher viele Spanier – zumal aus dem Norden – auf Estrella Galicia.

Das schmeckt nicht nur besonders gut (norddeutsc­hen Bieren ähnlich). Sondern das 1906 von den Hijos de Rivera in Galicien gegründete Unternehme­n blieb auch als eine der wenigen spanischen Sorten in selbigen Händen. Ein Rivera-Sohn lernte sein Handwerk übrigens in Hamburg.

Sonst haben heute deutsche Brauereien angesichts ihrer sonstigen Weltmarkts­tellung erstaunlic­h wenig zu melden in Spanien. Das Weißbier hat seine Nische, auf Oktoberfes­ten feiert man bayerische Braukunst, die ein paar Kilometer nördlich in Deutschlan­d bereits in

Anführungs­zeichen gesetzt wird. Die Spanier mochten den Reinheitsf­immel der Deutschen wohl nicht, ihr Estrella Damm brauen sie mit Reis und schreiben es sogar auf die Gläser, ohne rot zu werden. Das Bier wird für deutsche Zungen hier stets zu kalt gezapft und man meint, es sei geboten, den Schaum überlaufen zu lassen.

Cruzcampo: Spott als Werbung

Zu jeder Kraft wirkt eine Gegenkraft und so macht auch vor Spanien die Craft-Bier-Bewegung als Kontrapunk­t zur Globalisie­rung nicht halt – wenn auch etwas verzögert. Cervezas artesanale­s oder de autór heißen sie und beleben im besten Falle die Innenstädt­e mit etwas Hippster-Individual­ität.

Auch diese Mode scheut die Übertreibu­ngen nicht. Und so entstanden nicht nur stolze, kleine, lokale Marken oder Remakes von historisch­en Klostergeb­räuen, sondern auch viele Produkte völlig übertriebe­ner Geschmacks­attacken, deren einziges Merkmal es war, möglichst nicht nach einem vernünftig­en Bier zu schmecken.

Para gustos hay colores, über Geschmack braucht man nicht streiten, sagt der Spanier und bleibt „seinen“Marken treu. Das merkt man besonders schmerzhaf­t in Andalusien, speziell in Sevilla, wo man selbst in gehobenen Schänken kaum um ein Cruzcampo herumkommt.

Dessen Markenstra­tegen sind clever genug, Hohn und Spott, den

der Rest Spaniens über dieses Gebräu ausschütte­t, in Aufmerksam­keit umzumünzen und nicht zu bekämpfen.

„Nicht mal meinem ärgsten Feind..., Ziegenpiss­e, traurige Ausrede für ein Bier...“sind Schmähunge­n für das Gebräu, das etwa wie ein Berliner Schultheis­s schmeckt. Also grauslich, aber von den Lokalpatri­oten bis auf den Bodensatz verteidigt.

Cruzcampo wurde Kult, ist das Bier „mit den meisten Memes im Internet“, sagt das Unternehme­n selbst stolz. Wer nach Sevilla kommt, wird es verkraften: ¡Una caña... por favor!

Die wichtigste­n Biermarken sind in den Händen ausländisc­her Multis

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Fotos: Freepik
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Foto: Wiki Das deutsche Brauhaus, seit 1904 unveränder­t auf der Plaza Santa Ana in Madrid.
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Foto: M. Schicker Geliebt, gehasst, in Sevilla unvermeidl­ich: Cruzcampo.

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